Greifbare Nervosität wird Schwankungsbreite steigen lassen

Carsten Mumm, Privatbank DONNER & REUSCHEL
Carsten Mumm / Bild: Privatbank DONNER & REUSCHEL
Die Gemengelage der potenziellen Belastungsfaktoren an den internationalen Kapitalmärkten verändert sich seit Wochen kaum: geopolitische Risiken, hartnäckig hohe Inflation und damit zusammenhängend vielfach steigende Leitzinsen sowie Sorgen um eine nur schwache Konjunkturdynamik in den Industriestaaten.
  •  Zwar sind die geopolitischen Entwicklungen – allen voran der Ukrainekrieg – kein neues Thema und an den Börsen hat eine gewisse Gewöhnung stattgefunden, allerdings besteht zweifellos jederzeit die Gefahr einer weiteren Eskalation, bei derzeit geringen Chancen auf eine positive Entwicklung.
  • Hinzu kommen die offensichtlichen Spannungen zwischen China und den westlichen Staaten. Allein durch die schleichende Unsicherheit belasten diese bereits heute die wirtschaftliche Entwicklung bei allen Beteiligten sowie kurzfristig die noch nicht ausgestandene Angst vor einem politischen Unfall in Form einer fehlenden Zustimmung des US-Kongresses zur Anhebung des Staatsschuldenlimits.
  • Die konjunkturellen Perspektiven hinken den positiven Erwartungen vom Jahresanfang deutlich hinterher – vor allem im weltweiten Industriesektor, wie die aktuellen Veröffentlichungen der S&P Global Einkaufsmanagerindizes verdeutlichten.
  • In diesem Umfeld dürfte zumindest eine mögliche weitere Drosselung der Ölfördermengen durch die Staaten der OPEC+ am kommenden Wochenende nicht weiter ins Gewicht fallen und wären eher als Reaktion auf eine ohnehin sinkende Nachfrage zu interpretieren, um die Rohölnotierungen nicht noch weiter absinken zu lassen.

Blick auf die Notenbanken

Damit rücken langsam wieder die Notenbanken in den Fokus. Aufseiten der EZB stehen in dieser Woche vor allem die neuesten Inflationsdaten für Mai im Fokus. Die überraschend deutlich auf 3,2 Prozent gesunkene Teuerungsrate in Spanien erzeugt Hoffnung auf ebenfalls nachgebende Inflationsraten in der Eurozone. Die US-Notenbank Fed hingegen wird auf den US-Arbeitsmarktbericht achten. Sollte dieser erneut unerwartet robust ausfallen, dürfte die Wahrscheinlichkeit für eine weitere Leitzinsanhebung Mitte Juni doch wieder zunehmen und vorerst weitere Aktienkursgewinne deckeln.
Carsten Mumm ist Chefvolkswirt der Privatbank DONNER & REUSCHEL. Er ist verantwortlich für die Erstellung der Konjunktur- und Kapitalmarktprognosen sowie der kapitalmarktrelevanten Publikationen. Zuvor verantwortete er die Vermögensverwaltung für private und institutionelle Kunden, das Management von Spezial- und Publikumsfonds sowie die hauseigenen Research-Tätigkeiten. Der gelernte Bankkaufmann und studierte Diplom-Volkswirt ist seit 1998 im Bereich Kapitalanlage beschäftigt. 2006 qualifizierte er sich zum Chartered Financial Analyst.