Ausblick auf die Märkte: USA überraschen positiv, Eurozone schwächelt

Tobias Friedrich, Santander Asset Management
Tobias Friedrich / Bild: Santander Asset Management
  • Chinas Wirtschaftswachstum enttäuscht –Stimulierung erwartet.
  • Die USA könnten eine Rezession vermeiden.
  • Einkaufsmanagerindizes deuten auf anhaltende Schwächephase in Europa hin

Kommt die chinesische Wirtschaft wieder in Fahrt?

Die chinesische Wirtschaft wuchs im zweiten Quartal 2023 saisonbereinigt um 0,8 Prozent und übertraf damit die Markterwartungen von 0,5 Prozent, verlangsamte sich aber maßgeblich gegenüber dem Wachstum von 2,2 Prozent im Vorquartal.
 
Dies ist zwar das vierte Wachstumsquartal in Folge, macht aber auch deutlich, dass der Aufschwung in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt an Schwung verliert und uneinheitlich ist. Die Gründe dafür sind: ein anhaltender Immobilienabschwung, eine mögliche Desinflation, eine rekordhohe Arbeitslosenquote unter jungen Erwachsenen so wie rückläufige Exporte. So erreichte im Mai die Jugendarbeitslosigkeit mit 20,8 Prozent einen neuen Rekordwert. Die Industrieproduktion legte lediglich um 3,5 Prozent zu, nach einem Anstieg um 5,6 Prozent im April, während die Fabriken nur allmählich wieder ihre volle Kapazität erreichen.
 
Diese Faktoren beunruhigen die politischen Entscheidungsträger, und der Druck auf sie, neue Konjunkturmaßnahmen zu ergreifen, steigt. Zinssenkungen der Zentralbank und weitere Lockerungen der Immobilienkontrollen werden als mögliche Maßnahmen in Betracht gezogen.

US-Wirtschaft erscheint robuster als gedacht

Erste Chefökonomen großer US-Finanzinstitute vertreten bereits die Meinung, dass ein tiefer wirtschaftlicher Einbruch vermieden werden kann. Die jüngsten Wirtschaftsdaten deuten demnach daraufhin, dass die Inflation auch ohne einen starken Wirtschaftsabschwung auf ein normales Maß zurückfallen könne. Für eine anhaltend robuste Wirtschaft könnte das im Juli verbesserte Konsumentenvertrauen sprechen, auf das die Indizes der University of Michigan und des Conference Boards hindeuten. Aufgrund der zuletzt spürbar niedrigeren Inflation könnte der für Juli eingepreiste Zinsschritt der US-Notenbank Fed eine Zinspause einläuten.
 
Allerdings bleibt der US-Arbeitsmarkt sehr angespannt; die Löhne wachsen schnell. Zudem sinkt die Inflationsrate momentan primär auch, da die Preise für Energierohstoffe im vergangenen Jahr verglichen mit den aktuellen Ständen sehr hoch waren – ein Effekt, der bald auslaufen wird. Die Inflationsraten könnten demnach wieder ansteigen und eine noch restriktivere Geldpolitik der Fed zur Folge haben. Die US-Wirtschaft wuchs im zweiten Quartal 2023 um annualisierte 2,4 Prozent gegenüber dem Vorquartal und lag damit weit über den Markterwartungen von 1,8 Prozent, wie die
Vorabschätzung ergab.

Eurozone mit schwachen Vorgaben

Der Gesamt-Einkaufsmanagerindex (PMI) für die Eurozone ist im Juli 2023 auf 48,9 gefallen, noch im Juni hatte dieser bei 49,9 gelegen. Zur Erinnerung: Werte unter 50 signalisieren eine schrumpfende Wirtschaft. Der jüngste Wert deutet auf den stärksten Rückgang der Unternehmensproduktion seit November des vergangenen Jahres hin. Besorgniserregend scheint die Tatsache, dass die Auftragseingänge so enorm zurückgingen wie seit acht Monaten nicht mehr - die Auftragsbestände sind so stark abgearbeitet worden wie seit Februar 2013 nicht mehr. Darüber hinaus verlangsamte sich das Beschäftigungswachstum und erreichte den niedrigsten Stand seit Februar 2021. Nicht verwunderlich, dass sich das Vertrauen der  Unternehmen ebenfalls abkühlt und sich auf den niedrigsten Stand seit November 2022 befindet.

Deutsche Wirtschaft im Sinkflug

Auch in Deutschland signalisiert der Einkaufsmanagerindex mit 48,3 Punkten eine schrumpfende Wirtschaft: Der Indikator der Industrie stürzte unerwartet auf 38,8 Punkte ab – den tiefsten Stand seit dem Höhepunkt der Corona-Pandemie. Auch hier beunruhigen Neu- und Exportaufträge. Der Abwärtstrend bei den Dienstleistungen hält ebenfalls an, wenngleich 52 Punkte noch auf eine leichte Expansion hindeuten. Ferner entwickelt sich das ifo-Geschäftsklima derzeit ebenfalls kraftlos. Mit 88,5 Zählern ist der Index auf den tiefsten Stand seit gut einem halben Jahr gefallen. Auch beim Verbraucher leidet die Laune: Zuletzt achtmal in Folge konnte das von der Gesellschaft für Konsumforschung veröffentlichte Konsumklima in Deutschland zulegen. Doch im Juni machten sich auch bei den Konsumenten die Sorgen vor Inflation und Rezession bemerkbar.
Tobias Friedrich ist Senior Manager Markets and Clients bei Santander Asset Management