Die Botschafterin der Aktienkultur - ein Nachruf auf Beate Sander

Von Marile Glöcklhofer und Ulrich Kirstein
Büchertisch mit Titeln von Beate Sander /Bild: BBAG/UK
Am gestrigen Montag ist Beate Sander im Alter von 82 Jahren gestorben. Bis zuletzt (und das ist wortwörtlich zu nehmen, denn sie hat uns erst vor wenigen Tagen ihre Kolumne über Aktien im Gesundheitswesen zukommen lassen) hat sie sich für die Börse eingesetzt. Das Handeln an der Börse lebte sie wie keine Zweite in unserem der Aktienkultur so abholden Land. Mit der Börse München war sie seit sehr langer Zeit eng verbunden. In den Analystenkonferenzen unseres Mittelstandssegments m:access tat sie sich von Beginn an als interessierte, engagierte und auch kritische Anlegervertrerin hervor, aufmerksam von der ersten Stunde bis in den späten Nachmittag, selbst dann, als sie ihre Krankheit bereits zeichnete.
 
Beate Sanders Investoren-Interesse galt nicht nur den großen und bekannten Unternehmen aus dem Dax, sondern sie blickte sehr genau auf den börsennotierten, innovativen Mittelstand, den sie sehr schätzte. Für unsere Südseiten schrieb sie unermüdlich weit über fünfzig Kolumnen und gab Einblicke in ihr Depot. Wer war diese große alte Dame der Aktienkultur, die uns mit ihrer Hartnäckigkeit, ihrem unermüdlichen Fleiß und ihrem aufmerksamen Interesse an Trends stets aufs Neue beeindruckte?

Von der Realschullehrerin zur "Börsen-Oma"

Beate Sander wurde 1937 in Rostock als Beate Jaenicke geboren, überlebte den schweren Bombenangriff 1944 und durfte nach dem Krieg in der DDR nicht studieren. Erst über die Begabtenprüfung konnte sie im Westen Realschullehrerin werden, mit den Fächern Wirtschaft und Sozialwesen. Ihren Beruf übte sie bis zur Pensionierung mit 66 aus, entwickelte aber bereits mit ihren Schülerinnen und Schülern eine erste Börsen-AG. Nach ihrer aktiven Zeit im Schuldienst und nachdem die zwei Kinder erwachsen waren und das Reihenhaus in Ulm abbezahlt war, wurde aus dem Börsenspiel ernst: Sie kaufte 1996 ihre erste Aktie! Sie verschwieg nicht, dass das ausgerechnet die Deutsche Telekom war, wie bei so vielen Erstanlegern.
 
Aus einem Startkapital von 30.000 Euro wurde sie dennoch zur Millionärin, denn es blieb nicht bei der Telekom-Aktie. Sie schrieb mehr als fünfzig Ratgeber zum Thema Börse, am bekanntesten und inzwischen in achter Auflage zu haben ist  "Der Aktien- und Börsenführerschein". Bei den Korrekturen zeigte sie sich als strenge und unbestechliche Lehrerin, wie so manche tapfere Anleger erfahren durften. Aber Tapferkeit zählte zu ihren Haupttugenden. Nicht umsonst nannte sie ihr Agieren an der Börse "Hoch/Tief-Mut-Strategie". Mut bewies sie nicht nur beim Handeln an der Börse, sondern auch im Leben und im Kampf gegen den Krebs.

Die erfolgreiche Börsen-Autorin

Es verging meist nur erstaunlich wenig Zeit bis einmal mehr ein oder zwei Bücher mit einem kurzen Brief in der Börse eintrafen, die Beate Sander neu geschrieben oder zumindest überarbeitet herausgab. Und nichts ist undankbarer als eigene Bücher zu aktualisieren, gerade bei Werken, die so voller Daten stecken. Ihre Karriere als Autorin begann mit einem Schulbuch für die bayerischen Realschulen "Wirtschafts- und Rechtslehre mit Spannung und Spaß". Seien wir ehrlich: Ein Schulbuch, das Spannung und Spaß verspricht - wo gab und gibt es denn so etwas? Am erfolgreichsten jedoch war ihr Börsenführerschein, der erstmals 2001 erschienen ist und dessen 8. Auflage im Jahr 2020 veröffentlicht wurde. "Wir verbringen vielmehr Zeit damit, unser Geld zu verdienen, als das Beste daraus zu machen", schrieb Andreas Schmidt, Geschäftsführer der Börse München, schon in der ersten Auflage. Beate Sander gelang es, beides miteinander zu verbinden: Geld zu verdienen und das Beste daraus zu machen!

Von Small Caps bis ETFs - eine Auswahl ihrer Werke

Mit ganz aktuellem Bezug erschienen in diesem Jahr noch "Die richtige Geldanlage in Krisen und im Crash" und "Gutes Gewissen und dennoch erfolgreich: Börsenerfolgsformel Nachhaltigkeit - Anlage in Aktien, ETFs und Fonds". Sander blieb immer auf der Höhe der Zeit. Weitere Titel wären "Die besten Aktienstrategien für Fortgeschrittene" als eine Art Vertiefung zum Börsenführerschein gedacht (2019) oder, ihr Interesse für Small Caps dokumentierend, "Mit Nebenwerten zum Börsenolymp: Mit Aktien aus MDAX, TecDAX und SDAX den DAX schlagen" aus dem Jahr 2016, eine Neuauflage soll 2021 im Finanzbuch Verlag erscheinen. Dass es nicht nur Aktien gibt, sondern auch Fonds und ETFs, darauf verwies sie 2019 mit "Wie finde ich die besten ETFs und Investment-Fonds". Wir könnten diese Aufzählung noch weiter treiben. Da sich Frau Sander für die Börse München aber vor allem ihrem Steckenpferd, der Gesundheitsbranche widmete, sei noch "Kapitalanlage Gesundheit: Mit Biotech, Medtech und Pharma erfolgreich an der Börse investieren", gemeinsam mit Jürgen Hannemann, genannt. Wer sich für das Leben dieser außergewöhnlichen Frau näher interessiert, der sei an ihre 2012 erschienene Autobiografie verwiesen: "Warum ich das Lachen und das Singen verlernte: Ein biografischer Roman gespannt über eine Brücke von 75 Jahren".
 
Mit ihrem Vermögen, auch andere für das Thema Aktie und Gelanlage zu begeistern, hat es Beate Sander zu einem ansehnlichen Vermögen gebracht. Wir wünschen ihr jetzt ihren Frieden und vielleicht Gelegenheit im Himmel, lachend zu singen - oder den Engeln die Börse zu erklären...sie wird uns fehlen!