Solide Märkte, fragiles Umfeld

Benjamin Melman, Edmond de Rothschild Asset Management
Benjamin Melman / Bild: Edmond de Rothschild Asset Management
Seit Jahresbeginn haben die Aktienmärkte insgesamt deutlich zugelegt. Bei näherer Betrachtung ist diese Stärke jedoch vor allem einigen wenigen Large-Caps (vor allem aus den USA, aber auch aus Europa) zuzuschreiben. So verzeichnete der S&P 500 seit Jahresstart einen Zugewinn von mehr als 8 Prozent, notierte auf gleichgewichteter Basis jedoch seitwärts. Dies weist auf eine inhärente Fragilität hin, die teilweise auf die Unternehmensergebnisse, aber auch auf das unsichere Makro-Umfeld zurückzuführen ist.
Das wirtschaftliche Umfeld ist offenbar nach wie vor unsicher, da sich die Konjunktur und die Inflation sowohl in den USA als auch in Europa nur zögerlich abschwächen, während sich der Arbeitsmarkt und die Löhne weiter dynamisch entwickeln. Derweil fielen die Unternehmensergebnisse im ersten Quartal insbesondere in Europa besser aus als erwartet. Die erschwerten Kreditvergabebedingungen, der Rückgang der Kreditnachfrage, der in den Fed- und EZB-Umfragen deutlich wird, sowie die deutsche ZEW-Umfrage, die den dritten Monat in Folge sank, lassen allerdings wenig Zweifel daran, dass sich die Konjunktur verlangsamen wird. Eine drohende Rezession, die in aller Munde ist, sich bislang aber hinauszögert, steht somit weiter im Raum.
 
In den USA scheint das Risiko einer Bankenkrise indessen eingedämmt, doch ist die Lage weiter fragil. Während die Aktien von US-Regionalbanken ihren Abwärtstrend fortsetzen, verzeichnen die Banken zwar weiterhin einen leichten Abzug von Einlagen, der jedoch nicht dramatisch scheint. Ebenso verzeichnen CMBS (Commercial Mortgagebacked Securities) zwar eine Ausweitung der Spreads, da Gewerbeimmobilien als wesentlicher Risikofaktor identifiziert wurden, doch scheinen sich die Schäden bislang in Grenzen zu halten.

Die Liquidität der Zentralbanken dürfte schrumpfen

Die Liquidität der Zentralbanken dürfte schrumpfen, da die US-Banken die Fazilitäten der Fed nicht länger in Anspruch nehmen. Angesichts der sehr niedrigen Reserven, die das US-Schatzamt bei der Fed hält, dürften zudem die Bankreserven im Zuge der quantitativen Straffung wieder auf einen Abwärtspfad schwenken. Parallel dazu geht auch die EZB in Europa auf eine Straffung über, während die Bank of Japan aufgrund der Stabilisierung der japanischen Anleihemärkte ihre Bilanz nicht länger ausweiten muss, um ihre Politik der Zinskurvenkontrolle weiterzuführen.

Spannungen wegen Schuldenobergrenze

In den USA sorgt derzeit das Thema Schuldenobergrenze für kurzfristige Spannungen. Allerdings dürften die Finanzmärkte einen Schub erhalten, sobald diese Frage gelöst ist. Wir glauben nicht, dass den USA ein Zahlungsausfall droht, können aber das Unwahrscheinliche nicht gänzlich ausschließen. Bei einer Anhebung des Schuldenlimits wird allerdings, wie erläutert, auch die Liquidität des US-Schatzamtes bei der Fed steigen, was die Bankreserven unter Druck setzen wird. Auf eine gute Nachricht könnte also eine schlechte folgen.
 
Insgesamt sehen wir zurzeit keinen Grund, unsere eher vorsichtige Positionierung an den Aktienmärkten zu beenden. Dennoch bleiben wir weiter investiert. Denn in einem sich eintrübenden Umfeld sehen wir durchaus auch positive Nachrichten, die, sobald sie sich bestätigen, die Märkte stützen könnten. Tatsächlich haben sich die US-Inflationsdaten für April verbessert. Diese bestätigen, dass sich die Kerninflation (ohne Energie, Lebensmittel und Mieten) allmählich verlangsamt. Auch wenn es noch verfrüht wäre, daraus Schlussfolgerungen zu ziehen, könnte sich dieser Trend doch fortsetzen. Denn die Preise für Energie, landwirtschaftliche Erzeugnisse und Fracht sind deutlich gesunken, während der Druck auf die Produktionsketten auf ein historisches Tief gefallen ist und die am stärksten nachlaufenden Beschäftigungs-Indikatoren (z. B. der Rückgang der Zeitarbeit) auf eine bevorstehende Verschlechterung des Arbeitsmarktes hindeuten, was eine Normalisierung der Löhne stützen könnte.
 
Wir nutzen den jüngsten Rendite-Anstieg, um die Gewichtung von Anleihen in unseren Portfolios zu erhöhen. Wir gehen davon aus, dass die Anleihemärkte  davon profitieren werden, wenn sich eine Verlangsamung der US-Inflation bestätigt. Sofern dies nicht der Fall sein sollte, dient die höhere Gewichtung als Schutz der Portfolios – sofern die Inflation nicht wieder stiegt, was wir jedoch für unwahrscheinlich halten. Derweil nutzen wir die Outperformance-Potenziale chinesischer Aktien, die nach wie vor ein angeschlagenes Profil aufweisen, jedoch davon profitieren dürften, dass die Erholung weiter an Fahrt gewinnt. Letztlich hat die Regierung aufgrund der sozialen Probleme, die sich in einer sehr hohen Arbeitslosigkeit bei den Jugendlichen widerspiegeln, keine andere Wahl, als dafür zu sorgen, dass sich die Wirtschaft erholt.
 
Den größten Risikofaktor sehen wir weiterhin in den geopolitischen Entwicklungen. Unser Fokus liegt nach wie vor auf den Themen Gesundheit und Humankapital sowie auf dem Bereich Big Data, der zu den Hauptprofiteuren der revolutionären Entwicklungen der künstlichen Intelligenz zählt. Im Anleihesegment sind wir über alle Bonitätskategorien hinweg diversifiziert, bevorzugen jedoch Titel mit solider Qualität.

Zur Erinnerung:

  • Leicht vorsichtige Positionierung in Aktien
  • Wir erhöhen die Gewichtung von Anleihen in unseren Portfolios
  • Chinesische Aktien weiterhin volatil, könnten aber für positive Überraschungen sorgen
  • Unser Fokus liegt weiterhin auf den Themen Gesundheit und Humankapital sowie auf dem Bereich Big Data, der zu den Hauptprofiteuren der revolutionären Entwicklungen der künstlichen Intelligenz zähltt
Benjamin Melman ist Global Chief Investment Officer bei Edmond de Rothschild Asset Manager (EdRAM)
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