Börsenboom: Wer Grips hat, greift zu

Ulrich Kirstein mit der Presseschau am Freitag
Ulrich Kirstein / Bild: BBAG/Killius
Ein Thema dieser Woche – lassen wir das Unerquickliche der Pandemie und der jüngsten Beschlüsse einmal beiseite – war das „Große Stühlerücken in den Indizes“, wie es die Börsen-Zeitung nannte. Schon im Kommentar auf Seite 1 hieß es „Mit Vollgas in den DAX“ über Porsche. Werner Rüppel erinnerte daran, dass der einstige Porsche-Chef Wendelin Wiedeking die Zuffenhausener in den MDax führen wollte, was damals misslang, weil Porsche keine Quartalsberichte erstellte. Nun kommt das Unternehmen in den MDAX wo es wahrscheinlich nur zwischenparkt, weil es im September zu den Profiteuren der dann fälligen DAX-Erweiterung zählen dürfte. Definitiv jetzt schon raus aus dem DAX muss Beiersdorf, ersetzt wird es durch Siemens Energy, Sonne statt Sonnencreme könnte man dies auf den Punkt bringen.

Mit Grips zugreifen

„Börsenboom“, „zugreifen“, „Grips gewinnt“, könnte unsere Schlagzeile der Woche am Zeitungskiosk lauten. „Dividenden. Die besten Aktien und Fonds“ heißt es in der Märzausgabe des EURO-Magazins und ist fett mit „Zugreifen überschrieben“. „Immer mehr Anleger spekulieren an der Börse“ so schreibt Börse Online und konstatiert einen neuen „Börsenboom“. Nicht vergessen sollte, wer der „Börse einen Schritt voraus“ sein will, den Einsatz seines Gripses, ist Focus Money überzeugt. Die „neue Lust am Handel“ ist BörsenOnline die Titelstory wert mit den jüngsten Zahlen des Deutschen Aktieninstituts. Nicht nur, dass die Anzahl der Aktionäre von 9,7 auf 12,3 Millionen kletterte, bei den Jungen von 12 bis 29 Jahren ging die Zahl gleich um 67 Prozent nach oben! Sie setzen vor allem auf „heiße Aktien“, während die Älteren lieber Fonds und ETFs wählen, so die Quintessenz.

Nichts, niente, null

Schlicht und ergreifend mit „Null“ überschrieben war ein Kommentar von Mark Schrörs in der Börsen-Zeitung. Nun, dazu wäre uns einiges thematisch Passendes eingefallen, der Kommentar bezieht sich aber ausschließlich auf den Bundesbankgewinn. Zum ersten Mal seit 1979 belief sich dieser aufgrund erhöhter Risikovorsorge auf „Null“, und genauso viel überweist sie deshalb an den Bundesfinanzminister. 1979 musste der Schah abtreten, kam Sadam Hussein an die Macht und wurde Margret Thatcher gewählt. Außerdem hieß der deutsche Meister im Fußball HSV. Wie die Zeiten vergehen...

100 Frauen und ein Kochroboter

Das Handelsblatt machte die Wochenendausgabe mit „100 Frauen, die Deutschland voranbringen“ auf. Immerhin, so lesen wir, sind inzwischen 16,1 Prozent der DAX-Vorstände und 11,7 Prozent der MDax-Vorstände weiblich. Da scheint uns noch jede Menge Luft nach oben zu sein. Das fiel uns auch beim Blättern auf: Bis Seite 47, dem Beginn der Serie über die „mutigen Frauen“, dominieren Männerköpfe die Zeitung.
 
Nichts mit dem Frauenthema zu tun hat die Erfindung zweier junger Männer: Sie testen gerade Kochroboter für eine vollautomatische Kantine. Bis zu zehn Gerichte können damit vollautomatisch hergestellt werden. Investoren hielten laut Handelsblatt dies gerade in Coronazeiten für ein vielversprechendes Geschäftsmodell. Wir fragen uns, wer in den vollautomatisch bekochten Kantinen essen soll, wenn die Belegschaft im Homeoffice hungert? Weshalb wir uns diesen Service ins Homeoffice und Homeschooling wünschen.

Im Reich der Schlümpfe

Das Wort der Woche gebührt zweifellos Ministerpräsident Markus Söder mit „da brauchen Sie nicht so schlumpfig herumgrinsen“ an Bundesfinanzminister Olaf Scholz. „Schlumpfig“ haben wir weder in Grimms Wörterbuch noch im Duden finden können. Bei Grimm wird hingegen „schlumpig“ in der Bedeutung von unordentlicher Kleidung angeführt, was uns an unsere Kinder beim Homeschooling erinnert. „Im Reich der Schlümpfe“ titelte das Handelsblatt süffisant und der Süddeutschen Zeitung war der Spruch ein vierspaltiges Bild wert, in dem Scholz mit weißer Schlumpfmütze zu sehen war, während Söders Haupt ein lachender Schlupf zierte. Außerdem wussten die Münchner noch hinzuzufügen, dass das Geburtsjahr von Scholz mit dem Geburtsjahr der Schlümpfe durch den belgischen Zeichner Peyo zusammenfällt.

Putzteufel

Zum Schluss fiel uns noch eine Überschrift aus Werben & Verkaufen auf, weil wir sonst gar nichts zum Thema Pandemie hätten: „Der Alles-sauber-Hype hält an“, „Putzen zur Krisenbewältigung“ hieß es da. Es ging um den Putz- und Hygienewahn, von dem viele Hersteller profitieren und den Werbedruck noch erhöhen. Nun, unsere Wohnung profitiert dank dauerparkender Kids von diesem Trend eher weniger – zu sehen ist dafür ein anhaltender Trend zum Verputzen und weniger zum Putzen...