Bild: BBAG/Glöcklhofer
Donald Trump hat die Wahlen in den USA gewonnen - Euphorie an den Märkten sieht anders aus. So könnte man Tag eins nach dem für die meisten von uns überraschenden Wahlausgang auf den Punkt bringen. Aber Vorsicht: Kann sich noch jemand an den ersten Wahlsieg von Barack Obama und seine Folgen an den Aktienmärkten erinnern? Damals brachen die Börsen zwei Tage in Folge ein und es wurde mehr als zwei Billionen US-Dollar an Aktienvermögen vernichtet. Und bei seiner Wiederwahl vor vier Jahren bescherte den Märkten noch einmal den höchsten Kurseinbruch des Jahres. Doch zum Glück sind die Märkte vergesslich und es ging rasch wieder nach oben. Jetzt also Donald Trump.

Dax drehte wieder auf grün

Die morgendlichen DAX-Kurse  an der Börse München zeigten erst einmal vor allem eines: Schock. Der beste Wert – Beiersdorf – verbuchte ein Minus von »nur« 2,16 Prozent, der schlechteste, die Deutsche Lufthansa, sank um stattliche 8,83 Prozent. Im Laufe des Tages erholten sich die Märkte allerdings wieder, als wollten sie das Sprichwort, politische Börsen haben kurze Beine, bestätigen. So zeigte der Dax auf der Webseite der Börse München wieder sein sattes Grün, lag also wieder im Plus. Das stemmten allerdings – so gegen 16:00 Uhr zum Beispiel, ganze acht DAX-Werte, während  sich 22 im Minus befanden! Die Tops waren dabei HeidelbergCement, Fresenius und Bayer, während die Flops bei der Deutschen Börse, SAP und ProSieben SAT.1 Media lagen. Am Eins nach der Wahl zeichneten die Eröffnungskurse im DAX ein anderes Bild: Bis auf das stark im USA-Geschäft tätige Fresenius Medical CareHeidelbergCement und ThyssenKrupp lagen alle im Plus, zwar nur leicht (26 Werte hatten eine Null vor dem Komma).

Brexit, Trump und die Börse

Wie waren die Auswirkungen an der Börse München zu spüren, ganz direkt im Handel? Der Brexit schlug Trump, so das vorweggenommene Ergebnis. Offensichtlich berühren uns und die Anleger die Austrittsabsichten des Vereinigten Königreichs viel stärker als der neue Präsident in den USA. So führte der Ausgang der Brexit-Entscheidung an der Börse München zu einem dreifachen Handelsumsatz, die US-Wahl aber nur zu einem doppelten. Ähnlich sah es bei der Anzahl der Trades aus: Die war beim Brexit 4,5 mal so hoch wie im Durchschnitt und nach Trump nur 2,7 mal so hoch. 

Anlass zur Besorgnis

Schon am frühen Morgen gab die BayernLB eine Telefonkonferenz mit einer ersten Einschätzung. Bis ein US-Präsident tatsächlich erste Maßnahmen umsetzen könne, dauert es. Vor Januar 2018 sehen die Analysten der Bank da keine Chance, dass etwas passiert. Kurzfristig würde die Unsicherheit über mögliche Maßnahmen Trumps aber zu einer erhöhten Investitionszurückhaltung und damit einer ersten konjunkturellen Schwächephase führen. Der Chefvolkswirt des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken, Dr. Andreas Bley, erkennt in der Wahl Trumps »Anlass zur Besorgnis«. Das Wirtschaftswachstum in Deutschland sieht Bley hingegen nicht in Gefahr. Aber, »längerfristig könnte sich die freihandelskritische Haltung Trumps für die exportorientierten Unternehmen in Deutschland und ihre Beschäftigten aber spürbar negativ auswirken.« BlackRock rief um 10:00 Uhr zum Call für erste Einschätzungen. Investmenstratege Martin Lück sieht mittelfristig vor allem die Emerging Markets in Gefahr. Deutschland-Chef Friedrich Merz rät zur Besonnenheit.

Gefahr für Arbeitsplätze in Deutschland

Nach Dr. Michael Wolgast, dem Chefvolkswirt des Deutschen Sparkassen- und Giro-Verbandes muss das Ergebnis »sehr ernst« genommen werden. Doch er fügt hinzu: »Auch wenn es mit der Wahl jetzt zu Reaktionen an den Finanzmärkten kommt, ist die Stabilität des Banken- und Finanzsystem insbesondere auch im Euro-Raum durch die Wahl Trumps nicht gefährdet«. Auch Prof. Dr. Clemens Fuest, Präsident des ifo-Instituts in München, erwartet von Trumps Wahlsieg einen Rückschlag für die wirtschaftliche Entwicklung und präzisiert: »Wenn Trump die Handelsschranken durchsetzen könnte, die er angekündigt hat, wäre der Schaden groß. In Deutschland hängen 1,5 Millionen Arbeitsplätze vom US-Geschäft ab, die USA sind der wichtigste Handelspartner Deutschlands. Trump kann die Handelspolitik aber nicht alleine bestimmen. Er braucht den US-Kongress dazu. Trump wird bestehende Abkommen kaum kippen können, aber der Abschluss neuer Abkommen wie TTIP wird deutlich schwieriger. Europa sollte trotzdem versuchen, TTIP einem erfolgreichen Abschluss zu führen«, so Fuest.

Das Unmögliche ist möglich

Die Stimmen auf Südseiten geben sich zurückhaltend und warnen vor Panik. Dr. Klaus Bauknecht von der IKB Bank weist erst einmal die vom Wahlausgang Überraschten in die Schranken: »Amerika wäre nicht Amerika, wenn das Unmögliche nicht möglich wäre!«  Also Trump. Insgesamt sieht der Volkswirt aber wenig Wachstumspotenzial für die amerikanische Wirtschaft unter einem Präsidenten Trump – aber immerhin könnte sich die Konsumentenstimmung bessern. Carsten Brzeski  von der ING-DiBa hofft darauf, dass sich Trump von erfahrenen Beratern in die richtigen Bahnen lenken lässt. Bei dessen bekannter Skepsis gegen »Eliten« hoffentlich mehr als nur ein frommer Wunsch. Überdies, die Ursachen für seinen Wahlsieg ließen sich erforschen – wie man sie aber bekämpfen soll und die richtigen Antworten gibt, das bleibt die Frage. Stefan Bielmeier von der DZ Bank hält die Folgen des Wahlausgangs zum jetzigen Zeitpunkt für unberechenbar – wo Volkswirte doch alles so gerne berechnen. Also bleiben wir gespannt, was künftig aus Washington auf uns zukommt.

Die amerikanische Demokratie verkraftet auch Trump

Die Zeitungen – von Mr. Trump mit dem deutschen Wort als »Lügenpresse« bezichtigt, widmen dem Wahlausgang erwartungsgemäß viel Raum und blasen zur Selbstkritik. »Börsen verdauen Trump-Schock rasch« berichtet die Die Börsen-Zeitung und holt überdies die Einschätzung von acht renommierten Volkswirten ein. »Die amerikanische Demokratie ist stark und wird Trump verkraften« ist die Einschätzung von Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung und die Überschrift des Artikels.
 
In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung geht Jürgen Kaube den »Irrtümern der Wähler-Beschimpfer« nach. »Man denkt bei Amerika an New York und an das Silicon Valley, mehr an Princeton als an Trenton, lässt sich die Ungleichheit in Amerika gern von Thomas Piketty erklären, drückt David Graeber und Occupy die Daumen; aber kommt man nicht auf die Idee, dass die meisten Wähler keine Studenten sind und, anders als Studenten, von der Globalisierung gar nicht profitieren?« fragt sich und uns Kaube. Zum Thema Börsen titelt die FAZ schließlich »Finanzmärkte nach Trump-Erfolg im Plus« und spürt vor allem den Branchen nach, die von Trump profitieren dürften: Die Pharma- und Arzneimittelbranche etwa, aber auch Bankaktien sind darunter. Weniger gut schnitten hingegen die deutschen Automobilkonzerne ab, weil sie Produktionsstätten im günstigeren Mexiko errichteten und nun die angedrohten Strafzölle Trumps fürchten müssen.

Einigkeit tut not

Gleich mit 24 Seiten zur Wahl trumpft Die Welt auf und wir müssen gestehen, wir konnten nicht alle und alles lesen, obwohl der Titel auf dem Blatt »Alles ist möglich« lautet. »Börsen kehren zum Alltag zurück« beruhigt die Welt im Finanzen-Teil, während das Feuilleton kritisch anmerkt »Hilfe, wir haben ein Monster geboren: Nicht Donald Trump, sondern die kritische Intelligenz betreibt Realitätsverweigerung«. 
Nicht Volkswirte sondern Künstler hat die Süddeutsche Zeitung befragt und deren Schock scheint wesentlich nachhaltiger zu sein als derjenige an den Börsen. Trump als Geschmacksverirrung? Den Erfolg des Gegners akzeptieren und zu respektieren, so schwer es auch falle, »so funktioniert Demokratie« konstatiert Bestseller-Autor T.C. Boyle. Amerika teilt sich in zwei Nationen, aber der Ausgang war keinesfalls überraschend, weil die Wähler gegen das Gewohnte aufbegehrten, und gegen acht Jahre Stagnation bei den Gehältern, so Prof. David C. Unger von der School of Advanced International Studies in Bologna, Italien. Der räumliche Abstand hilft dem Professor vielleicht zu mehr Klarheit, denn am Ende gratuliert er dem gewählten Präsidenten und hofft, dass »nach diesem wütenden und verletzenden Wahlkampf Amerikaner aller politischen Lager die Kraft und die Weisheit finden können, unsere Wunden zu heilen und den Herausforderungen, die vor uns liegen, gegenüberzutreten«. Ein passendes Schlusswort.

Im Artikel erwähnte Wertpapiere

Beiersdorf 143,90 -0,42%
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Fresenius 28,36 -0,53%
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Fresenius Med Care 40,41 -3,05%
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Deutsche Börse 180,90 0,61%
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Heidelberg Materials 97,24 -4,67%
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SAP 177,20 0,26%
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ThyssenKrupp 4,928 1,11%
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Deutsche Lufthansa 6,702 -1,87%
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UC DAX 18.718,07 -0,11%
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Bayer 28,59 -0,09%
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ProSieben SAT.1 Media SE 7,54 2,24%
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