Die Pfund-Schwäche wird anhalten

Kaspar Hense, BlueBay Asset Management
Kaspar Hense / Bild: BlueBay Asset Management
Das von der neuen britischen Regierung angekündigte sogenannte „Mini-Budget“ sorgt für Kritik, die britische Währung ist massiv unter Druck geraten.
Verhält sich Großbritannien wie ein Schwellenland, wie es zuletzt in einigen Kommentaren hieß? Zunächst: Das Vereinigte Königreich ist kein Schwellenland, denn diese haben ein niedriges bis mittleres Pro-Kopf-Einkommen sowie ein geringes Nettovermögen – in Großbritannien liegt beides im oberen Bereich.

Allerdings hat das Vereinigte Königreich ein riesiges und wachsendes Zwillingsdefizit, also gleichzeitig ein Haushalts- und Leistungsbilanzdefizit. Ein marktfreundliches und international offenes Investitionsumfeld kann ein Land in die Lage versetzen, sich ein konstantes Leistungsbilanzdefizit zu leisten, indem es ausländische Investitionen anzieht. Das gelang den USA und dem Vereinigten Königreich jahrzehntelang. Allerdings ist dazu fiskalische Umsicht erforderlich.  
Daher sind Glaubwürdigkeit und Vertrauen in das Pfund sowie eine langfristig produktivitätssteigernde Finanzpolitik entscheidend dafür, dass die Märkte ein hohes Leistungsbilanzdefizit akzeptieren.

Derzeit ist ein umfangreiches Fiskalprogramm erforderlich, um eine durch hohe Energiekosten und steigende Hypothekenzinsen ausgelöste Rezession zu vermeiden. Es sollte auf die Schwachstellen der Wirtschaft ausgerichtet sein. Leider geht das britische „Mini-Budget“ diese Probleme nicht angemessen an.

Inflation wirkt wie eine Art Steuer

Die Inflation ist auch nur eine andere Art von Steuer, wobei die Staatsverschuldung im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt ceteris paribus – also unter sonst gleichen Umständen – sinkt und die nominalen Steuereinnahmen steigen. Aber irgendjemand muss die Kosten tragen. Wir denken nicht, dass die Haushalte mit niedrigem Einkommen derzeit dazu in der Lage sind.

Die hohe Inflation trifft die unteren Einkommensklassen bereits überproportional. Eine schwächere Währung wird die Teuerung, insbesondere bei Gütern und Lebensmitteln, noch weiter anheizen. Es besteht die große Gefahr, dass Steuersenkungen für Personen mit höherem Einkommen im Inland ohnehin keinen nennenswerten fiskalischen Multiplikator haben werden. Das bedeutet: Die prognostizierte Produktivität wird voraussichtlich sinken, während die Bedenken hinsichtlich des Finanzierungsbedarfs zunehmen.

Welche Möglichkeiten hat die Bank of England?

Die Frage ist nun: Muss die Bank of England (BoE) jetzt mit einer deutlichen Zinserhöhung eingreifen oder gibt es andere Möglichkeiten, um das Pfund zu stützen und das Vertrauen der Anleger wiederherzustellen?

Unserer Ansicht nach ist es etwas unwahrscheinlicher, dass die BoE das Vertrauen schnell wiederherstellen kann. Denn damit würde sie die Steuerpolitik konterkarieren und der Markt für flexible Hypotheken könnte zu zerbrechen drohen. Wir gehen daher davon aus, dass die derzeitige Schwäche des Pfunds anhält und die Diskussion um die richtige Steuer- und Geldpolitik in den kommenden Wochen weitergehen wird.

Devisenmarktinterventionen sollten aus unserer Sicht nicht eingesetzt werden. Die BoE verfügt nicht über eine ausreichende Importdeckung: Mit nur rund 100 Milliarden US-Dollar an Währungsreserven und einem Leistungsbilanzdefizit von 8 Prozent wäre dies eine Einladung an den Markt, die Zentralbank zu testen. Die einzige Option in einer umfassenden Vertrauenskrise wäre eine deutliche Anhebung der Zinssätze oder eine Änderung des Haushaltsplans, um sicherzustellen, dass der künftige Finanzierungspfad glaubwürdig erscheint.
Kaspar Hense ist Senior Portfolio Manager bei BlueBay Asset Management.