Covid-19-Krise fördert digitale Infrastruktur

Ben Forster, Schroders
Ben Forster / Bild: Schroders
Die Covid-19-Pandemie macht die Modernisierung digitaler Infrastruktur-Netze noch dringlicher. Dadurch entstehen neue Anlagechancen.
Ob es einem gefällt oder nicht: Die Covid-19-Pandemie hat uns noch abhängiger von schnellem und zuverlässigem Internetzugang gemacht. Ob wir mit Kolleginnen und Kollegen sprechen, die sich an anderen Standorten befinden, Lebensmittel online einkaufen oder unsere Smarthome-Geräte überwachen: Eine Unterbrechung des Internetzugriffs löst in den meisten Haushalten Panik aus.
 
Das Problem: Viele etablierte Breitband-Anbieter waren mit der rasanten Zunahme von Online-Aktivitäten während des Lockdowns überfordert – es traten vermehrt Verbindungsprobleme auf. Wer dagegen bereits vor der Pandemie die sich nun beschleunigenden Trends erkannt und entsprechende Maßnahmen ergriffen hatte, konnte diese Herausforderung erfolgreich bewältigen. Cloudbasierte Plattformen wie Amazon, Zoom, Netflix und Ocado hatten vor der Corona-Krise viel Geld in skalierbare digitale Infrastruktur in Form von Software-Plattformen und Servern investiert. Mit dieser Ausstattung sind sie in der Lage, Bestellungen sicher zu bearbeiten, Logistikwege zu optimieren und Inhalte auf Abruf bereitzustellen.
 
Einen Weg zurück gibt es nicht. Denn Nutzer haben erlebt, was möglich ist, und werden sich in Zukunft kaum mit einer weniger komfortablen Weise zufrieden geben wollen zu arbeiten, zu leben und zu spielen. Aus diesem Grund müssen die digitalen Kommunikationsnetze, über die wir Zugang zu diesen Diensten haben, schneller modernisiert werden.

Kritische Infrastrukturen

Rechenzentren spielen eine zentrale Rolle für ihre Inhaber und haben sich in der Pandemie dank hoher Mieteinnahmen und geringer Zahlungsausfälle als äußerst stabile Einnahmequellen erwiesen. Mit den Servern, die sie beherbergen, ermöglichen Rechenzentren cloudbasierte Dienste wie Netflix und bieten Zugang zu Internet-Knotenpunkten, über die Daten an Abonnenten solcher Streaming-Dienste übertragen werden. Was nicht minder wichtig, aber weniger sichtbar ist: Diese Rechenzentren und Knotenpunkte stützen sich auf mehrere Millionen Kilometer lange, weitgehend verborgene externe Glasfasernetze und unzählige Mobilfunkstationen, -masten und -sender.
 
Diese Netze sind nicht nur für Rechenzentren unabdingbar. Sie sind auch von entscheidender Bedeutung für Notfalldienste, militärische Kommunikation und andere Anwendungen, die außerhalb privater lokaler Netze Zugriff auf Daten bieten. Dazu gehört auch die Mobilfunktechnologie der fünften Generation (5G), die im Vergleich zu 4G bis zu hundertfach schnellere Download-Geschwindigkeiten verspricht.
 
5G sollte es ermöglichen, dass neue Technologien wie selbstfahrende Autos, Online-Gaming und intelligente Fabriken reibungslos funktionieren – denn diese benötigen hohe Bandbreiten. Die entstehende Netzarchitektur (siehe Abbildung unten) und unsere immer größere Abhängigkeit vom Zugang zu diesen Netzen hat Regierungen vor Augen geführt: Ohne große Investitionen bleibt die Wettbewerbsfähigkeit auf der Strecke.

Rückstand aufholen

China hat vor kurzem ein 1,4 Billionen US-Dollar schweres Konjunkturprogramm angekündigt. Bei diesem liegt der Schwerpunkt nicht mehr auf traditionellen Infrastruktureinrichtungen wie Straßen und Brücken, sondern auf neuer Infrastruktur für das digitale Zeitalter. Im Vordergrund dürften dabei Investitionen in künstliche Intelligenz, Rechenzentren, 5G-Basisstationen, Ultrahochspannungsnetze, Ladeeinrichtungen für Elektrofahrzeuge, das industrielle Internet der Dinge und in den Verkehr zwischen Städten stehen.
 
Während China in Bezug auf Rechenzentren aufholt, liegt es bei der Mobilfunkabdeckung mit circa 2 Millionen Mobilfunkmasten gegenüber dem Rest der Welt bereits klar in Führung. Nach Angaben von TowerExchange sind das anderthalb mal so viele Masten, wie in der übrigen Welt. Der chinesische 5G-Ausrüster Huawei hat dabei eine globale Bedeutung – dass das Unternehmen im anhaltenden Handelskonflikt zwischen China und den USA in die Schusslinie geraten ist, ist dafür ein klarer Hinweis.
 
Auch für die EU nimmt die Digitalisierung einen hohen Stellenwert ein – das geht aus ihrem 750-Milliarden-Euro-Konjunkturpaket zur Überwindung der Folgen der Covid-19-Pandemie deutlich hervor. Digitale Infrastruktur dürfte auch weiterhin klar im Mittelpunkt der Debatte stehen, wenn sich Volkswirtschaften nach und nach von der Pandemie erholen.

Der Vorsprung der Metropolen

Unser Augenmerkt liegt vor allem auf Liegenschaften in den führenden Städten der Welt. Für uns steht außer Frage, dass die qualitativ hochwertige digitale Infrastruktur in diesen Städten an Wert gewinnt: Dort ist das Kunden- und Datenaufkommen hoch – und die Entfernung zu den Netzwerken gering. Diese Nähe sorgt dafür, dass Nutzer bei der Kommunikation nur wenig Verzögerungen erleben, was zu einem besseren Kundenerlebnis führt und die Nachfrage stärkt.
 
Denn: Ein zentrales Element der 5G-Technologie besteht darin, dass auf den von ihr genutzten Funkfrequenzen wesentlich mehr Daten übertragen werden können, allerdings über deutlich geringere Entfernungen. Um eine lückenlose Abdeckung zu gewährleisten, erfordert 5G also eine höhere Senderdichte. Deshalb werden für 5G sehr viel mehr Glasfaserkabel, Mobilfunkmasten und Funkzellen benötigt als für 4G-Signale, die größere Entfernungen zurücklegen können.
 
Um die erforderlichen Investitionen zu rechtfertigen, werden sich die Betreiber von Mobilfunknetzen zunächst auf Weltstädte konzentrieren. Dort leben viele wohlhabende Verbraucher und sind viele Unternehmen angesiedelt, sodass das Umsatzpotenzial für 5G-Dienste größer ist. In diesen Städten wird es die beste Signalabdeckung geben, was wiederum deren Produktivitätsvorsprung vergrößert.

Wer beherrscht die 5G-Infrastruktur?

Wettbewerbern eine Mitnutzung von Masten anzubieten, ist unter finanziellen Gesichtspunkten sinnvoll. Netzbetreiber, die Mobilfunkmasten für die Signalübertragung nutzen, erkennen das genauso wie die Inhaber von Rechenzentren. Schließlich ist die Erhöhung der Funkmastdichte und die Aufstellung von 5G-Übertragungseinrichtungen kostspielig und zeitaufwendig – und es ist wenig wahrscheinlich, dass Betreiber ihre Netze im Alleingang rasch ausbauen werden.
 
In den USA haben Netzbetreiber dies schon vor einiger Zeit erkannt und es entstand eine konsolidierte, „anbieterneutrale“ Industrie für den Bau von Mobilfunkmasten, Funkzellen und Glasfasernetzen, die von Unternehmen wie American Tower beherrscht wird. Auch in Europa und Asien nimmt das Outsourcing Fahrt auf. Dort haben Cellnex und China Tower in letzter Zeit an den Finanzmärkten Milliardenbeträge eingesammelt und bauen ihre lokale Marktführerschaft aus. Diese Infrastrukturinhaber profitieren dann von langfristigen, kalkulierbaren Mieteinnahmen von den Unternehmen, die die 5G-Netze betreiben werden.

Für zukünftiges Wirtschaftswachstum entscheidend

Digitale Infrastruktur ist eine Anlageklasse mit stabilen Erträgen, die sich rasch entwickelt, aber oft übersehen wird. Unserer Meinung nach kommt ihr jedoch bei der Förderung von zukünftigem Wirtschaftswachstum eine entscheidende Rolle zu – und Städte, die zu wenig investieren, dürften im globalen Wettbewerb zurückfallen.
 
Bei der Einführung neuer Technologien sind zahlreiche Herausforderungen zu bewältigen. Das zeigen die Angriffe auf Mobilfunkmasten, die in letzter Zeit und aufgrund falscher Informationen ausgeführt wurden. Neben Risiken im Hinblick auf die Umwelt, soziale Aspekte und die Unternehmensführung müssen Investoren in diesem Sektor den technologischen Fortschritt sorgfältig im Auge behalten. Dazu gehören beispielsweise Erkenntnisse und Neuerungen in der Quanteninformatik, die traditionelle Modelle in Frage stellen können. Anleger, die mit diesen Veränderungen zurechtkommen und erkennen, welche Metropolen die größten Erfolgsaussichten bieten, könnten hochinteressante Anlagechancen entdecken.
 
Die hierin geäußerten Ansichten und Meinungen stammen von dem Autor und stellen nicht notwendigerweise die in anderen Mitteilungen, Strategien oder Fonds von Schroders oder anderen Marktteilnehmern ausgedrückten oder aufgeführten Ansichten dar. Diese können sich ändern.
Ben Forster ist Aktienanalyst, Global Real Estate, bei Schroders

Im Artikel erwähnte Wertpapiere

China Tower Corp. H 0,108 0,00%
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Ocado Group Rg 4,23 -1,90%
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Amazon.com 170,28 -1,49%
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Amer Tower REIT Rg 161,76 -3,70%
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Zoom Video Communications 56,06 -1,56%
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