Christian Rieck: Können Roboter mit Geld umgehen?

Eine Rezension von Ulrich Kirstein
Abb.: Cover
Die Börse ist 90 Prozent Psychologie, so lautet ein bekanntes Diktum der Börsenkoryphäe André Kostolany. Aber was bedeutet das konkret? Wäre es besser und gewinnbringender, alle emotionalen Bindungen an bestimmte Wertpapiere außen vor zu lassen? Nicht an schnelle Autos, schicke Mode, teure Wohnungen, lebensrettende Medikamente zu denken beim Aktienkauf? Sich nicht durch fremde Länder, Sprachen, Währungen beinträchtigen zu lassen. Sprich, die Kapitalanlage einfach einem nicht denkenden und doch klug handelnden Computer zu überlassen?
Was wie Science Fiction klingt, könnte längst Realität sein, wenigstens wenn man dem im Selbstverlag erschienenen Buch von Christian Rieck Glauben schenken mag. Und der Autor, Professor für Finance und Wirtschaftstheorie an der Frankfurt University of Applied Sciences, weiß wovon der spricht. Gleich das erste Kapitel steht unter der programmatischen Überschrift „Warum gibt es noch Berater?“ Die Antwort: Finanzprodukte sind nicht sexy. Das finden wir auch, und wir finden das ziemlich schade! Dass sie relativ selten erworben und teuer sind, Riecks zweiter Ursache für die Beibehaltung des Beraters, ist eher relativ zu sehen – ein Heavy Trader in Penny-Stocks sieht das sicher anders. Dass drittens die Finanzbranche stark reguliert ist, dem stimmen wir aus ganzem Herzen zu.

Der Roboterberater entsteht

Deshalb ist es nach Rieck nachvollziehbar, dass zuerst einfache Produkte im Fokus der Digitalisierung standen, wie etwa Amazon mit Büchern. „Hier konnte man wundervoll die neuen Technologien entwickeln, um sie dann auf andere Branchen zu übertragen“, so der Autor. Doch jetzt geht es um die Finanzbranche – nicht umsonst sprießen die sogenannten FinTechs aus dem Boden wie Pilze nach einem Regeschauer. Langsam und folgerichtig führt Rieck den Leser auf seine zwei grundlegenden Entwicklungen der Beratung der Zukunft hin – langsam, um nicht vorschnell für verrückt erklärt zu werden, wie er meint:
  1. Beratung durch Kollektivwissen (soziale Medien)
  2. Beratung durch künstliche Intelligenz

Aus der Kombination der beiden Tendenzen wird der Roboterberater.
Zu Punkt eins erläutert Rieck die Thematik der Masseindividualität – heutige Techniken machen eine Vielzahl von Produktvariationen, die der Kunde auf seine Bedürfnisse hin zusammenstellen kann, möglich. Und viele (Finanz-)Produkte sind gut für den Berater, weil sich der Anleger nicht mehr auskennt, überfordert ist und Beratung sucht. Aber: Zu viele Produkte sind schlecht für den Berater, weil er sich dann auch nicht mehr auskennt und überfordert ist und Kunden in die Flucht schlägt.
Bei der künstlichen Intelligenz schlägt er den Bogen zum IBM-Schachcomputer Big Blue, der 1997 den besten menschlichen Schachspieler, Garry Kasparov, schlug. Anders ausgedrückt: In ihren jeweiligen Kernkompetenzen können Computer besser sein als der Mensch, nur weigern wir uns dann, von "künstlicher Intelligenz" zu sprechen.

Wer schlägt wen?

Solchermaßen eingeführt wagt Rieck den Vergleich von Mensch (Berater) und Roboter des Jahres 2015 sowie ein Roboter mit den Möglichkeiten von 2030. Er testet ihre Qualifikationen beim Texte schreiben oder Portfolio bilden Bleiben wir beim Texten, alles wollen wir ja nicht verraten. Schon heute können wir computergeschriebene Texte nicht mehr von denen von Journalisten unterscheiden, beispielsweise bei der Sportberichterstattung. Wir geben zu, vieles, was wir schreiben, ist reine Routine mit hohem Standardisierungspotenzial, egal ob wir über Sportereignisse berichten oder Mietverträge aufsetzen.
Am Ende fragt Rieck, ob wir uns nicht „wehren müssen“ gegen Kollege Roboter. Rieck spricht sich stattdessen für eine Partizipation der Allgemeinheit an der Produktivität der Roboter aus – eine Art sozialistischer Kapitalismus. Ob das funktioniert? So genau kann denn auch er nicht in die Zukunft sehen, aber immerhin, er billigt uns Menschen auch in Zukunft noch eine Rolle zu, die, wenn ich es richtig verstanden habe, übers Faulenzen hinausreicht. Können Roboter mit Geld umgehen? Wohl schon, nur ausgeben können sie es noch nicht.
 
Doch überzeugen Sie sich selbst:
Christian Rieck: Können Roboter mit Geld umgehen? Die digitale Zukunft der Finanzberatung, Eschborn 2015
 
Wer will, kann sich auch auf der Website von Prof. Rieck tummeln, die sich vor allem der Spieltheorie widmet!