Norbert Betz / Bild: BBAG/Killius
Die Coronakrise war ein typischer Fall vom Auftreten eines schwarzen Schwans: Ein unvorhergesehenes, negatives Großereignis mit direkter Auswirkung auf die Börsen weltweit. Niemand konnte damit rechnen und selbst die typischen Untergangspropheten hatten es nicht auf ihrer Rechnung, auch wenn sie es hinterher gerne besser wissen wollten. Doch bereits die Finanzkrise – und die unzähligen Crashs davor, die wir selbst erlebt haben oder aus der Literatur kennen – hätten Anleger zweierlei lehren können (oder vielmehr müssen): Es kann immer wieder etwas passieren, das die Kurse kurzfristig in den Keller treibt – unbeachtet von Fundamentaldaten. Und nicht einmal ein Virus ist so ansteckend wie Panik (und Gier). Wie also können wir uns und unser Depot vor künftigen Krisen absichern?

Vielfalt statt Monokultur

Trotz Pandemie – die Natur wächst und gedeiht gerade auf das Üppigste, es ist (endlich) Sommer. Da liegt es nahe, ein gut gepflegtes Depot einmal mit einem gut gepflegten Garten zu vergleichen. Damit es dort wächst und gedeiht, benötigt der Gärtner vor allem einen Gesamtplan, Gleichmut, Geduld und Geschick. Mit dem Gärtner wären wir dann also bei 5G! Bevor der Gärtner überhaupt loslegen kann, muss er überlegen, wie sein Garten einmal aussehen soll. Wie sollen Rasen, Gemüse, Blumen, Bäume und Sträucher verteilt werden? Schließlich soll keine langweilige und anfällige Monokultur entstehen. Dazu ist Weitsicht gefragt, denn kleine Sträucher und Bäumchen wachsen rapide und dürfen sich nicht gegenseitig den Platz an der Sonne streitig machen. Erst dann gilt es, den Plan umzusetzen, und dann sind die „G“s gefragt:

Reife braucht Zeit

Gleichmut, denn der Gärtner wird nicht jedes Unkraut verhindern können und schließlich ist es eine Frage der Definition, inwiefern eine Pflanze „nützlich“ ist. Löwenzahn ist wohlschmeckend und selbst der Schrecken eines jeden Gärtners, der Giersch, kommt inzwischen auf den Speiseplan von Nobelrestaurants. Geduld, denn selbst Tonnen von Düngemitteln beschleunigen das Wachstum nur mäßig, Reife braucht Zeit, bei Mensch wie Pflanze. Und schließlich macht Geschick den Unterschied aus. Wer wie eine Dampfwalze Unkraut samt Gemüse entfernt und seine Bäume bis zum Stumpf zurückschneidet, wird erfahrungsgemäß wenig ernten. Jeder gute Gärtner lernt Jahr für Jahr durch Beobachtung hinzu, durch Versuch und Irrtum. Nicht jede Pflanze gedeiht an jedem Ort gleichermaßen, ein Lernprozess.

Ohne Panik zurück auf den Wachstumspfad

Solchermaßen gewappnet übersteht der umsichtige Gärtner Hagel und Sturm, Trockenheit und Hitze, Pilzbefall und Ungezieferplagen. Er weiß sich zu helfen und wird entsprechend reagieren. Das kostet ihn vielleicht so manche einzelne Pflanze, gibt ihm aber auch die Möglichkeit, neues zu säen. So wird der Garten es insgesamt überstehen und neues Wachstum ist vorprogrammiert. Ganz ähnlich verhält es sich mit dem Depot eines Anlegers. Hier braucht es neben dem Generalplan, der Strategie, und breiter Diversifizierung Gleichmut, Geduld und Geschick. Auch bei der Anlage kann das Depot durch widrige äußere Einflüsse verhagelt werden. Doch wenn der Anleger nicht in Panik ausbricht, sondern mit Geduld, Geschick und Gleichmut agiert, wird er größere Verluste vermeiden und schnell wieder auf den Wachstumspfad zurückführen.

Langfristig auf der Gewinnerseite

Doch was bedeuten meine im wahrsten Wortsinn blumigen Überlegungen ganz konkret? Investitionen in Risikokapital zahlen sich im längeren Zeithorizont immer mit einer Überrendite aus. Wer langfristig investiert ist, zehn Jahre oder noch besser 20 Jahre und mehr, der geht mit einer Wahrscheinlichkeit von 99 Prozent mit einem Plus heraus – trotz aller Crashmomente. Und man muss seine Investitionen breit gestreut haben: über Währungsräume, über Branchen und Unternehmen hinweg. Wer diversifiziert, dem ist der Erfolg gewiss. Einzelne Positionen dürfen nicht überhand nehmen, selbst wenn sie quer durch den Blätterwald gehypt werden - Wirecard-Anleger können davon ein Lied singen, und die Melodie ist nicht schön. Die derzeitige Situation hilft uns aber dabei, herauszufinden, ob wir tatsächlich in den richtigen Branchen und Nationen investiert sind. Jetzt sind interessante Unternehmen in wichtigen Zukunftsmärkten wie etwa dem Gesundheitssektor oder Technologiewerte gefragt, die sich auch in der derzeitigen Situation als einigermaßen krisenresistent bewiesen haben.

In der Komfortzone bleiben

Und zum Schluss, es erleichtert sowohl beim Anlegen eines Gartens als auch in der Vermögensplanung ungemein, sich auszutauschen, mit dem Partner und/oder einem bewährten Fachmann. Die eigenen Ideen auf den Prüfstand zu stellen und beim Erklären an Dritte zu hinterfragen, hilft immer. Die Lockerungen nach dem Stillstand geben zu Optimismus Anlass – zumindest scheinen dies die Börsen widerzuspiegeln. Doch niemand weiß, ob wir wirklich in Sicherheit sind oder uns nur in Sicherheit wiegen, weil noch keiner die ökonomischen Folgen der Erst- und insbesondere der Zweitrundeneffekte des Lockdowns quantifizieren kann. Nutzen Sie deshalb die Kurserholung an den Börsen für eine Bestandsaufnahme des Depots. Welche Auswirkungen hatte der Kurssturz auf ihre Gemütslage? Mit diesen Erkenntnissen ihrer Selbstreflektion balancieren Sie die Investitionssumme, die Diversifikation und die Robustheit neu aus. Bleiben Sie in der Komfortzone. Über alle börslichen Jahreszeiten hinweg!
Norbert Betz, Leiter der Handelsüberwachung an der Börse München, setzt sich seit Jahren mit den Psychofallen an der Börse auseinander: als leidenschaftlicher Trader wie als distanzierter Marktbeobachter, als Referent und Autor. In seiner Serie zeigt er die Fallen auf, in die wir Anleger so gerne hineintappen, und gibt Tipps, wie sie vermieden werden können.
Gemeinsam mit Ulrich Kirstein hat er Börsenpsychologie simplified, 2. Auflage 2015 , erschienen im FinanzBuchVerlag geschrieben und für die Börse München das Booklet Psychofallen an der Börse. Wie wir sie erkennen und vermeiden.