Tobias Friedrich / Bild: Santander Asset Management
- China startet dank dem Ende der Null-Covid-Politik mit kräftiger Erholung in das Jahr 2023.
- In den USA mehren sich hingegen die Anzeichen für eine Abschwächung.
- Die Konjunktur in Deutschland und der Eurozone bessert sich – allerdings sehr zögerlich.
Trotz der insgesamt positiven Marktentwicklung im ersten Quartal dieses Jahres herrscht keine Euphorie. Die Stimmung wirkt sogar etwas angeschlagen. Die Konjunkturdynamik bleibt gering, die Wachstumsabschwächung dürfte sich sogar noch etwas fortsetzen. Dennoch viele wirtschaftliche Datenpunkte signalisieren, dass es zu keiner tiefen Rezession kommen sollte, wie beispielsweise der ifo Geschäftsklimaindex für Deutschland. Es zeigt sich vielmehr, dass das Konjunkturbild einerseits wenig dynamisch und andererseits durch starke regionale Unterschiede gekennzeichnet ist.
China: Dienstleister profitieren, Fertigungsindustrie bleibt zurück
Das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts Chinas betrug im ersten Quartal 4,5 Prozent mehr als vom Markt erwartet und als im Vorquartal, als es plus 2,9 Prozent waren. Während der Dienstleistungssektor die Erholung mit plus 5,4 Prozent anführte, blieb das Verarbeitende Gewerbe mit plus 3,3 Prozent zurück. Zu den Profiteuren gehörten Unternehmen des Einzelhandels, die ihre Umsätze allein im März um 10,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr steigerten, angeführt von Chinas großen Onlineanbietern. Deren jährliches Umsatzwachstum war im März mit 13 Prozent gut doppelt so hoch, wie das der ersten beiden Monate zusammen. Die zuletzt deutlich gestiegene Kreditvergabe an Unternehmen und Haushalte dürfte ihre volle Wirkung in den kommenden Monaten entfalten und die Investitionen sowie den Konsum weiter ankurbeln. Mehr Beschäftigung und eine sich verbessernde Einkommenssituation sollten zudem das Vertrauen der Konsumenten nachhaltig stärken. In Summe dürfte das Wachstum in China damit etwas stärker als bislang prognostiziert ausfallen.
USA: Vorzeichen stehen auf Abkühlung
Die USA sind zunächst gut in das Jahr 2023 gestartet. Nach einer Schwächephase Ende 2022 startete der private Konsum – auch getrieben durch einen anhaltend robusten Beschäftigungsaufbau – dynamisch in das neue Jahr. Allerdings trübt sich das Konjunkturbild in der weltweit größten Volkswirtschaft etwas ein. Die Stimmung in der US-Industrie ist nochmals schwächer geworden. Noch bildet der Servicesektor zur Schwäche der Industrie ein Gegengewicht, allerdings dürfte das Wachstum 2023 „nur“ noch bei etwa 1,4 Prozent liegen. So hat auch das BIP für das erste Quartal mit einem annualisierten Zuwachs von 1,1 Prozent enttäuscht. Zumindest scheint die US-Notenbank den Gipfel ihres Zinsanhebungszyklus erreicht zu haben. Auf der jüngsten Sitzung Anfang Mai wurde der Leitzins um 25 Basispunkte auf 5,00 bis 5,25 Prozent angehoben – der höchste Satz seit 2007. Es gilt als wahrscheinlich, dass die Fed vorerst in Bezug auf Zinserhöhungen eine Pause einlegen wird, wie lange diese anhält, ist jedoch abhängig von den Inflationsfortschritten und ob sich die aktuelle Bankenkrise verschlimmert. Insgesamt schloss Notenbank-Chef Jerome Powell weder eine weitere Leitzinserhöhung noch eine Zinssenkung in der zweiten Jahreshälfte gänzlich aus. Powell verwies jedoch darauf, dass man nun einen datenabhängigen Kurs verfolgen werde, eine Rezession dürfte aber vermieden werden können.
Eurozone: Einkaufsmanager unerwartet positiv
Die Resilienz der Eurozone hingegen hält auch zu Beginn des zweiten Quartals an. Darauf deutet die Schätzung des branchenübergreifenden Einkaufsmanagerindex hin, der für April mit einem überraschenden Anstieg um 0,7 auf 54,4 Punkte die Analystenerwartungen übertraf. Die Stimmung fällt jedoch weiterhin gemischt aus. Während sich der Aufschwung bei den Dienstleistern, die rund 70 Prozent der Wirtschaftsleistung der Eurozone ausmachen, beschleunigt, setzt sich der Produktionsrückgang im Verarbeitenden Gewerbe fort. Der Abstand zwischen Dienstleistungen und Produktion hat sich auf 11,1 Punkte vergrößert, die größte Differenz seit Erstellung dieser Indizes. Insgesamt zeigt sich die Konjunktur in der Eurozone aber noch relativ robust, der Preisdruck bleibt allerdings sehr hartnäckig: Im April lag die Teuerungsrate in der Eurozone bei sieben Prozent. Das ist mehr als drei Mal so hoch wie die Zwei-Prozent-Zielmarke der Notenbank. Die Kernrate bleibt mit 5,6 Prozent noch immer in der Nähe des Allzeithochs vom März (5,7 Prozent). Daher wurde auf der jüngsten Sitzung der Europäischen Zentralbank die Leitzinsen (Hauptrefinanzierungssatz) abermals angehoben auf nun 3,75 Prozent. Zuletzt hatte die EZB den Zins stets um 0,50 Prozentpunkte angehoben, jetzt ist der Schritt mit 0,25 Prozentpunkten kleiner ausgefallen und deutet auf eine Verlangsamung der geldpolitischen Straffung hin. Anders als in den USA werde man nicht pausieren, denn die Geldpolitik sei zwar restriktiv, aber noch nicht restriktiv genug, so die Aussage der Notenbankchefin Christine Lagarde.
Deutschland: Frühlingsgefühle, aber keine Euphorie
Der ifo Geschäftsklimaindex ist im April um 0,3 auf 93,6 Punkte gestiegen. Es war bereits der sechste Anstieg in Folge. Die Geschäftserwartungen für die kommenden sechs Monate haben sich erneut verbessert. Die Gesamtlage hat sich dagegen leicht eingetrübt. In sektoraler Betrachtung hat sich im April, entgegen den Erwartungen, die Stimmung in der Industrie und dem Baugewerbe aufgehellt, wenn auch von niedrigem Niveau aus. Dagegen haben die Dienstleister überraschend einen Dämpfer erhalten. In vergleichbaren Umfragen haben sich die Dienstleister zuletzt deutlich optimistischer geäußert. Insgesamt bestätigt der ifo Geschäftsklimaindex aber, dass die deutsche Wirtschaft einer Winterrezession entgangen ist und auch im Frühjahr auf einen Anstieg der Wirtschaftsleistung gehofft werden kann. Anlass für zu großen Konjunkturoptimismus gibt es aber kaum. Eins gilt es jedoch festzuhalten: Die schwächelnde Konjunktur hat auch Vorteile. Sie bremst den Inflationsdruck. Maßgeblich für die Rückgänge der Inflationsraten der vergangenen Monate waren fast ausschließlich die rückläufigen Energiepreise, jetzt dürfte die schwächer ausfallende Wirtschaftsdynamik den Rest übernehmen.