Welche Faktoren die deutsche Wirtschaft ausbremsen

Carsten Mumm, Privatbank DONNER & REUSCHEL
Carsten Mumm / Bild: Privatbank DONNER & REUSCHEL
Seit der unerwartet dynamischen Erholung der weltwirtschaftlichen Nachfrage entstand für die deutsche Industrie zwischen Auftragseingängen und Produktion eine ungewöhnlich große Lücke:
  • Während die Auftragsbestände teilweise Rekordniveaus erreichten, konnte die Produktion aufgrund verbreiteter Lieferkettenengpässe nicht mithalten.
  • Corona- und kriegsbedingt explodierende Energie- und Rohstoffpreise haben in dieser Phase kaum eine Rolle gespielt, denn gestiegene Kosten konnten weitgehend auf die Endverbraucherpreise umgelegt werden.
  • Erst seit dem gerade endenden Winterhalbjahr im Zuge einer globalen Nachfrageschwäche konnten die Unternehmen einen Großteil der resultierenden Auftragsstaus abarbeiten. Die internationalen Lieferketten funktionieren mittlerweile wieder nahezu normal. Zudem sind die Energie- und Rohstoffpreise am Weltmarkt deutlich zurückgekommen.

Die Folgeaufträge lassen zu wünschen übrig

Wie jüngste Daten des Statistischen Bundesamts nahelegen, fehlt es der Industrie für die kommenden Monate noch an Folgeaufträgen, um die Produktion wieder deutlich hochzufahren. So brachen die Auftragseingänge für das Verarbeitende Gewerbe im März um 10,7 Prozent ein. Besonders betroffen waren der Automobil- und Spezialfahrzeugbau.
 
Auch die Produktion war mit -3,3 Prozent deutlich rückläufig, ebenfalls vor allem im Segment der Autoindustrie sowie der Bauwirtschaft, die erheblich unter den stark gestiegenen Zinsen leidet. In den kommenden Monaten dürfte sich der private Konsum inflationsbedingt schleppend entwickeln und die höheren Zinsen weitere Nachfrage vonseiten der Industrie ausbremsen. Hinzu kommt eine zwar wieder stärker wachsende chinesische Wirtschaft, die sich allerdings sehr stark auf den vor allem binnenwirtschaftlich relevanten Dienstleistungssektor konzentriert. Die Industriedynamik beschleunigt sich auch in China nur langsam, wie die im März um 9,3 Prozent (Vergleich mit dem Vorjahr) gesunkenen Exporte Deutschlands nach China belegen.

Fazit: Schwache Wachstumsdynamik

Damit zeichnet sich für den weiteren Jahresverlauf vorerst eine nur schwache Wachstumsdynamik ab. Nicht ausgeschlossen ist, dass die deutsche Wirtschaft doch noch in eine leichte Rezession abgleitet, nachdem im ersten Quartal nur ein Nullwachstum erzielt werden konnte.
Carsten Mumm ist Chefvolkswirt der Privatbank DONNER & REUSCHEL. Er ist verantwortlich für die Erstellung der Konjunktur- und Kapitalmarktprognosen sowie der kapitalmarktrelevanten Publikationen. Zuvor verantwortete er die Vermögensverwaltung für private und institutionelle Kunden, das Management von Spezial- und Publikumsfonds sowie die hauseigenen Research-Tätigkeiten. Der gelernte Bankkaufmann und studierte Diplom-Volkswirt ist seit 1998 im Bereich Kapitalanlage beschäftigt. 2006 qualifizierte er sich zum Chartered Financial Analyst.