Leitplanken: Soziale Marktwirtschaft muss die Richtung vorgeben

Genossenschaftsverband Bayern (GVB) und Sparkassenverband Bayern (SVB)
Dr. Jürgen Gros (GVB) und Prof. Dr. Ulrich Reuter (SVB)
Wenige Wochen nach der Bundestagswahl sortiert sich die politische Landschaft neu. In dieser Phase muss sich die Politik darüber klar werden, in welche Zukunft sich das Land entwickeln soll. Aus Sicht der Volksbanken und Raiffeisenbanken sowie Sparkassen in Bayern kann nur die Soziale Marktwirtschaft den weiteren ökonomischen Erfolg garantieren. Ausgehend von dieser Überzeugung haben der Sparkassenverband Bayern (SVB) und der Genossenschaftsverband Bayern (GVB) gemeinsam sechs Leitplanken für künftige Wirtschaftspolitik formuliert.
„Innerhalb dieser sechs Leitplanken muss die mittelständische Wirtschaft mit Unterstützung der regionalen Kreditinstitute ihre volkswirtschaftliche Wirkkraft entfalten können. Willkürliche Markteingriffe, Dirigismus und planwirtschaftliche Ansätze sind mit einem freien Markt nicht vereinbar“, kommentierte GVB-Präsident Jürgen Gros den Vorstoß der beiden Verbände. „Die Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft müssen die alles umfassenden Klammern bleiben“, mahnte Gros.
 
„Die Gesellschaft muss ein Interesse an der Stabilität des Finanzplatzes haben, denn der Finanzsektor ist das Bindeglied zur Realwirtschaft – und die Regionalbanken sind das Scharnier zum vielfältigen deutschen Mittelstand. Wenn die Politik möchte, dass das 3-Säulen-Modell auch künftig mittelständische Wirtschaftsstrukturen und über den Wettbewerb auch die Verbraucherinteressen stärkt, muss sie die Grundlagen dafür legen und sie auch weiter pflegen“, erläuterte SVB-Präsident Ulrich Reuter den Hintergrund für den gemeinsamen Appell der regionalen Kreditinstitute. Sie haben als öffentlich-rechtliche und genossenschaftliche Säulen ein besonderes Gewicht für die flächendeckende Versorgung mit Finanzdienstleistungen für Bevölkerung und Mittelstand.

Keine Verbotsorgien

Der Mittelstand wird sich in den kommenden Jahren zunehmend nachhaltig ausrichten und seine Investitionen und Prozesse konsequent nach den Vorgaben des Green Deals der EU-Kommission ausrichten müssen. SVB-Präsident Reuter bekräftigte die Unterstützung der Regionalbanken dabei: „Die regionalen Kreditinstitute sind bereit, die ökologische Transformation der Wirtschaft und Gesellschaft mitzufinanzieren! Im Vordergrund stehen nicht einfach nur grüne Investments, sondern der Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft.“ Dabei müssten aber auch die regulatorischen und aufsichtlichen Voraussetzungen für Unternehmen wie die Banken stimmen.  

Zu einem funktionierenden marktwirtschaftlichen Umfeld gehört auch ein Verbraucherschutz, der den Verbraucher nicht entmündigt oder das Gegenteil dessen bewirkt, was ursprünglich beabsichtigt war. „Politik muss die Folgen von Markteingriffen bedenken: Verbotsorgien wie Preisdeckel auf Dispozinsen, Preisdeckel auf Gebühren für Geldautomaten oder ein Verbot der Provisionsberatung können Verbraucherinteressen zuwiderlaufen“, stellte Gros fest.

Solide Politik schafft Freiräume

Für die anstehende Legislaturperiode mahnten Gros und Reuter, die regionalen Wirtschaftskreisläufe und ihre Grundlagen nicht aus den Augen zu verlieren. Dazu müsse die Politik den Hebel an der richtigen Stelle ansetzen, anstatt nur Symptome von Fehlentwicklungen zu bekämpfen. Aus Sicht der regionalen Kreditinstitute kann eine solide Fiskal-, Steuer- und Wirtschaftspolitik für Freiräume sorgen. Die Negativzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) nimmt dagegen Reformdruck und führt in die Verschuldung. „Die 20er-Jahre müssen mutig angegangen werden, um hier zügig voranzukommen – besonders im Sinne der jungen Generation“, forderten Reuter und Gros.

Die sechs Leitplanken

  1. Starker Mittelstand: Der Mittelstand prägt den Wirtschaftsstandort. Er schafft Ausbildungs- und Arbeitsplätze, ist Innovations- und Wachstumstreiber. Wer diesen Erfolgsfaktor will, muss die regionale mittelständische Finanzstruktur leistungsfähig erhalten. Das Miteinander von mittelständischer Real- und Finanzwirtschaft sichert den Wohlstand für die Zukunft.
  2. Tragfähige Nachhaltigkeit: Nachhaltigkeit – hinter der die regionalen Kreditinstitute in Bayern stehen – muss marktwirtschaftlich tragfähig sein, um ökologisch wirksam zu werden. Sie lässt sich nicht über ständige Eingriffe, Verbote und Gebote erreichen. Banken und Sparkassen sind gerne Lotsen der Nachhaltigkeit. Die Verantwortung für den Umbau der Wirtschaft muss vorrangig bei den Wirtschaftsunternehmen selbst bleiben. Die Politik kann den Weg weisen, Impulse und Anreize setzen. Es ist nicht ihre Aufgabe, über Produkte und Leistungen zu entscheiden. Das kann der Markt besser.
  3. Konsequente Subsidiarität: Regionale Strukturen in der Wirtschaft und im Finanzbereich sorgen für Stabilität und Wachstum. Kleinteilige Strukturen brauchen einfache und praktikable Regeln statt überbordender gleichmachender Bürokratie. Daher gilt es auch, das Drei-Säulen-System zu bewahren und ebenso die bewährten Institutssicherungssysteme in Deutschland zu erhalten. Im Rahmen der europäischen Bankenunion muss der Fokus auf den Abbau von Risiken gerichtet werden. Eine Zentralisierung der Risiken über eine gemeinsame europäische Einlagensicherung ist abzulehnen. Kunden der regionalen Kreditinstitute brauchen sie nicht.
  4. Echter Verbraucherschutz: Verbraucherschutz muss vor Betrug und unseriösen Geschäftspraktiken schützen. Er darf aber Verbraucher nicht entmündigen. Politik muss die Folgen von Markteingriffen bedenken: Verbotsorgien wie Preisdeckel auf Dispozinsen, Preisdeckel auf Gebühren für Geldautomaten oder ein Verbot der Provisionsberatung können Verbraucherinteressen zuwiderlaufen. Ein Preisdeckel auf Geldautomatengebühren könnte zu einem Ausdünnen des Automatennetzes führen mit negativen Folgen für die Bargeldversorgung. Ein Zwang zur Honorarberatung würde de facto weite Teile der Verbraucherinnen und Verbraucher von Finanzberatung abschneiden, die keine teuren Beratungsleistungen in Anspruch nehmen können.
  5. Corona-Jahre–Lessons learned: Wo haben sich Entlastungen in der Regulatorik bewährt und wo nicht? Es ist Zeit, Lehren aus den vergangenen 18 Monaten zu ziehen. Ein einfaches Zurück zur regulatorischen Situation vor Beginn der Pandemie darf es nicht geben. Regulierungslasten müssen jetzt dort weiter abgebaut werden, wo ihre relative Belastung am höchsten und das Risiko am niedrigsten ist.
  6. Solide Zukunftspolitik: Die Politik muss die Grenzen ihrer Handlungswirksamkeit erkennen. Sie muss den Hebel an der richtigen Stelle ansetzen und Ursachen von Missständen bekämpfen, nicht allein die Symptome. So sorgt eine solide Fiskal-, Steuer- und Wirtschaftspolitik für Stabilität und Freiräume. Die Negativzinspolitik der EZB nimmt dagegen Reformdruck und führt in die Verschuldung. Das angebrochene Jahrzehnt muss zum Reformjahrzehnt werden – besonders im Sinne der jungen Generation.
Der Genossenschaftsverband Bayern e.V. (GVB) vertritt seit mehr als 125 Jahren die Interessen bayerischer Genossenschaften. Zu seinen 1.181 Mitgliedern zählen 222 Volksbanken und Raiffeisenbanken sowie 959 Unternehmen aus Branchen wie Landwirtschaft, Energie, Handel, Handwerk und Dienstleistungen. Sie bilden mit rund 50.000 Beschäftigten und 2,9 Millionen Anteilseignern eine der größten mittelständischen Wirtschaftsorganisationen im Freistaat (Stand: 31.12.2020).

Der Sparkassenverband Bayern (SVB) ist zentraler Dienstleister für die 64 bayerischen Sparkassen und deren Träger. Mit einer addierten Bilanzsumme von 240 Milliarden Euro betreiben die bayerischen Sparkassen in allen Teilen des Freistaates Bayern Finanzdienstleistungsgeschäfte mit Schwerpunkt Privatkunden und gewerblicher Mittelstand. Bayernweit sind bei den Sparkassen fast 36.000 Angestellte beschäftigt, davon mehr als 2.500 Auszubildende und Trainees (Stand 31.12.2020).