Der fatale Schritt der Bank of England

Benjamin Bente, Vates Invest GmbH
Benjamin Bente / Bild: Vates Invest GmbH
Während die Notenbanken weltweit an der Bekämpfung der Inflation arbeiten, vollzieht die Bank of England eine Kehrtwende: Die Bank of England hat in einer Notsitzung nicht nur das Quantitative Tightening, also den Abbau der Bilanz, aufgekündigt, sondern sogar wieder ein unlimitiertes Aufkaufen von Anleihen angekündigt – wenn auch zunächst nur für rund zwei Wochen befristet. Damit geht sie den fatalen Schritt in die Staatsfinanzierung, die wiederum zu einer galoppierenden Inflation führen kann.
Die Bank of England ist wie andere Notenbanken auch konfrontiert mit hoher struktureller Inflation. Zusätzlich hat die neue konservative Regierung eine massive Defizitpolitik angekündigt. Steuern senken, um die Wirtschaft zu stimulieren, klassische Angebotspolitik. Das sorgt an den Märkten für deutliche Zinssteigerungen, was wiederum einige Marktteilnehmer in Schieflage bringt. Eine Notsitzung der Bank of England wurde einberufen, Anleiheankäufe beschlossen und das alles, um den Bondmarkt zu stabilisieren.
 
Inmitten einer Zeit hoher struktureller Inflation macht die Bank of England eine 180-Grad-Wende vom eigentlich notwendigen Quantitative Tightening hin zu einer monetären Staatsfinanzierung. Zwar soll all das nur temporär bis Mitte nächsten Monats erfolgen. Aber was, wenn dann die Zinsen immer noch zu hoch sind beziehungsweise zu stark steigen? Statt einer zur Inflationsbekämpfung notwendigen restriktiven Geldpolitik fährt sie einen lockeren Kurs. Die Tabubrüche der unter geldpolitischer Flagge segelnden permanenten Ausweitung der Quantitative-Easing-Programme führen jetzt dazu, dass die Instrumente zu monetären Staatsfinanzierung missbraucht werden. Da dies auch noch in einer Phase hoher Inflation geschieht, ist es fast das Maximum dessen, was getan werden kann, um aus einer hohen eine galoppierende Inflation zu produzieren.

Gefahr eines inflationären Strudels

Großbritannien läuft Gefahr, in einen inflationären Strudel gerissen zu werden. Historisch ist genau dies das Kernproblem, wenn hohe Staatdefizite von der Notenbank finanziert werden. Statt die Inflation zu bekämpfen, entsteht daraus die Gefahr, dass diese sich verselbständigt und nicht mehr in den Griff zu bekommen ist. Dies ist selbst bei der aktuell hohen Inflation schon eine ernste Gefahr, selbst wenn harte geldpolitische Maßnahmen zum Einsatz kommen. Mit der jetzt beschlossenen geldpolitischen Umkehr überschreitet die Bank of England allerdings den Rubikon.  
 
Das weitere Drehbuch sieht dann vor, dass die Staatsschulden über die Notenbankbilanzen wegmonetarisiert werden. Das Risiko dabei ist die inflationäre Zerstörung der Währung bis hin zu einer Währungsreform. Denn das ist dann möglicherweise der einzige Ausweg, der bei einer zerstörten Währung bleibt: der Neustart. Die geldpolitisch gerechtfertigten Maßnahmen des Quantitative Easing der vergangenen Jahre waren dann die vorbereitenden Tabubrüche für diesen Weg, die gewaltigen Schulden über monetäre Staatsfinanzierung aus der Welt zu schaffen.
 
Der Beschluss der Bank of England ist ein weiterer Puzzlestein hin zu dieser Entwicklung. Zumindest die Briten haben jetzt den Rubikon überschritten oder zumindest einen Fuß darüber gesetzt. Es bleibt die Chance, dass sie ihn Mitte Oktober tatsächlich wieder zurückziehen. Sonst wird sich das Drehbuch weiter entwickeln.
Benjamin Bente ist Geschäftsführer & Leiter Portfoliomanagement bei Vates Invest GmbH. Der
Diplom Kaufmann der Universität Mannheim ist nach Stationen bei der UBS Deutschland AG, der Bank Julius Bär (Europe) AG einer der Gründer der Vates Invest GmbH, die auf börsentägliche quantitative Analysen des monetären, konjunkturellen und sentimenttechnischen Umfelds spezialisiert ist. Bente ist Mitglied des Investmentkomitee der FOCAM AG.r