Dr. Ulrich Kater / Bild: Deka Bank
Nach einem guten Start in das Jahr 2024 fragen sich die
Finanzmarktteilnehmer nun, wie es weitergeht und wie das derzeitige
Umfeld für Konjunktur und Märkte wohl am besten zu charakterisieren ist.
Zweifellos hat sich die Weltwirtschaft zuletzt überraschend
widerstandsfähig gezeigt. Sie wächst mit rund 3 Prozent. Doch es fällt
einem trotz der erwarteten Lockerung der Geldpolitik in den
Industrieländern schwer, sich einen nahenden fulminanten konjunkturellen
Aufschwung vorzustellen: Die Arbeitslosenquoten sind sehr niedrig, es
gibt also wenig Potenzial für einen starken Beschäftigungsaufbau.
Es schwelen viele geopolitische Risiken, und die Finanzpolitik dürfte perspektivisch tendenziell bremsen. Da kommt wenig Wachstumsphantasie auf. Immerhin lassen etwas freundlichere Stimmungsindikatoren für Euroland hierzulande eine konjunkturelle Bodenbildung erkennen. Die Emerging Markets wachsen solide, und die US-Volkswirtschaft überrascht trotz hoher Leitzinsen Quartal für Quartal mit stabilem Wachstum
Noch kein grünes Licht für Zinssenkungen
Vor diesem Hintergrund steht die allgemeine Erwartung baldiger Leitzinssenkungen durch die großen Notenbanken unter Beobachtung. Speziell die US-Notenbank Fed kann mit den aktuell zu hohen Inflationsraten nicht zufrieden sein. Auch bei der Europäischen Zentralbank gibt es noch kein eindeutig grünes Inflations-Licht für eine zügige monetäre Lockerung. Das erhoffte Goldlöckchen-Szenario, in dem konjunkturelle Dynamik und Inflation genau richtig temperiert sind, zeichnet sich also nicht ab. Es mangelt vor allem an essenziellen Produktivitätszuwächsen, die einen stabilen Aufschwung tragen können. Kräftezehrende strukturelle Anpassungen der Unternehmen mit Blick auf die Digitalisierung und die nachhaltige Transformation und nicht zuletzt die demografische Entwicklung führen dazu, dass man vielmehr von einem Silberlöckchen-Szenario sprechen kann. Darin bleiben die Zinssenkungserwartungen bestehen. Vielleicht kommen die Senkungen etwas später, was mit zwischenzeitlich höherer Volatilität und höheren Kapitalmarktrenditen einhergehen dürfte. Doch ist das globale Wachstumstempo ausreichend hoch, um Kursteigerungen an den Aktienmärkten und eine solide Rentenmarktentwicklung zu ermöglichen. Wer auf breite Streuung der Anlagen achtet, für den gibt es im Silberlöckchen-Szenario weiter konstruktive Ertragsperspektiven.
Ausgewählte volkswirtschaftliche Prongosen
Deutschland
Nach den im Schnitt guten Konjunkturindikatoren für Januar und Februar kam der Anstieg des Bruttoinlandsprodukts im ersten Quartal um 0,2 Prozent im Vorquartalsvergleich nicht überraschend. Damit beginnt sich die Konjunktur in Deutschland zu stabilisieren. Mit großen Sprüngen sollte man aber im laufenden Quartal noch nicht rechnen. Immerhin zeigen die Stimmungsindikatoren für das zweite Halbjahr eine kräftigere Belebung an, die aber bislang vor allem von den Dienstleistern auszugehen scheint. Die leichte Abwärtsrevision unserer Konjunkturprognose ist ausschließlich auf die Revision des Statistischen Bundesamtes für das Schlussquartal 2023 zurückzuführen.
Prognoserevision: Leichte Abwärtsrevision der Konjunktur- und Inflationsprognose.
Euroland
Die europäische Wirtschaft ist gut in das Jahr 2024 gestartet. Laut Veröffentlichung der vorläufigen Schnellschätzung von Eurostat ist das Bruttoinlandsprodukt in Euroland nach einer leichten Schrumpfung im vierten Quartal 2023 nun im ersten Quartal 2024 um 0,3 % im Vergleich zum Vorquartal (qoq) gewachsen. Dabei dürfte das europäische Wachstum von einer erhöhten Nachfrage
aus dem Inland wie auch aus dem Ausland profitiert haben. Euroland kann nun auch wieder auf Deutschland als Wachstumsstütze zählen. Alle vier großen EWU-Länder haben einen positiven Wachstumsbeitrag geleistet. Spitzenreiter war Spanien mit einem kräftigen Wachstum von 0,7 Prozent qoq. Etwas abgeschlagen folgen Italien (+0,3 Prozent qoq), Deutschland (+0,2 Prozent qoq) und Frankreich (+0,2 Prozent).
Prognoserevision: keine
USA
Das Bruttoinlandsprodukt ist im ersten Quartal um 1,6 Prozent gegenüber dem Vorquartal und auf das Gesamtjahr hochgerechnet geringfügig schwächer als erwartet angestiegen. Die zyklischen Teilbereiche überraschten hingegen leicht auf der oberen Seite. Hier dürfte der ungewöhnlich milde Winter geholfen haben. Die jüngsten Daten sorgten bei unserem weiteren Konjunkturausblick für
keinen bedeutsamen Änderungsbedarf. Weiterhin auf der oberen Seite überrascht die Preisentwicklung. Insbesondere im Bereich der Dienstleistungen hat die Preisdynamik im ersten Quartal im Vergleich zur zweiten Jahreshälfte 2023 zugenommen. Sollte diese Dynamik auch in den kommenden Monaten anhalten, wären Leitzinssenkungen in diesem Jahr nicht mehr realistisch.
Prognoserevision: keine
Rentenmarkt Euroland
Die Marktteilnehmer haben sich inzwischen darauf eingestellt, dass die EZB zwar im Juni mit der Senkung der Leitzinsen beginnen, die Lockerung danach aber nur mit geringem Tempo fortsetzen wird. Ausschlaggebend hierfür waren entsprechende Kommentare von EZB-Ratsmitgliedern sowie eine veränderte Einschätzung zur Fed. Diese Adjustierung der Markterwartungen hat sich einerseits in einem höheren Niveau der Renditen von Bundesanleihen niedergeschlagen. Andererseits begründet sie einen nach unten gerichteten Verlauf, sobald die EZB die Leitzinsen tatsächlich senkt und weitere Zinsschritte zumindest in Aussicht stellt. Dies gilt allerdings mehr für das kurze Ende als für die längeren Laufzeitbereiche, wo die hohen Renditen von US-Treasuries und der sich verbessernde Konjunkturausblick für den Euroraum Belastungen bleiben.
Prognoserevision: Geringfügig höhere Renditeverläufe.
Rentenmarkt USA
Wir gehen weiterhin davon aus, dass die Fed beim Zinsentscheid im September die erste Leitzinssenkung beschließen wird. Allerdings haben die Preisdaten in diesem Jahr das Vertrauen der FOMC-Mitglieder in eine weitergehende Abnahme der Inflation erschüttert, und der Zeitraum bis September könnte sich als zu knapp erweisen, um dieses Vertrauen wiederaufzubauen. Denkbar ist sogar, dass die Leitzinswende erst im kommenden Jahr stattfindet. Auch nach einer erfolgten Leitzinswende wird vermutlich der weitere Leitzinspfad mit erhöhten Risiken behaftet sein. Wir haben daher erneut unsere Einschätzung der Renditeprognose für US-Staatsanleihen im längeren Laufzeitenbereich auf 12-Monatssicht nach oben genommen.
Prognoserevision: Anhebung der Renditeprognose im längeren Laufzeitenbereich
Dr. Ulrich Kater ist seit 2004 Chef-Volkswirt der
DekaBank.
Er studierte an den Universitäten Göttingen und Köln
Volkswirtschaftslehre und promovierte 1995 am Finanzwissenschaftlichen
Lehrstuhl der Universität zu Köln. Von 1995 bis 1999 war Dr. Kater im
Stab der „fünf Wirtschaftsweisen“ für die Themen Geldpolitik und
Kapitalmarkt verantwortlich. Er ist Autor zahlreicher Veröffentlichungen
zu den Themen Geldpolitik, Währungspolitik, internationale
Kapitalmärkte, Finanzpolitik, Alterssicherungssysteme und
internationaler Dienstleistungshandel. Hörenswert: Sein Podcast mit
Mikro trifft Makro mit Dirk Huesmann über das Neueste aus der Welt der Finanzen.
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