Globale Wirtschaftslandschaft zeigt ein zweigeteiltes Bild

Tobias Friedrich, Santander AM
Tobias Friedrich / Bild: Santander AM
  • Für die robuste US-Wirtschaft ist eine weiche Landung wahrscheinlich.
  • Europa könnte die schwierige Entwicklung des vergangenen Jahres hinter sich lassen.
  • China meldet trotz Strukturschwächen ein kräftiges Wachstum für das erste Quartal
Die Analysten wurden im ersten Quartal 2024 von der Wirtschaftsdynamik überwiegend positiv überrascht. Insbesondere in den USA bleibt das Bruttoinlandsprodukt robust, aber auch die Entwicklungen in anderen wichtigen Ländern wie Indien oder Mexiko bestätigen das Narrativ der weichen Konjunkturlandung – trotz hoher Zinssätze. Vor diesem Hintergrund eines geringeren Rezessionsrisikos und größerer Zweifel an der Erreichung des Inflationsziels von 2 Prozent, überdenken die Zentralbanken die Dringlichkeit von Zinssenkungen. Wir gehen dennoch weiterhin von einem reibungslosen Anpassungszyklus auch bei der Entwicklung der Zinssätze in Richtung eines neutralen Niveaus aus.

Unterschiedliche Erwartungen in den verschiedenen Regionen

Die Veränderung der Wachstumserwartungen ist nicht weit verbreitet. Die globale Wirtschaftslandschaft im ersten Quartal 2024 zeigt ein zweigeteiltes Bild, das vor allem von der Wirtschaftsleistung der Vereinigten Staaten bestimmt wird. Die US-Wirtschaftsdaten haben im vierten Quartal 2023 mit einem annualisierten Wachstum von 3,2 Prozent positiv überrascht und diese positive Stimmung mit in das Jahr 2024 gebracht. Allerdings beginnt sich die robuste Wirtschaft auf hohem Niveau doch allmählich abzuschwächen, so hat der BIP-Zuwachs im ersten Quartal 2024 bei nur annualisierten 1,6 Prozent gelegen. Die noch immer anhaltende Robustheit wird durch mehrere Faktoren gestützt: einen starken Arbeitsmarkt, anhaltende Lohnzuwächse, die starke Fähigkeit der privaten Haushalte, ihren finanziellen Verpflichtungen nachzukommen sowie ein Rekordanstieg des Nettovermögens der privaten Haushalte auch aufgrund der starken Aktienmärkte.

Licht am Ende des Horizonts in Europa

Andere entwickelte Volkswirtschaften stecken weiterhin in einer Konjunkturschwäche fest. Besonders in der Eurozone blieb das Wirtschaftswachstum schwach. Aber die Stimmung dreht: Die ZEW-Konjunkturerwartungen für den Euroraum sind im April 2024 auf 43,9 Punkte gestiegen – der höchste Stand seit Februar 2022. In der aktuellen Umfrage erwartet knapp die Hälfte der befragten Analysten eine Verbesserung der wirtschaftlichen Aktivität, während nur gut fünf Prozent eine Verschlechterung erwarten. Auch der Einkaufsmanagerindex, ein vielbeachteter Stimmungsindikator für die kurzfristige Entwicklung der konjunkturellen Lage, konnte im April unerwartet zulegen. Der Index stieg mit 51,4 Punkten auf den höchsten Stand seit elf Monaten. Zur Erinnerung: Werte über 50 Saldenpunkten signalisieren Wirtschaftswachstum.
 
Zu berücksichtigen gilt allerdings, dass der mögliche konjunkturelle Aufschwung überwiegend vom Dienstleistungssektor getragen werden wird. Während das verarbeitende Gewerbe weiter im rezessiven Bereich verharrt, kletterte der Index für den Dienstleistungssektor stärker als prognostiziert in die Expansionszone. Auch in Deutschland stieg der Gesamtindex mit 50,5 Saldenpunkten auf ein Niveau, welches zuletzt vor dem Ausbruch des Russland-Ukraine-Konflikts erreicht wurde. Hier profitierte ebenfalls insbesondere der Dienstleistungssektor, der deutlich auf 53,3 Punkte zulegen konnte. Insgesamt verdichten sich damit also die Anzeichen, dass Europa die schwierige wirtschaftliche Entwicklung des vergangenen Jahres hinter sich lassen könnte

Das Geschäftsvertrauen in Deutschland erreicht 11-Monats-Hoch

Dazu passt auch, dass der ifo-Geschäftsklimaindex für Deutschland im April um 1,5 auf 89,4 angestiegen ist und damit den dritten Monat in Folge zulegen konnte, was in der Vergangenheit häufig ein Signal für eine konjunkturelle Wende darstellte. Dieser Anstieg wurde angetrieben von der wachsenden Erwartung möglicher Zinssenkungen durch die EZB sowie einer allmählichen Abschwächung des Inflationsdrucks. Die befragten Unternehmen aller Branchen beurteilten die aktuelle Lage und zukünftige Aussichten besser, als vom Markt im Schnitt erwartet wurde.

Kräftigeres Wirtschaftswachstum in China, aber Strukturschwächen halten an

China meldet für den Jahresauftakt 2024 ein überraschend kräftiges Wirtschaftswachstum von 5,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahresquartal, das Wachstum gegenüber dem 4. Quartal 2023 lag ebenfalls über den Erwartungen. Allerdings sind bereits die Wachstumszahlen vom März aus Industrie, Außen- oder Einzelhandel durchweg schwächer ausgefallen als in den ersten beiden Monaten des Jahres. Damit könnte der konjunkturelle Schwung bereits im laufenden zweiten Quartal wieder nachlassen. Was auch der Rückgang der dortigen Einkaufsmanagerindizes für das Verarbeitende Gewerbe als auch den Dienstleistungssektor bestätigen, die beide zwar noch über der Wachstumsschwelle von 50 Punkten liegen, aber im April deutlich zurückgekommen sind.
Tobias Friedrich ist Senior Manager Products & Markets bei Santander Asset Management.