Diese Fehler machen Banken bei der Hyperautomation

Roger Portnoy, Objectway
Roger Portnoy / Bild: Objectway
Während Banken weltweit auf gesteigerte Kundenerwartungen gekonnt reagieren, stagniert der digitale Reifegrad deutscher Finanzinstitute. Der Trend zur Hyperautomatisierung hat zwar schon branchenweit Einzug gehalten, ergänzt jedoch beinahe ausschließlich die Kundenkommunikation. Welche Fehler begehen Privatbanken und Vermögensverwalter bei der Einführung von Automatisierungstechnologien? Sie berücksichtigen nicht die gesamte Wertschöpfungskette, entwickeln keine skalierbaren Lösungen, die auf andere Anwendungsbereiche übertragbar sind, und vernachlässigen bei der strategischen Planung die Zusammensetzung eines Teams mit den geeigneten Fähigkeiten und Zielen. Wir zeigen praxisnahe Beispiele, die deutsche Banken dabei unterstützen, Hürden bei der Hyperautomation zu überwinden, um das volle Wachstumspotential neuer Technologien ausschöpfen zu können.
Während der globale Markt für Vermögensverwaltung weiter rasant wächst, hinken deutsche Finanzinstitute immer stärker hinterher. Dies lässt sich auf die nur zögerlich voranschreitende Digitalisierung zurückführen: Laut der Deloitte-Studie zur Digital Banking Maturity aus dem Jahr 2022 stagniert der digitale Reifegrad deutscher Banken und lässt viele Potentiale ungenutzt. Besonders die Hyperautomation ist hier eine Chance, die Effizienz durch Technologien wie KI, maschinelles Lernen (ML), robotergestützte Prozessautomatisierung (RPA) oder natürlicher Sprachverarbeitung (NLP) zu optimieren. Viele Vermögensverwalter haben zwar bereits die Vorteile dieser fortgeschritteneren Form der Automatisierung für die Kundenberatung erkannt und nutzen beispielsweise Chatbots zur effizienten Bearbeitung von Kundenanfragen oder mobile App-Funktionen. Eine digitale Omni-Channel-Kommunikation allein wird allerdings künftig nicht mehr ausreichen, um die geringen Wachstumserwartungen deutscher Banken zu verbessern. Vielmehr müsse sich der Umfang der digitalen Transformation weiterentwickeln, um langfristig Profitabilität und Kundenzufriedenheit maximieren zu können. Bei der Einführung von Hyperautomation machen wir auf drei zentrale Fehler von Finanzinstituten aufmerksam, die eine nachhaltige und skalierbare Integration neuer Automatisierungstechnologien in den Betrieb verhindern. Nur eine langfristig ausgerichtete Strategie wird es Unternehmen ermöglichen, von den zahlreichen Vorteilen der Hyperautomation zu profitieren und nicht nur ihre Kundenberatung, sondern auch ihr Back-Office und die teamübergreifende Zusammenarbeit auf das nächste Level zu heben.

Wachstum ermöglichen: Bei der Hyperautomation die gesamte Wertschöpfung berücksichtigen

Privatbanken und Vermögensverwalter, die ihr Wachstumspotential langfristig ausschöpfen wollen, sind auf Hyperautomation angewiesen. Die Technologie bietet das Potential, sowohl Profitabilität als auch Kundenzufriedenheit zu maximieren, indem auch komplexe und miteinander verbundene Arbeitsabläufe durchgängig automatisiert und kontinuierlich verbessert werden. Dazu benötigen Finanzinstitute jedoch eine ganzheitliche Strategie, die auf die gesamte Wertschöpfungskette, von der Herstellung über den Vertrieb bis hin zur laufenden Verwaltung, ausgerichtet ist. Laut dem Experten räumen viele Banken bei ihren Digitalisierungsbemühungen jedoch beinahe ausschließlich der Kundenbindung Priorität ein. Das liegt daran, dass eine optimierte Kundenbindung über digitale Kanäle unmittelbare Vorteile wie höhere Kundenzufriedenheit, stärkere Kundenbindung und potenziell gesteigerte Erträge mit sich führt. Diese sind kurzfristig leichter messbar als die Optimierung der gesamten Wertschöpfungskette. Eine starke digitale Präsenz spielt auch als Wettbewerbsvorteil in dem hart umkämpfen Bankensektor eine zentrale Rolle. Ein Fokus nur auf dem Kundenengagement ist jedoch ein reiner „Die Spitze des Eisbergs“-Ansatz. Banken, die ihre Produktkonfiguration zu einem komplexeren und bedarfsorientierten Fulfillment-Design weiterentwickeln möchten, müssen Anwendungsfälle mit realem ROI-Potenzial aus allen Geschäftsbereichen identifizieren. Erst auf dieser Grundlage können Automatisierungstechnologien entwickelt werden, die skalierbar sind und Prozesse von innen nach außen optimieren.

Eine skalierbare Grundlage schaffen: Hyperautomation schrittweise einführen

Ein gängiges Beispiel aus dem Kundenservice illustriert, wie weit viele Vermögensverwalter beim Einsatz von Automatisierungstechnologien kommen – und was ihre weitere Entwicklung ausbremst. Hier werden schon längst branchenübergreifend Chatbots eingesetzt, um Kundenanfragen zu beantworten. Diese Lösung ist zwar rund um die Uhr zugänglich und kann in einer Multiplattform-Konfiguration eingesetzt werden, bietet aber keinen Spielraum, um komplexere Anfragen zu bearbeiten. Schon die kleinste Abweichung führt zu einem starken Anstieg der Kundenservicekosten. Hier kommt die Hyperautomation ins Spiel, die das Potential birgt, kundenorientierte Funktionen auf ein neues Level zu heben. Dazu werden KI und ML eingesetzt, um relevante und kontextuelle Daten zu erfassen. Anschließend werden semantische Modelle entwickelt, um den Datensätzen einen Kontext zu verleihen. Die aggregierten Daten werden dann spezifischen Regeln unterzogen, die für eine intelligente Weiterverarbeitung notwendig sind. Einige Regeln sind für die schnelle Beantwortung einfacher Anfragen ausgelegt, während andere für komplexere Anfragen angepasst werden können. Der Vorteil dieser schrittweisen Einführung von Hyperautomation ist, dass dieser Ansatz der Bank eine einzige Plattform liefert, die auf mehreren Regeln basiert und durch dieselben Bausteine und grundlegenden Technologien einfache, gebündelte, hybride und komplexe Lösungswege unterstützt. Ihre Komponenten können einfach durch weitere Regeln und Priorisierungsfunktionen erweitert werden.

Den humanen Faktor einplanen: Die digitale Transformation mit dem geeigneten Team beginnen

Der Weg zur Hyperautomation als Lösungskonzept für die Umgestaltung von Geschäftsprozessen von Banken ist nicht mehr weit. Finanzinstitute entwickeln dazu jedoch oftmals in einem ersten Schritt ein Lösungsdesign – und begehen damit ihren ersten Fehler. Die Reise muss stattdessen mit der Schaffung einer organisatorischen Leitungsebene beginnen. Diese muss als funktionsübergreifende Einheit mit der Aufgabe betraut werden, die verschiedenen Repräsentanten der Wertschöpfungskette zu identifizieren, um Anwendungsfälle mit echtem ROI-Potential zu erkennen. Dabei sollten zunächst diejenigen Geschäftsprozesse ausfindig gemacht werden, die bereits einen Automatisierungslebenszyklus durchlaufen haben. Viele dieser Prozesse sind in größeren Wertschöpfungsketten angesiedelt und bieten ein fruchtbares Terrain für die Suche nach Metriken, die den Nettonutzen des Übergangs von einem manuellen zu einem automatisierten Ansatz quantifizieren. Wichtig ist, dass die Team-Mitglieder der Einheit eine Kombination aus fachlichen, unternehmensspezifischen und analytischen Kenntnissen mitbringen: Sie müssen Automatisierungstechnologien umfassend verstehen, Prozessoptimierungskompetenzen mitbringen und starke datenanalytische Fähigkeiten besitzen. Banken, die von Beginn an in eine langfristig ausgelegte Digitalisierungsstrategie investieren, werden sich damit von ihrer Konkurrenz abheben können. Nur diejenigen Finanzinstitute, die ihre gesamte Wertschöpfungskette durch skalierbare Technologien ergänzen, werden in Zukunft flexibel auf wandelnde Kundenanforderungen reagieren können.
Roger Portnoy ist Chief Strategy Officer bei Objectway. Als ein globaler TOP-100-FinTech-Anbieter (IDC FinTech Rankings) verwaltet Objectway über 1 Billion Euro an Vermögenswerten und unterstützt mehr als 100.000 Anlageexperten (Finanzberater, Privatbankiers, Kundenbetreuer) bei der Verwaltung von über 700 Milliarden Euro AUM für mehr als 5 Millionen Anleger. Objectway bietet eine führende As-a-Service-Wachstumsplattform für Banken, Vermögens- und Asset-Manager und deren Investoren und hat kürzlich den kanadischen Anbieter von digitalen Lösungen für die Vermögensvewaltung, die Nest Wealth aus Toronto, übernommen.