Mythos Thukydides-Falle: Warum das Muskelspiel zwischen China und den USA nicht im Krieg endet

Dr. Ernst Konrad, Eyb & Wallwitz
Dr. Ernst Konrad / Bild: Eyb & Wallwitz
Zusätzlich zum Energielieferungs-Poker zwischen Wladimir Putin und dem Westen schaukelt sich im Osten scheinbar der Konflikt zwischen China und den USA rund um das Powerhouse Taiwan hoch. Allerdings wird dieser Konflikt anders als bei Russland nicht eskalieren. Denn: China und USA sitzen nicht in der Thukydides-Falle.
Auch wenn es medial in den letzten Wochen ruhiger um die USA und China geworden ist, scheint der Konflikt seit seinem Beginn nur eine Richtung zu kennen: Stetig steigende Spannung mit immer größerem Eskalationspotenzial. Immer mehr Stimmen prognostizieren, eine (militärische) Eskalation sei perspektivisch zu erwarten — oder zumindest steige die Wahrscheinlichkeit hierfür. Ich halte es da eher mit Ray Dalio, Gründer und langjähriger Chef des weltweit größten Hedgefonds Bridgewater. Er wehrt sich in seinem Buch „Weltordnung im Wandel“, das im Frühjahr diesen Jahres auf Deutsch erschienen ist, gegen die These des amerikanischen Historikers Graham Allison, der behauptet, China und die USA steckten in der „Thukydides-Falle“.

Was Thukydides mit dem China-USA-Konflikt zu tun hat

Thukydides war ein antiker Historiker, der über den peloponnesischen Krieg zwischen Sparta und Athen schrieb. Er behauptete, Sparta als vorherrschende Macht habe bewusst den Krieg mit Aufstreber Athen gesucht, um seine Monopolstellung zu verteidigen und Athen kleinzuhalten. Allison wiederum behauptete 2017, die USA und China befänden sich ebenso wie einst Sparta und Athen in der sogenannten „Thukydides-Falle“ — und eine militärische Auseinandersetzung sei entsprechend sehr wahrscheinlich.

Graham Allison ist zweifellos eine geschätzte Persönlichkeit. Dennoch muss auch ich seiner Einschätzung widersprechen: China und die USA stecken nicht in der Thukydides-Falle und der Konflikt zwischen den USA und China wird wahrscheinlich nicht militärisch eskaliert. Hilfreich für eine Einschätzung ist die Spieltheorie, bei der man einen Konflikt von hinten aufzäumt. Im Fokus steht zunächst die Frage, wie wahrscheinlich es ist, dass man siegreich daraus hervorgeht sowie welchen Kollateralschaden man dabei einkalkulieren muss. Die Antwort bedingt dann das eigene Handeln.

Warum China kein Interesse an einer militärischen Eskalation hat

China ist mittlerweile weitestgehend vom Technologietransfer aus dem Westen, vor allem den USA, abgeschnitten. Sicher hat China die eigenen Bemühungen intensiviert. Aber im Hightech-Bereich — und hier vor allem in der Chip-Produktion — kommen die Chinesen nicht so gut voran wie gewünscht. Sicher: Taiwan ist ein Chip-Powerhaus und liegt in unmittelbarer geografischer Nähe. Allerdings: Würde China Taiwan militärisch erobern, hätte das nicht nur immense Schäden an der Industrie, sondern auch einen erheblichen Brain-Drain zur Folge: Die USA würden zweifellos sämtliche fähigen Wissenschaftler aus Taiwan abziehen. China bliebe nur das geografische Gebiet — ihr Problem des Wissenstransfers, das sie für ihr vorherrschendes Ziel des wirtschaftlichen Wachstums benötigen, bliebe weiterhin bestehen.

Warum es folglich beim Status Quo bleiben wird

Auch die USA wird sich natürlich Taiwan nicht einfach militärisch einverleiben. Denn anders als Länder wie China oder Russland respektiert die westliche Supermacht autonome Staaten und Ländergrenzen. Daher wird es beim Status Quo bleiben. Das bedeutet: Beide Mächte werden weiter aufrüsten und China wird der wesentliche Gegenspieler der USA bleiben, aber zu einer militärischen Eskalation kommt es nicht. Ein Beibehalten des Status Quo wiederum spielt Taiwan in die Karten. Denn für die Taiwanesen ist das Tauziehen um ihr Know-how komfortabel und lukrativ.
Dr. Ernst Konrad ist Geschäftsführer der Eyb & Wallwitz Vermögensmanagement GmbH und Fondsmanager der Phaidros Funds Fallen Angels A und BalancePhaidros Funds - Balanced A.

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