Wie groß ist die Rezessionsgefahr in den USA?

Carsten Mumm, Privatbank DONNER & REUSCHEL
Carsten Mumm / Bild: Privatbank DONNER & REUSCHEL
Mit einer ungewöhnlichen Vielzahl an Belastungsfaktoren stellte das erste Quartal Anleger vor große Herausforderungen. Allen voran der Ukraine-Konflikt sowie die begonnene Zinswende der US-Notenbank Fed sorgten für teilweise deutlich negative Wertentwicklungen in nahezu allen Segmenten des Aktien- und Anleihemarktes. Die US-Standardwerteindizes S&P 500 und Dow Jones Industrial Average konnten sich mit einem Minus in Höhe von jeweils weniger als 5 Prozent seit Jahresanfang noch ganz gut halten. Doch in den letzten Tagen rutschte die Renditedifferenz zwischen zwei- und zehnjährigen US-Staatsanleihen hauchdünn in den negativen Bereich.

Vorteile der US-Volkswirtschaft

Eine solche inverse Zinsstruktur hatte in der Vergangenheit zumeist eine Rezession innerhalb der nächsten 12 bis 18 Monate zur Folge. Trotzdem war der Start in das zweite Quartal für US-Aktien weiterhin stabil. Die erneute Rohstoffpreisexplosion treibt die Produktionskosten weltweit noch einmal massiv in die Höhe. Allerdings hat die US-Volkswirtschaft im Vergleich zu Europa zwei entscheidende Vorteile. Einerseits droht im Falle eines totalen Lieferstopps russischen Erdöls keine Rationierung von Energie, da die heimische Fracking-Industrie ohnehin einen nennenswerten Anteil des Verbrauchs produziert. Gaslieferungen aus Russland spielen in den USA keine Rolle. Zudem hängt die Wertschöpfung der US-Volkswirtschaft vor allem – zu etwa 70 Prozent – vom privaten Konsum ab. Dieser wiederum boomt angesichts eines nahezu im Vollbeschäftigungsmodus befindlichen Arbeitsmarktes.

Keine akute Rezessionsgefahr

Da gleichzeitig über 11 Millionen offene Stellen von US-Unternehmen vermeldet wurden, sind Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Lage, hohe Lohnsteigerungen durchzusetzen und so den Konsum noch weiter zu befeuern. Entsprechend positiv fielen zuletzt erneut die Umfragen zur Stimmungslage von US-Unternehmen aus, die steigende Kosten noch immer weitgehend an die Endverbraucher durchreichen können. Trotz voraussichtlich weiter steigender Leitzinsen in den kommenden Monaten werden die Realzinsen tief negativ bleiben und bieten so weitere Investitionsanreize für Unternehmen. Schließlich gibt es auch noch eine andere Variante der Zinsstruktur, die Renditedifferenz zwischen 10 Jahren und dem 3-Monats-Geldmarktsatz, die mit 1,4 Prozent noch immer deutlich positiv ist. Fazit: Zwar ist die Lage außergewöhnlich dynamisch, doch ist eine akute Rezessionsgefahr ist in den USA derzeit nicht auszumachen.
Carsten Mumm ist Chefvolkswirt der Privatbank DONNER & REUSCHEL. Er ist verantwortlich für die Erstellung der Konjunktur- und Kapitalmarktprognosen sowie der kapitalmarktrelevanten Publikationen. Zuvor verantwortete er die Vermögensverwaltung für private und institutionelle Kunden, das Management von Spezial- und Publikumsfonds sowie die hauseigenen Research-Tätigkeiten. Der gelernte Bankkaufmann und studierte Diplom-Volkswirt ist seit 1998 im Bereich Kapitalanlage beschäftigt. 2006 qualifizierte er sich zum Chartered Financial Analyst.

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