Kapitalismus gibt, Sozialismus nimmt

Ulrich Kirstein mit der Presseschau am Freitag
Ulrich Kirstein / Bild: BBAG/Killius
IPOs, neues Dax-Hoch, die steigende Inflation, die Fed-Sitzung, das waren die (Finanz-)Themen der Woche, sieht man einmal vom G7-Gipfel und Fußball ab. „Deutsche Börsengänge erreichen Höchstwert“ und, einen Tag später, „Hochkonjunktur für Börsengänge hält an“ lasen wir in der Börsen-Zeitung oder „US-Zinswende ist nun abzusehen“ im gleichen Blatt, das sich zudem auf einer ganzen Seite dem Thema Inflation und EZB widmete. Das Handelsblatt zielte auf den konkreten Börsengang in Frankfurt ab mit „Erfolgreiches Börsendebüt von About You“.

Superlative

Wir wollen uns nicht wiederholen, dass Anlegermagazine den Superlativ von "gut" so sehr schätzen, hatten wir schon einmal thematisiert. Focus Money macht das einmal mehr deutlich mit dem Titelbild „Das Beste der Welt“. Meine Frau, fiele mir spontan ein, aber nein, gemeint sind: „Die besten Aktien der Welt“, „Die heißesten Penny-Stocks der Welt“, die „Genialsten Zukunftswerte der Welt“ und „Die besten ETFs der Welt“. Börse Online verweist auf den „Rohstoff Boom“ und gibt Ratschläge, wie sich Anleger an der Zapfsäule nicht ärgern, sondern von der Preisentwicklung profitieren sollen. Laut Capital ist das „Grüne Jahrzehnt“ angebrochen. „Der Umbau der Wirtschaft zur Klimaneutralität wird ein historischer Kraftakt, der mehr Geld und Innovationen verlangt als viele Umbrüche zuvor“, heißt es dazu im Blatt. Dazu passt eine repräsentative FORSA-Umfrage, dass fast die Hälfte der mittelständischen Unternehmen der Ansicht sind, dass der Green Deal der EU – also bis 2050 CO2-neutral zu sein – ihnen eher Vor- als Nachteile bietet.

Kapitalismus

„Ist Kapitalismus wirklich böse?“, fragt Frank Pöpsel im lesenswerten Vorwort von Focus Money und zitiert ausführlich Martin Rhonheimer, Professor nicht für Ökonomie, sondern für Ethik und politische Philosophie. Dieser vertritt die interessante – und ziemlich anschauliche – These, dass Kapitalismus eine „Wirtschaftsform des Gebens“ sei, während Sozialismus eine „des Nehmens“ sei. Denn der Kapitalist gibt von seinem Reichtum ab, investiert, schafft Arbeitsplätze und erhält später dafür einen Gewinn, oder nicht, wenn er sich verkalkuliert hat. Der Sozialist verteilt das, was er anderen vorher weggenommen hat, so lange, bis nichts mehr übrig ist und alle arm werden – außer die Verteiler selbst.

„Tschuldigung“

Anhand der mehr als missglückten Greenpeace-Aktion vor dem Spiel Frankreich gegen Deutschland in München („Dummes Eigentor“ schrieb das Handelsblatt und meinte nicht das Hummels-Tor) und mancher Ausfälle von Politikern und Managern auf sozialen Netzwerken ist ein Kommentar von Dirk Metz in der Börsen-Zeitung, ehemals Staatssekretär und Sprecher der hessischen Landesregierung, über das Entschuldigen mehr als lesenswert: „Sorry seems to be the hardest word“, hat er es überschrieben. Mit einer Entschuldigung, so Metz, macht man nichts besser, es ist kein „Allheilmittel, denn sie kann nicht auslöschen, was passiert ist“, aber sie ist ein „Zeichen wahrer Größe“. Dem ist nichts hinzufügen, außer, dass es im wirklichen Leben wenig Größe gibt.

Kursball

Hat er, oder hat er nicht? Hat der Rekordfußballspieler Cristiano Ronaldo durch das Beiseiteschieben zweier Cola-Flaschen beim Interview nach dem Spiel gegen Ungarn für einen Kursrutsch der Coca-Cola-Aktie von etwa einem Prozent gesorgt? „Ronaldo bewegt Coca-Cola-Aktie“ hieß es dazu in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, nur weil er nach „Agua“ gerufen habe. Vielleicht war es auch eher der Dividenden-Abschlag, der die Aktie trudeln ließ, vermuteten Anleger und präzisierte dann auch die FAZ online. Denn am Tag des Ronaldo wurde die Aktie erstmals ohne den Abschlag von 42 Cent pro Aktie gehandelt. Fußball und Börse – ein Spiel für sich….

Finanzbildung

Für Schlagzeilen sorgte Sigmar Gabriel, weil er sich für das Schulfach Wirtschaft einsetzt und ins Kuratorium des „Bündnis Ökonomische Bildung“ einzog.  „Ex-Parteichef Sigmar Gabriel ärgert die SPD“, titelte die WirtschaftsWoche – nicht zum ersten Mal lag uns auf der Zunge. „Seine“ SPD setzt sich in Nordrhein-Westfalen für das Fach „Sozialwissenschaften“ statt „Wirtschaft“ ein. Nun, siehe oben, ein „böser Kapitalismus“ lässt sich im Fach Wirtschaft auch schlechter unterbringen. Mit dabei im Übrigen Markus Gürne, Leiter der ARD-Börsenredaktion, und Ute Weiland, Geschäftsführerin der Standortinitiative „Deutschland – Land der Ideen“.