Dr. Ulrich Kater, Deka Bank

Volkswirtschaftliche Prognosen: Flexibles Drehbuch

Seit seinem Amtsantritt im Januar 2025 hat US-Präsident Trump eine federführende Rolle auf der Weltbühne übernommen und ist dabei mit einem konkreten Drehbuch gestartet: Die USA sollen wieder stark und unabhängig werden, und dies mithilfe von Zolldrohungen und von konkreten, notfalls auch extrem hohen Zöllen. Wer von den Handelspartnern bereit war, zu verhandeln und den US-Wünschen zu entsprechen, wurde mit Zollzugeständnissen belohnt.

Dr. Ulrich Kater

Verhandlungserfolge wurden aber auch immer wieder in Frage gestellt. Inzwischen ist klar, dass das Drehbuch vom US-Präsidenten jederzeit umgeschrieben werden kann. Hieraus ergeben sich spürbare geopolitische Unwägbarkeiten. Verlässlichkeit und Planungssicherheit sind passé.

Ungewohnte Vorgehensweise einer Regierung

Die Vorgehensweise der US-Regierung ist zweifellos ungewohnt. Doch die Weltwirtschaft und die Kapitalmärkte reagieren auf das Hin und Her überraschend flexibel und widerstandsfähig. Die aktuelle Berichtssaison der Unternehmen zum dritten Quartal sieht dies- und jenseits des Atlantiks richtig gut aus. Zudem sind unkontrollierte handelspolitische Eskalationen bislang ausgeblieben, weil sowohl Regierungen als auch Marktakteure besonnen agieren. Damit zeichnet sich ab, dass die Kapitalmärkte 2025 ein weiteres sehr gutes Jahr für Wertpapieranleger bringen werden. Dies war zwar grundsätzlich erwartet worden, wurde jedoch vor dem Hintergrund der hektischen Nachrichtenlage zwischenzeitlich mehrfach in Zweifel gezogen. Wenn man denn so wollte, könnte man in der steilen Goldpreisentwicklung ein Ventil für die anhaltende erhöhte Risikowahrnehmung ausmachen. Doch zugleich stehen auch die Aktienindizes weit über ihren Jahresanfangsständen und nahe ihrer Höchststände, was kaum mit Risiken und Sorgen erklärbar ist. Vielmehr gelten die Digitalisierung im Allgemeinen und die Künstliche Intelligenz im Besonderen als Hoffnungsträger für eine steigende Produktivität bei den Unternehmen bzw. für ganze Volkswirtschaften. Dass die Notenbanken ihr Ziel einer neutralen Geldpolitik weiterhin klar vor Augen haben und glaubhaft verfolgen, hilft den Kapitalmärkten ebenfalls – trotz aller kurzfristiger Drehbuchänderungen.

Konjunktur Industrieländer

Deutschland
Das deutsche Bruttoinlandsprodukt stagnierte im dritten Quartal 2025, nachdem es im zweiten Quartal noch um 0,2 Prozent gegenüber dem Vorquartal geschrumpft war. 

Die jüngsten Umfragen des ifo Instituts deuten auf mehr Zuversicht der Unternehmen auf Sicht von sechs Monaten hin. Die Lageeinschätzung hat sich dagegen verschlechtert. In dieser Umfrage beurteilte die Industrie ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit so negativ wie nie zuvor. 

Auch die jüngste Umfrage des Instituts der deutschen Wirtschaft macht wenig Hoffnung auf eine durchgreifende Erholung in näherer Zukunft.

 

Prognoserevision: Geringe Aufwärtsrevisionen der Inflationsrate für 2025 und des Bruttoinlandsprodukts für 2026.

Euroland
Die europäische Wirtschaft hat im dritten Quartal 2025 leicht an Fahrt gewonnen. Laut Veröffentlichung der vorläufigen Schnellschätzung von Eurostat ist das Bruttoinlandsprodukt in Euroland nach einem Anstieg im zweiten Quartal 2025 um 0,1 Prozent nun im dritten Quartal um 0,2 Prozent im Vergleich zum Vorquartal (qoq) gewachsen. 

Die konjunkturelle Entwicklung in Euroland war unter den vier großen EWU-Ländern im dritten Quartal 2025 von erkennbaren Unterschieden geprägt. 

Spitzenreiter war erneut Spanien mit einer deutlichen Zunahme der gesamtwirtschaftlichen Aktivität von 0,6 Prozent qoq. Mit wenig Abstand folgte überraschenderweise Frankreich (+0,5 Prozent qoq). Das französische Wachstum kam im dritten Quartal vor allem aus dem Außenhandel. Am unteren Ende von den großen vier EWU-Ländern lagen Deutschland und Italien mit einer stagnierenden Wirtschaftsleistung.

 

Prognoserevision: Aufwärtsrevision der BIP-Prognose.

USA
Die Kongresskammern konnten sich nicht bis Anfang Oktober auf einen Haushalt für das begonnene Fiskaljahr 2026 einigen. Hierdurch kam es zu einem Regierungsstillstand (Government Shutdown), von dem dieses Mal auch das Handels- und das Arbeitsministerium betroffen sind. Seither wurden fast keine offiziellen makroökonomischen Statistiken mehr veröffentlicht. 

Einzige Ausnahme war die Bekanntgabe der Verbraucherpreise für September. Diese deuten einen erneuten leichten zollbedingten Preisschub an. Daten von privaten Anbietern lassen den Schluss zu, dass sich die zollbedingte Verunsicherung der Unternehmen eher verringert hat. 

Die von der Fed Chicago berechneten Einzelhandelsumsätze entwickeln sich unauffällig. Sollte der Regierungsstillstand über den November anhalten, käme es zu einer zeitlichen Verschiebung von wirtschaftlicher Aktivität vom vierten Quartal 2025 in das erste Quartal 2026.

 

Prognoserevision: Aufwärtsrevision der Inflationsrate 2026

Europäische Zentralbank / Geldmarkt
Bei ihrer Ratssitzung Ende Oktober hat sich die EZB zwar rein formal die Möglichkeit zu weiteren Leitzinssenkungen offengehalten. Ihre inhaltliche Argumentation ließ jedoch kaum Anhaltspunkte erkennen, konkret über eine erneute Lockerung der Geldpolitik nachzudenken. Durch die jüngsten Konjunkturdaten aus der Eurozone und die Wahrnehmung verminderter politischer Risiken auf globaler Ebene ist der EZB-Rat in Bezug auf das Wirtschaftswachstum noch etwas optimistischer geworden. 

Aus Sicht der meisten Mitglieder überwiegt dies die Sorge vor potenziell zu niedrigen Inflationsraten, wie sie in den makroökonomischen Projektionen des Mitarbeiterstabs angedeutet werden. Unseres Erachtens betrachtet die Mehrheit der Notenbanker weitere Leitzinssenkungen lediglich als Option für den Fall, dass sich das wirtschaftliche Umfeld unerwartet verschlechtert und die Abwärtsrisiken für die Inflation zunehmen. Bleibt eine solche Entwicklung aus, rechnen wir bis auf Weiteres mit unveränderten Leitzinsen. Diese Perspektiven sollten mittelfristig zu etwas höheren EURIBOR-Sätzen führen.

Prognoserevision: -

Rentenmarkt Euroland
Wir gehen davon aus, dass sich die Bundkurve mittelfristig von beiden Seiten etwas verflachen wird. Am kurzen Ende sollten die Renditen geringfügig ansteigen, da die Marktteilnehmer ihre Erwartungen über noch bevorstehende Leitzinssenkungen der EZB zurückschrauben. In den längeren Laufzeitbereichen verlangen die Anleger eine Kompensation dafür, dass die Ausgabenpläne für Verteidigung und Infrastruktur in den kommenden Jahren zu einer deutlichen Ausweitung des Angebots führen werden. 

Unter der Prämisse, dass das kurze Ende fest verankert bleibt, generiert die derzeitige Steilheit jedoch bereits einen signifikanten Mehrertrag langlaufender Bundesanleihen. Insofern sollte der immer noch erhebliche Anlagebedarf in Kombination mit stabilen langfristigen Inflationserwartungen die Renditen allmählich zurückgehen lassen.

 

Prognoserevision: -

Ulrich Kater

Dr. Ulrich Kater ist seit 2004 Chef-Volkswirt der DekaBank. Er studierte an den Universitäten Göttingen und Köln Volkswirtschaftslehre und promovierte 1995 am Finanzwissenschaftlichen Lehrstuhl der Universität zu Köln. Von 1995 bis 1999 war Dr. Kater im Stab der „fünf Wirtschaftsweisen“ für die Themen Geldpolitik und Kapitalmarkt verantwortlich. Er ist Autor zahlreicher Veröffentlichungen zu den Themen Geldpolitik, Währungspolitik, internationale Kapitalmärkte, Finanzpolitik, Alterssicherungssysteme und internationaler Dienstleistungshandel.

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