Grüne Anleihen finanzieren gezielt die Dekarbonisierung der Wirtschaft

Carsten Mumm, Privatbank DONNER & REUSCHEL
Carsten Mumm / Bild: Privatbank DONNER & REUSCHEL
Grüne Anleihen werden von Emittenten – Staaten, internationalen Organisationen oder Unternehmen – begeben, um Investitionen zu finanzieren, die sich positiv auf das Klima und die Umwelt auswirken. Beispielsweise können die Installation von Solaranlagen oder der Aufbau einer emissionsarmen Fahrzeugflotte, die Entwicklung emissionsarmer Produktionsmethoden oder die Förderung von Eisenbahnprojekten in Schwellenländern unterstützt werden – also gezielte Klimaschutzmaßnahmen. Die Wachstumsraten des Segments sind enorm. Wurden im Jahr 2020 global etwas mehr als 300 Mrd. US-Dollar nachhaltiger Anleihen emittiert, lag der Wert im Jahr 2021 schon bei 500 Mrd. Für den Emittenten bietet sich im Vergleich zu einer klassischen Anleihe ein Zinsvorteil, denn Anleger beziehen neben den Faktoren Rendite und Risiko auch die Wirkung ihrer Kapitalanlage zunehmend als eigene Zielvorgabe ein und sind dafür bereit, auf ein gewisses Maß an Rendite zu verzichten.

Standards für grüne Anleihen

Nicht nur die Definition des Begriffs „Nachhaltigkeit“ ist schwierig, das gilt auch für die Festlegung der zulässigen Zielinvestments von grünen Anleihen. Mittlerweile gibt es aber anerkannte Standards, viele Emittenten halten ihre Anleger während der Laufzeit der Anleihe über die Erreichung der vorab definierten Ziele auf dem Laufenden und lassen ihre Anleihen durch spezialisierte Rating-Agenturen überprüfen. So wurde zum Beispiel für die beiden im Jahr 2021 durch die Bundesrepublik Deutschland herausgegebenen grünen Anleihen ein eigener Allokationsbericht veröffentlicht, dem eine exakte Zuordnung der Emissionserlöse zu „als grün anerkannten“ Ausgaben des Bundes entnommen werden kann. Zudem wird auf Ebene der Europäischen Union gerade ein European Green Bond Standard erarbeitet, um künftig mehr Klarheit zu schaffen. Zwar wird es vermutlich nie eine hundertprozentig von allen Beteiligten akzeptierte Definition für eine nachhaltige Kapitalanlage geben. Dennoch besteht durch die Zweckbindung einer bestimmten Anleiheemission im Vergleich zur Aktienauswahl nach ESG-Kriterien eine viel gezieltere Möglichkeit, sich mit der Kapitalanlage aktiv an der notwendigen Transformation der Wirtschaft in die dekarbonisierte Zukunft zu beteiligen. Entsprechend dürfte die Nachfrage nach dem Segment weiter deutlich zunehmen und noch mehr Emittenten die Möglichkeiten dieses Segments nutzen.
Carsten Mumm ist Chefvolkswirt der Privatbank DONNER & REUSCHEL. Er ist verantwortlich für die Erstellung der Konjunktur- und Kapitalmarktprognosen sowie der kapitalmarktrelevanten Publikationen. Zuvor verantwortete er die Vermögensverwaltung für private und institutionelle Kunden, das Management von Spezial- und Publikumsfonds sowie die hauseigenen Research-Tätigkeiten. Der gelernte Bankkaufmann und studierte Diplom-Volkswirt ist seit 1998 im Bereich Kapitalanlage beschäftigt. 2006 qualifizierte er sich zum Chartered Financial Analyst.