Ausgesorgt im Allzeithoch

Ulrich Kirstein mit der Presseschau
Ulrich Kirstein / Bild: BBAG/Killius
Noch immer streiten sich die Amerikaner um die Schuldenbremse: „Drohende Zahlungsunfähigkeit“ und „Sorgenfalten beim IWF“ titelt die Börsen-Zeitung. Doch schlechte Nachrichten gibt es auch bei uns: „Deutsche Wirtschaft rutscht in Rezession ab“ stellt die Süddeutsche Zeitung fest und Die Welt orakelt: „Industrie blickt skeptisch auf den Sommer“. Angesichts des Wolkenhimmels wir nicht minder. Aber steht es wirklich so schlimm? Das BIP-Wachstum ist zwei Quartale in Folge geschrumpft und damit ist die Definition für eine technische Rezession erfüllt, doch wie weit es tatsächlich abwärts geht, ist umstritten. Außerdem wird am Samstag die Fußballmeisterschaft erspielt und da einer der beiden Kandidaten börsennotiert ist, können wir uns damit befassen (siehe unten): „Aussicht auf den Titel treibt die BVB-Aktie“, so das Handelsblatt. Aber Achtung: Nichts beeinträchtigt Kurse an der Börse so sehr wie enttäuschte Erwartungen. Und dann war da noch ein Ereignis trauriger Art der Woche: Die „Naturgewalt auf der Bühne“ (Abendzeitung), Tina Turner, gerne als Rockröhre bezeichnet und doch eher die Königin des Soul, ist gestorben. „On Silent Wings“ unterwegs, wie ihr Hit mit Sting lautet, weshalb wir unsere heutige Presseschau mit einigen ihrer großen Songs begleiten.

Am Boden?

Immobilienaktien erlebten ja keinen so rosigen Jahresauftakt, aber Focus Money setzt da einen Kontrapunkt: „Betongold statt Bauruine. Neue Zeiten für Immobilien: So verdienen Sie jetzt“. Dabei erfahren wir im Heft, dass „der Immobilienboom in Deutschland vorbei“ ist, aber offen bleibe, ob „der Boden schon erreicht ist“. Sollte bei Immobilien ja grundsätzlich bedacht werden, den Boden einzuplanen. Außerdem lockt das Heft mit der Zeile: „Fette Gewinne bei Seitwärtsbörsen“. Börse Online macht mit einem sichtlich gut gelaunten und zufriedenen, graumelierten weißen Mann auf, der wohl in einer Hängematte liegt (gibt es die überhaupt noch, also die Zufriedenen, nicht die Hängematten?). Aber wir erfahren den Grund in großen Lettern: „Ausgesorgt! – So werden aus 10.000 Euro auf Dauer 100.000 Euro". Hoffentlich nicht erst, wenn wir endgültig ergraut sind. Der aktuelle Aktionär (siehe unten) zeigt auf goldgelbem Grund das (gezeichnete) Porträt eines Dachses, der den Schriftzug DAX auf dem Kopf trägt, damit es jeder versteht. Das „A“ ist in der Form eines Hütchens gezeichnet, auf dem „Allzeithoch“ steht. Damit wir es noch genauer wissen, trägt der Dachs auch noch eine Sonnenbrille, auf dem einen Glas mit roten Pfeilen nach unten, auf dem anderen mit grünen nach oben. Armer Dachs. „20.000 oder 12.500 – wohin geht es? Alle 40 Dax-Aktien im Check“ verspricht uns der Inhalt. Da fällt uns eigentlich nur Simply the Best dazu ein…

Dicht über dem Boden

Der Feiertag vergangene Woche hat uns einen Streich gespielt und so hat uns ein Exemplar von Der Aktionär zu spät erreicht. Doch der Titel löste bei uns so viele Assoziationen aus, dass wir ihn nicht übergehen wollen: „100 Prozent“ lesen wir, geschrieben in Magenta auf Himmelblau. Die in sehr großen Lettern gedruckten 100 Prozent stehen für: „mit vergessenen Stars“. An unserem Auge ziehen vergessene Stars wie Rudolph Valentino, Hans Jaray, Oskar Karlweis oder Richard Tauber vorbei,  gemeint sind aber sehr viel profaner „10 Aktien, die unter dem Radar fliegen und jetzt aufdrehen“. Das hätten wir uns in unseren wildesten Träumen nicht gedacht, niedrig fliegen und gleichzeitig aufzudrehen scheint uns auch gefährlich zu sein, weshalb wir hier an Tina Turner und ihr Album Wildest Dreams von 1996 erinnern.

Höhenflug

Die Magazine gehen uns heute nicht aus, wir kommen kaum zum Lesen. Euro am Sontag ist der Meinung, dass KI die Kurse treibt – kauft die jetzt auch schon Aktien? „Comeback der Techs“ lautet die Überschrift. Am meisten interessierte uns aber vor dem kommenden Wochenende die Seite 3: „Die Börse feiert mit“, heißt es da und der „Wert der Woche“ war kein anderer als die Aktie des BVB. Hier sei eines verraten: An der Börse München kommt es sehr auf den Ausgang des letzten Spieltages an, ob „die Börse mitfeiert“, wenn wir so unsere Kollegen Revue passieren lassen… Derzeit bewegt sich der Kurs der BVB-Aktie bei 5,80 Euro – sollte die Meisterschaft nach Dortmund gehen (auch dafür gibt es Fans hier im Süden, das sei nicht verschwiegen), könnte es noch höher gehen, denn noch sei die Meisterschaft nicht eingepreist. Die Bayernfans dürften Richtung Mainz mit Tina Turner intonieren: Help!

Zusammen

Könnte es sein, dass Netflix still und heimlich einen Eheberatungsservice aufbauen möchte? Wenn wir den Artikel „Netflix möchte seine Trittbrettfahrer loswerden“ in Die Welt richtig verstehen, will der Streaming-Anbieter zumindest für Familienzusammenführung sorgen. Denn wer den Dienst mit Familienmitgliedern oder Freunden teilt, die nicht im gleichen Haus oder Wohnung leben, muss künftig eine Extragebühr bezahlen. Für viele frustrierte Ehegatten heißt es nun, entweder 4,99 Euro bezahlen oder zurück in die Hölle des Rosenkrieges ziehen: Let’s Stay Together klingt es versöhnlich von der unvergessenen Tina Turner.