Die top drei Herausforderungen für deutsche Finanzunternehmen 2024

Alberto Cuccu, Objectway
Alberto Cuccu / Bild: Objectway
Der deutsche Markt für Vermögensverwaltung schrumpft weiter und erzielte im letzten Jahr geringere Gewinne als die internationale Konkurrenz. Auch das Jahr 2024 wird deutsche Finanzunternehmen herausfordern. Wir prognostizieren drei zentrale Entwicklungen für die Branche. Die Finanzinstitute müssen sich frühzeitig auf den Generationswechsel bei ihren Anlegern einstellen und die Kundenbetreuung hochstufen. Außerdem wird es von wesentlicher Bedeutung sein, Regulierungskosten beispielsweise durch die Kooperation mit FinTechs zu minimieren. Ebenso werden qualifizierte Mitarbeiter und Berater nur von jenen Unternehmen angezogen werden, die in moderne, produktivitätssteigernde Technologien wie KI investieren. Der digitale Fortschritt wird maßgeblich sein, um den Rückstand aufzuholen.
Der globale Markt für Vermögensverwaltung wächst rasant. Einem Bericht des Marktforschungsinstituts Zion zufolge soll er bis 2030 einen Wert von 3,48 Billionen US-Dollar erreichen, wobei das stärkste Wachstum im europäischen Raum erwartet wird. Trotz dieses Trends hinken deutsche Vermögensverwalter immer stärker hinterher. Sie erzielen geringere Gewinne als ihre internationalen Konkurrenten und verlieren so erhebliche Marktanteile an ausländische Banken. Das Jahr 2024 wird deutsche Unternehmen nun vor neue Herausforderungen stellen. Banken müssen sich auf drei Trends einstellen: Die Anforderungen der Anleger befinden sich im Wandel, die Regulierungskosten werden weiter steigen und die Gewinnung neuer Talente sowie die Aus- und Weiterbildung bestehender Mitarbeiter wird immer entscheidender. Die Entwicklung und der Einsatz innovativer Technologien werden für Banken zunehmend zu einem entscheidenden Differenzierungsmerkmal.

Generationswechsel: Millennial-Anleger erfordern neues Level der Kundenberatung

Um die Kundenzufriedenheit sicherzustellen, müssen Asset Manager und Vermögensverwalter die Anforderungen ihrer Anleger genau kennen. In den kommenden Jahren wird sich das zu verwaltende Vermögen allmählich auf die Millennials verlagern – dies wird ein Umdenken im klassischen Wealth Management erfordern. Die Generation der Millennials wird sowohl ihr eigenes Vermögen aufbauen, als auch von einer Erbschaftswelle profitieren und somit einen wesentlichen Teil des künftig angelegten Kapitals ausmachen. Zusätzlich zu traditionellen physischen Treffen werden diese „Digital Natives“ neue Beratungswege über automatisierte digitale Kanäle verlangen, die rund um die Uhr verfügbar sind. Vor allem wollen sie über Produkte und Märkte aufgeklärt werden. Schlagworte und Trends wie ‚Gamification‘, ‚educate your customer‘, ‚Opti-Channel-Kontakt‘ und ‚phygital‘ bereiten den meisten traditionellen Wealth Managern Kopfzerbrechen. Die Frage, wie diese neuen Technologien und Kanäle mit dem bestehenden Beratungsansatz und der Infrastruktur in Einklang gebracht werden können, wird ebenso entscheidend sein, wie die Segmentierung der Zielgruppen. Banken werden demnach ein neues Gleichgewicht zwischen persönlichem Kontakt mit messbarem Mehrwert und den technologiebasierten Kommunikations- und Vertriebskanälen der nächsten Generation finden müssen.

Kostenprobleme deutscher Banken – FinTechs als Chance

Während der internationale Vermögensmarkt den Höhepunkt der Einkommenskrise überwunden hat, kämpfen deutsche Wealth Manager weiterhin mit zu hohen Kosten. Ein Problem stellen die strengen behördlichen Anforderungen dar: Deutsche Finanzinstitute investieren einen erheblichen Teil ihres Budgets in Projekte, die von den Regulierungsbehörden beauftragt werden. Dabei müssen sie in der Lage sein, umfassende und komplexe Daten auf Abruf zu liefern. Viele deutsche Finanzunternehmen kämpfen jedoch mit veralteten Betriebsmodellen, die nicht in der Lage sind, die Auflagen kosten- und zeiteffizient zu erfüllen. Banken müssen das Wealth Management schnell neu erfinden, um nicht langfristig auf dem heutigen niedrigen Rentabilitätsniveau zu verharren. Eine Möglichkeit kann beispielsweise die Kooperation mit FinTechs sein. Innovative Vermögensverwalter haben bereits verstanden, dass auf diese Weise ihr Dienstleistungsangebot sinnvoll ergänzt werden kann.

Herausforderung Humankapital: Produktivität steigern mittels KI

Die richtigen Mitarbeiter sind ausschlaggebend für den Erfolg jedes Finanzunternehmens. Eine passende menschliche Interaktion bestimmt die Kundenzufriedenheit und kann den entscheidenden Wettbewerbsvorteil ausmachen. Die Rekrutierung und langfristige Bindung neuen Personals werden zukünftig zu den Hauptherausforderungen für Vermögensverwalter zählen. Die angehende Arbeitnehmergeneration hat noch keinen Arbeitsmarktengpass miterlebt und ist sehr anspruchsvoll. Finanzunternehmen werden stärker auf ihre Bedürfnisse eingehen müssen, um Talente anzuwerben. Aber auch das bestehende Personal wird erhebliche Investitionen fordern. Vor allem die Berater müssen ihre Fähigkeiten im Umgang mit verschiedenen Kommunikationskanälen verbessern, den strategischen Einsatz von Technologien wie KI erlernen und neue Kundensegmente zielgerichtet ansprechen und informieren können. Künstliche Intelligenz birgt hier vor allem die Chance, die Produktivität bestehender Mitarbeiter um bis zu fünf Prozent zu steigern und das Talentmanagement sowie die Bereitstellung von Produkten und Dienstleistungen zu verbessern.
Alberto Cuccu ist Chief Operating Officer International des globalen FinTech-Anbieters für Banken, Vermögensverwalter und Asset Manager Objectway. Als ein globaler TOP-100-FinTech-Anbieter (IDC FinTech Rankings) verwaltet Objectway über 1 Billion Euro an Vermögenswerten und unterstützt mehr als 100.000 Anlageexperten (Finanzberater, Privatbankiers, Kundenbetreuer) bei der Verwaltung von über 700 Milliarden Euro AUM für mehr als 5 Millionen Anleger. Der Umsatz der Gruppe übersteigt 100 Millionen Euro (GJ 2022) und zu den Kunden zählen mehr als 200 führende Banken, Vermögensverwalter, Asset Manager und Versicherer in der gesamten EMEA-Region. Objectway verfügt über eine globale Organisation mit über 800 Geschäfts- und Technologieexperten, die von Niederlassungen in Italien, Großbritannien, Belgien, Deutschland, der Schweiz, Frankreich, Irland, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Kanada aus arbeiten.