Welt im Wandel - Halbjahresausblick

- Erstes Halbjahr 2025: Wichtige politische Themen, aber keine wesentlichen Auswirkungen auf die Marktentwicklung – abgesehen von gelegentlichen Schwankungen.
- Worauf Anleger im zweiten Halbjahr achten sollten: Geopolitische Risiken, Handelskonflikte und das US-Haushaltsdefizit
- Anlagestrategie: Leichte Untergewichtung von Aktien, insbesondere von US-Aktien, sowie des US-Dollars. Im Anleihenbereich sollten langlaufende Papiere gemieden werden, da das Rezessionsrisiko weiterhin als moderat eingeschätzt wird.
- Positiver Ausblick für Europa: Die Umsetzung des Draghi-Plans könnte es dem Kontinent ermöglichen, aufzuholen, indem sie die Wettbewerbsfähigkeit steigert und Industrie sowie Technologie fördert.
Wirtschaftlicher Ausblick weiterhin durch US-Politik und Haushaltsdefizite belastet
Die Einführung von US-Zöllen könnte im zweiten Halbjahr das globale Wachstum belasten und die Inflation in den USA ansteigen lassen. Dies würde die Marktunterstützung verringern. Allerdings sieht der aktuell diskutierte US-Haushalt für das Jahr 2026 ein Konjunkturpaket in Höhe von einem Prozent des BIP vor. Trotz der erwarteten Abschwächung besteht somit Hoffnung auf eine vorübergehende Erholung. Auch wenn der US-Anleihemarkt bislang ruhig bleibt, bestehen bei ausländischen Investoren weiterhin Spannungen, da sie sich wegen ihrer Dollar-Exponierung Sorgen machen. Die Märkte könnten das derzeitige Tief überwinden, wenn der protektionistische Zyklus beendet würde – allerdings ist dieses Szenario unsicher.
Die Gespräche zwischen den USA und China könnten sich in die Länge ziehen, während die Verhandlungen mit Europa voraussichtlich komplex werden. Für das zweite Halbjahr haben wir uns entschieden, Aktien insbesondere US-Aktien – sowie den US-Dollar weiterhin leicht unterzugewichten.
Ein sich verschärfendes geopolitisches Umfeld
Der anhaltende Krieg in Europa zwischen Russland und der Ukraine, die Spannungen im Nahen Osten zwischen Israel und dem Iran sowie das Risiko einer chinesischen Invasion Taiwans bis 2027 finden vor dem Hintergrund statt, dass die USA als bisheriger Garant der Weltordnung ihr Engagement (etwa in Bezug auf die NATO, AUKUS usw.) überdenken wollen. Dieses neue geopolitische Umfeld, das von einer allgemein gestiegenen Unsicherheit geprägt ist, belastet die weltwirtschaftlichen Aussichten und setzt die öffentlichen Finanzen unter Druck. Gleichzeitig zwingt es die Regierungen, ihre Widerstandsfähigkeit zu stärken und ihre Machtansprüche zu untermauern.
Struktureller Gegenwind für langfristige Renditen
Die langfristigen US-Renditen stehen durch nicht gegenfinanzierte Steuersenkungen unter Druck. DOGE (Deficit Optimization and Growth Enhancement) hat die Ambitionen drastisch zurückgeschraubt, was zu einem weiteren Anstieg der Defizite führt. Angesichts der neuen geopolitischen Lage steigt auch im Rest der Welt der Bedarf an öffentlichen Investitionen deutlich an. Die Sicherung von Territorium, Lieferketten und digitaler Souveränität wird mit erheblichen Kosten verbunden sein. Die aktuell wieder steigenden Laufzeitprämien dürften weiter zunehmen.
Darüber hinaus erfüllt die Laufzeit angesichts sinkender Inflation ihre schützende Funktion im Falle eines Schocks nicht mehr. Die Korrelation zwischen langfristigen Zinsen und Aktienmärkten ist beispielsweise weiterhin besonders instabil – selbst während der jüngsten Zuspitzung der Spannungen zwischen Israel und dem Iran. Lediglich eine Rezession scheint in der Lage zu sein, die ursprünglichen Eigenschaften des Anleihemarktes wiederherzustellen. Zudem hat der US-Dollar seine traditionelle Rolle, insbesondere in Phasen zunehmender geopolitischer Spannungen, nicht erfüllt.
Kündigt die Rückkehr deutscher Führung auch eine Renaissance der Europäischen Union an?
Nach einer Phase der Stagnation hat Deutschland einen rasanten Wandel durchlaufen. Historisch basierte die deutsche Wirtschaft auf dem Import russischer Rohstoffe und dem Export hochwertiger Güter, insbesondere nach China, unter dem Schutz der USA. Heute hat die Krise in Deutschland nahezu existenzielle Ausmaße angenommen, was Europa dazu veranlasst hat, dem deutschen Beispiel zu folgen und weitreichende Veränderungen in der EU einzuleiten. Seit den letzten Wahlen verfolgt Bundeskanzler Friedrich Merz einen mutigen Kurs: ein ambitioniertes Investitionsprogramm für Verteidigung und Infrastruktur, Steuersenkungen für Unternehmen sowie eine gestärkte internationale Rolle, insbesondere im Hinblick auf die Ukraine.
Merz plant, den Fokus verstärkt auf internationale Themen zu legen. Die Frage ist, ob er Europa dazu bewegen kann, den Empfehlungen des Draghi-Berichts zu folgen, den er ausdrücklich begrüßt hat. Sollte sich dieser Trend bestätigen, dürften europäische Aktien weiter zulegen, da internationale Investoren nach wie vor untergewichtet sind.
Fazit: Positive Überraschungen möglich, Vorsicht geboten
Zu Beginn des zweiten Halbjahres verfolgen wir einen vorsichtigen Ansatz bei US-Anlagen, während wir andere Anlageklassen weiterhin sondieren. Positive Überraschungen sind möglich, sollte die Trump-Regierung vom Protektionismus abrücken und stattdessen auf Deregulierung und Steuersenkungen setzen. In Europa könnte die Umsetzung des Draghi-Plans dazu beitragen, einen Teil des Rückstands aufzuholen. Der Aufstieg der künstlichen Intelligenz könnte die Produktivität nach und nach steigern, auch wenn die Auswirkungen derzeit noch begrenzt sind. Dennoch ist weiterhin Vorsicht geboten angesichts hoher Bewertungen an den Märkten, politischer Unsicherheiten in den USA, geopolitischer Spannungen und des insgesamt herausfordernden wirtschaftlichen Umfelds.