Übergewinnsteuer: „Kriegsgewinne sind nicht das Resultat effizienter Märkte“

Dr. Ernst Konrad, Eyb & Wallwitz
Dr. Ernst Konrad / Bild: Eyb & Wallwitz
Führen externe Schocks zu ungewollten Verteilungswirkungen zwischen Konsumenten und Produzenten, können politische Interventionen durchaus gerechtfertigt sein. Bei Eingriffen zugunsten von Krisenverlierern sollte jedoch auf eine Störung des Preisbildungsmechanismus verzichtet werden.
Krisen produzieren Gewinner und Verlierer. Das haben nicht nur die vergangenen zwei Coronajahre gezeigt. Auch der Ukrainekrieg spült Ölförderer und Energieversorgern seit einigen Monaten saftige Gewinne in die Kassen. Ein Vergleich zwischen den ersten Quartalen 2021 und 2022 macht dies deutlich. Hier kam es in der Ölindustrie unter anderem zu Gewinnzuwächsen von 147 Prozent (Shell), 220 Prozent (Exxon Mobil) und 187 Prozent (Total Energies). Bezahlen mussten für diese „Übergewinne“ in erster Linie die Verbraucher, die für das Eintreten des externen Schocks allerdings genauso wenig verantwortlich waren, wie die Energieriesen für ihre Profite. Nur verständlich, dass in vielen Parlamenten derzeit die Forderung nach politischen Eingriffen laut wird.
 
Ob Mario Draghi in Italien oder Robert Habeck in Deutschland: Die Einschätzung, dass die derzeitige Verteilung der Markups zufällig ist und nicht der normalen Markteffizienz folgt, ist korrekt. Doch wie umgehen mit den Preisanstiegen, die – unabhängig von ihrer Verteilungswirkung – noch immer das Resultat eines freien Preisbildungsmechanismus sind und damit eine wichtige Signalwirkung haben? Denn Energie ist derzeit nun einmal schlicht knapp. Und ein Preis, der das nicht abbildet, gibt weder den Käufern den Anreiz zu sparen noch den Produzenten das Signal, ihr Angebot schnell auszuweiten. Wobei letzteres aufgrund der oligopolistischen Marktstruktur, politischen Regulierung und den Absprachen der OPEC+ ohnehin problematisch ist.

Fehlender Wettbewerb

Anders gesagt: Ohne den fehlenden Wettbewerb und die Preissetzungsmacht der Energieriesen wären die derzeitigen Aufschläge gar nicht möglich. Dagegen drohen die Verbraucher aufgrund der hohen Energiekosten wichtige Kaufkraft zu verlieren, was aus volkswirtschaftlicher Perspektive alles andere als wünschenswert wäre. Die Lösung des Problems liegt deshalb auf der Hand: Eine Übergewinnsteuer, die die Markups der Produzentenrendite abschöpft und in Form einer Einkommensbeihilfe auf sozial schwächere Haushalte umverteilt wird. Auf diese Weise können sowohl der Preisbildungsmechanismus und das Preissignal unberührt bleiben als auch die ungerechte Verteilungswirkung der Preisanstiege abgefedert werden.
 
Dass die hierfür nötige Festsetzung einer Grenze zwischen Gewinn und Übergewinn politischer Willkür folgt, kritisiert Christian Linder zwar zurecht, ist aber ein unvermeidlicher „Kollateralschaden“. Wie eine faire Festlegung der Besteuerungsbasis aussehen könnte (Vorjahresgewinne + Toleranzaufschlag), hat der ehemalige EZB-Chef Mario Draghi bereits vorgemacht. Und auch EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni hat sich bereits in diese Richtung geäußert. Für die FDP gilt es deshalb, nun über ihren Schatten zu springen und die unliebsame Querfront mit den Grünen und der Linken zu bilden: Kriegsgewinne sind weder volkswirtschaftlich sinnvoll noch passen sie zu der sozialen Marktwirtschaft!
Dr. Ernst Konrad ist Geschäftsführer der Eyb & Wallwitz Vermögensmanagement GmbH und Fondsmanager der Phaidros Funds Fallen Angels A und Balanced A. Die ausführliche Analyse können Sie unter diesem Link nachlesen.

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