Ende des Bärenmarktes bei Anleihen

Till Christian Budelmann, Privatbank Bergos AG
Till Christian Budelmann / Bild: Privatbank Bergos AG
Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht wird 2023 ein eher schwieriges Jahr. An den Kapitalmärkten sollte diese schlechte Entwicklung allerdings schon größtenteils eingepreist sein. Nach den kräftigen Zinsanstiegen sind Anleihen wieder Portfoliotauglich. Ebenso wie Aktien sollten sie 2023 am Ende ein Plus abliefern - allerdings unter kräftigen Schwankungen. Aktives Asset Management zählt daher zu den Erfolgsfaktoren 2023.
Nach einem annus horribilis für Anleger dürfte 2023 ihnen wieder etwas mehr Freude bereiten. In allen Jahren seit den 1960ern, in denen Aktien im Minus schlossen, notierten die wichtigen Benchmarks für den Anleihenmarkt stets im Plus oder zumindest auf der Nulllinie. 2022 entfällt diese ausgleichende Wirkung für das Portfolio. Während sowohl Aktien als auch Anleihen also bislang im aktuellen Kalenderjahr ein deutliches Minus abliefern, sehen wir nun wieder gute Chancen, dass beide Anlageklassen das kommende Kalenderjahr im Plus beenden.
 
Wirtschaftlich geht es allerdings erst einmal bergab. Mit der Energiekrise im Gepäck steuert die Eurozone bereits im vierten Quartal 2022 in die Rezession. Bergos rechnet mit einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um annualisiert knapp 3 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal und mit einem Minus von annualisiert gut 2,5 Prozent im ersten Quartal 2023. Danach dürfte sich die Lage bessern und im Herbst könnte die Wirtschaftsleistung bereits wieder wachsen. Die US-Wirtschaft trifft es erst etwas später und insgesamt milder. Den stärksten Rückgang von rund 1,5 Prozent erwartet Bergos im zweiten und dritten Quartal 2023. Fürs Gesamtjahr 2023 liegt die US-Prognose bei 0,2 Prozent, für die Eurozone bei 0,8 Prozent.

Geopolitische Spannungen, Inflation und Notenbankpolitik - für Volatilität ist gesorgt

Der wirtschaftliche Rückschlag wird erwartet und ist unserer Ansicht nach bereits auch von den Kapitalmärkten antizipiert worden. Auf Volatilität müssen sich Investoren dennoch einstellen. Risiken sind nach wie vor ausreichend vorhanden. Geopolitische Themen wie der Krieg in der Ukraine oder die Rivalitäten zwischen den USA und China werden weiter für Schwankungen sorgen.
 
Entscheidende Faktoren für die Märkte werden 2023 zudem die Inflation und die damit verbundene Zinsentwicklung sein. Wir erwarten, dass sich in den USA die Inflation nach rund 8 Prozent im Jahr 2022 im kommenden Jahr auf 4 bis 4,5 Prozent halbiert. In der Eurozone bleibt sie aufgrund der anhaltenden Energiekrise noch hartnäckiger. Nach 8,5 Prozent 2022 soll sie 2023 etwa 6 bis 7 Prozent betragen, so unsere Prognose.
 
Im Zinserhöhungszyklus sind die USA der Eurozone wie üblich etwas voraus Die Terminkontrakte spiegeln derzeit einen Höhepunkt des US Leitzinses von ungefähr 5 Prozent Mitte März 2023 wider Für den Zinssatz der EZB preist der Markt einen Spitzenwert von 3 Prozent im Juni ein. Es bleibt das Risiko, dass die Inflation auf hohem Niveau verharrt und die Notenbanken stärker und länger agieren müssen als bislang gepreist.

Anleihen: Aus dem Untergewicht auf neutrale Position gestuft

Die Zinserhöhungen haben für Anleger einen wichtigen Effekt. Anleihen gewinnen im Multi Asset Kontext an Bedeutung. Für uns waren Aktien lange attraktiver als Bonds und daher relativ stärker gewichtet. Das hat sich jetzt geändert. Nachdem wir Anleihen 2020 und 2021 durchgehend im Untergewicht hatten, haben wir die Asset Klasse jetzt auf neutral hochgestuft. Dafür war vor allem ein Grund ausschlaggebend, das Yield Gap, also der Abstand zwischen der Gewinnrendite von Aktien und der Rendite von zehnjährigen Anleihen, ist weiter gesunken In den USA liegt es nur noch bei 1,9 Prozentpunkten und damit nur noch auf dem historischen Durchschnitt seit den 1970er Jahren. Aktien sind also fundamental nicht mehr attraktiver als Anleihen.
 
Oder in anderen Worten. Das Kürzel TINA (there is no alternative) wird durch TARA (there are reasonable alternatives) abgelöst. Und diese sinnvolle Alternative zu Aktien sind Anleihen, die wieder stärker in ein Multi Asset Portfolio gehören. Wir denken dabei weniger an Staatsanleihen, sondern vor allem an Unternehmensanleihen guter Qualität, die wieder anständige Renditen bieten. An eher kurzen Durationen hält man bei Bergos jedoch noch immer fest, auch wenn diese Positionierung inzwischen weniger prononciert ausfällt Regional sieht man größere Chancen in den USA als in Europa. Dort ist das Zinsniveau höher und die voraussichtliche Zinsentwicklung vorteilhafter. Als Portfoliobeimischung können gewisse Emerging Markets Anleihen dienen.

Aktien: Abgestrafte hochwertige Growth-Titel bieten Einstiegschancen

Auch im Aktienbereich bevorzugen wir weiterhin die USA gegenüber Europa. Die makroökonomischen Daten sind in den USA stabiler und zudem ist der Markt sehr Growth-lastig. Wachstumsaktien hoher Qualität zählen zu unseren Favoriten. 2022 haben Growth Aktien historisch schlecht gegenüber Value Werten abgeschnitten. Wir denken, da hat der Markt übertrieben. Von diesem Niveau aus sehen wir mehr Potenzial für Growth als für Value.
 
In Europa bevorzugen wir Titel, die einen großen Teil ihrer Umsätze außerhalb Europas erzielen. Zudem halten wir an einer Übergewichtung in Japan fest mit Absicherung der Währung. Das Land punktet mit einer verhältnismäßig niedrigen Inflation und einer vergleichsweise expansiven Notenbankpolitik. In China und den Emerging Markets ist hingegen weiter Vorsicht angebracht.
 
Ein grundsätzliches Argument, das aktuell für Aktien spricht, ist die extrem schlechte Stimmung unter Anlegern, die sich an vielen Indikatoren ablesen lässt. So war der VIX Index, der die erwartete Volatilität im S&P 500 anzeigt und auch als Angstindex bekannt ist, 2022 im Durchschnitt so hoch wie in nur sehr wenigen anderen Jahren. Meist folgt auf ein starkes „Angst Jahr“ ein gutes Börsenjahr. Bekannte Beispiele der jüngeren Vergangenheit sind 2003, 2009, 2010 und 2021.

Alternative Investments - Gold als wichtiger Baustein, Wandelanleihen mit Potenzial

Während Aktien und Anleihen in den Bergos Portfolios jetzt neutral gewichtet sind, bleiben Alternative Investments im Übergewicht. Gold ist für uns als Krisen-Absicherung ein wichtiger Baustein in einem Multi Asset Portfolio. Zudem sehen wir für 2023 wieder Potenzial für Wandelanleihen, die 2022 enorm unter die Räder gekommen sind, da sowohl Aktien als auch Anleihen schlecht liefen. Währungsseitig bietet sich neben der Absicherung des japanischen Yen auch eine teilweise US Dollar Absicherung für Euro Investoren an, die stark in US Dollar Anlagen engagiert sind.

Fazit: Kein klarer Trend

2023 wird ein Stockpicking Jahr ohne einen wirklich klaren Trend. Es wird in den nächsten Monaten an den Märkten weiter kräftig ruckeln, dann muss man auch mal taktisch reagieren. Wenn der Markt zwischenzeitlich abtaucht, gilt es Chancen zu nutzen, nicht nur durch Aktien und Bondpicking sondern auch durch Schrauben an der Aktienquote Aktives Asset Management wird zentral für den Anlageerfolg sein.
Till Budelmann ist Chief Investment Officer bei der Schweizer Privatbank Bergos AG. Als Kapitalmarktstratege kommentiert Till Budelmann regelmässig die Geschehnisse an den internationalen Kapitalmärkten und betrachtet diese im Kontext wirtschaftlicher und politischer Trends. Seit dem Jahr 2004 verantwortet Budelmann diverse Anlagestrategien und sitzt im Investmentkomitee des Hauses, seit 2013 ist er Managing Director.

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