Zwischen KI und Dollar-Schwäche: Impulse für globale Portfolios
- Die Märkte zeigen sich bei aller Volatilität resilient – und es gibt drei gute Gründe dafür.
- Die Schwäche des US-Dollars könnte an Einfluss gewinnen.
- Die US-Märkte könnten ihre Stellung als Epizentrum der Finanzindustrie verlieren.
- Beim Thema Künstliche Intelligenz (KI) sollten Investoren wachsam bleiben – auch gegenüber möglichen Enttäuschungen.
Trotz der ganzen Aufregungen der letzten Monate war es eine gute Zeit für Aktien. Derzeit stehen so gut wie alle Aktienmärkte auf Jahressicht im Plus und manche, wie der europäische, verzeichnen einen Zuwachs von mehr als 20 Prozent. Selbst die USA als Epizentrum der KI-Bedenken und angesichts des (vielleicht) nahenden Endes des US-Exzeptionalismus stehen im mittleren einstelligen Bereich besser da.
Drei gute Gründe für resiliente Märkte
Die Resilienz der Märkte lässt sich auf drei Punkte herunterbrechen. Erstens: Die zugrundeliegende Wirtschaft – welche die Unternehmensgewinne bedingt – hat sich als robust erwiesen. Bisher hat es keine bemerkbare Verlangsamung des Wirtschaftswachstums gegeben. Zweitens: Trotz zeitweiser Bedenken im früheren Jahresverlauf hat sich KI als gutes Investmentthema erwiesen. Der Bedarf an KI-Halbleitern bleibt hoch und die Unternehmen, die KI entwickeln, bleiben optimistisch bezüglich der transformativen Leistung ihrer Produkte. Drittens: Es gibt Anzeichen dafür, dass Staaten in Europa und Asien mehr Verantwortung für ihr Wachstum übernehmen und ihre Volkswirtschaften stimulieren. Einer der Gründe dafür, warum ihre Aktienmärkte so stark sind. Zusammengefasst zeigt sich eine einträgliche Lage für Unternehmen und Investoren.
Ein schwacher US-Dollar kann Folgen haben
Ein Blick unter die Motorhaube zeigt aber auch einige Trends, welche den Konsens unter vielen Investoren – typischerweise long für die USA und long für US-Technologiewerte – ins Wanken bringen könnten. Erstens: Eine beharrliche Dollarschwäche. Das beeinflusst den Wert von Investments in den USA, natürlich auch US-Aktien. Theorien dazu, warum die US-Währung so schwach ist, gibt es reichlich. Die plausibelste ist wohl der erodierende Status als sogenannte globale Reservewährung. Der Großteil des weltweiten Handels wurde bisher in US-Dollar abgewickelt, das Gleiche gilt für die meisten ausländischen Währungsreserven. Inzwischen besteht die Möglichkeit, grundlegende Waren wie Öl in chinesischen Renminbi zu handeln, was zunehmend verbreitet ist. Außerdem sinkt mit der zunehmenden Abschottung der USA der Anreiz, dort zu investieren, was ebenfalls zu einem Rückgang der Nachfrage nach US-Dollar geführt hat. Natürlich lässt sich heute noch nicht sagen, ob dieser Trend anhält. Aber falls ja, dürften US-Werte ebenso in schwieriges Fahrwasser kommen wie die Profite von Unternehmen außerhalb der USA, die dort in nennenswertem Umfang Geschäfte tätigen.
US-Märkte sind nicht mehr so außergewöhnlich, wie sie es waren
Der zweite Trend ist die Outperformance von Aktienmärkten außerhalb der USA. Der US-Markt war derart lange gegenüber denen in Europa und Asien im Vorteil, dass viele Händler es gar nicht anders kennen. Die Zeiten waren allerdings einmal anders, beispielsweise in den 2000er Jahren, als China der Welthandelsorganisation beigetreten ist. Im Zuge der jüngsten Underperformance der US-Märkte wurde schon das „Ende des US-Exzeptionalismus“ eingeläutet. Und natürlich hat der US-Aktienmarkt in der Folge wieder eine Outperformance gezeigt – denn Märkte tun am liebsten das, was den meisten Tradern die größten Kopfschmerzen bereitet. Davon abgesehen hat der US-Markt bisher im laufenden Jahr eine schwache Bilanz vorzuweisen. Es gibt einige Definitionen von Exzeptionalismus, bei denen die USA noch immer einiges vorzuweisen haben, darunter Innovationen, Zugang zu Rohstoffen, Tiefe des Kapitalmarktes, das Bildungssystem und Rechtsstaatlichkeit. Dennoch gab es aus politischen Gründen einige Rücksetzer und das, während Asien und Europa zunehmend an ihren eigenen Wachstumsagenden arbeiten. Märkte richten sich nach der Gewinnspanne und diese ist in den USA ein wenig kleiner geworden. Infolgedessen sind andere Märkte dafür ein wenig attraktiver geworden. Auch hier gilt: Niemand weiß, ob es so weitergehen wird. Wenn sich diese Entwicklung jedoch fortsetzt, dann haben Investoren zu wenig in Märkten außerhalb der USA angelegt.
KI kann große Chancen und große Enttäuschungen bereithalten
Last but not least bleibt drittens KI ein umstrittenes Thema, trotz der jüngsten Erholung als Investmenttrend. Für große Skepsis sorgte die Veröffentlichung der chinesischen KI-Anwendung DeepSeek, die sich schnell gegenüber der US-Konkurrenz behaupten und diese in einigen Bereichen sogar schlagen konnte – und das bei deutlich weniger Rechenkapazität und Stromverbrauch. Schnell wurden Zweifel laut, dass die zuletzt massiven Investitionen in KI-Infrastruktur, von Datenzentren bis zu Stromnetzen, sich als nutzlos erweisen würden. Für Erholung sorgte nach dem Schock, dass die Märkte wieder zu der Ansicht zurückkehrten, dass viele der Investitionen für zunehmend komplexe KI-Anwendungen doch notwendig sein würden. Auch wenn ich mich zu den KI-Befürwortern zählen würde, ist der (schnelle) Erfolg der Technologie noch lange nicht in Stein gemeißelt. Noch hat sich um sie kein wirtschaftliches Ökosystem etabliert und es bedarf ganz erheblicher Renditen, um die getätigten Investitionen zu rechtfertigen. Sollte die Adaption von KI langsamer vonstattengehen als erwartet, vielleicht sogar, weil sie sich als weniger nützlich erweist als erhofft, würde das eine Neuorientierung des (hauptsächlich in den USA befindlichen) Marktes bedeuten, ganz ähnlich wie nach dem „DeepSeek-Schock“. Es empfiehlt sich also, sich bei dem Thema nicht zu sehr festzulegen.
Überall ein bisschen statt entweder oder
Die Zukunft des US-Dollars: Märkte außerhalb der USA und die KI werden einen nachhaltigen Einfluss auf die Investmentmärkte haben und die Trends der kommenden Jahre prägen. Wer stark in den USA investiert ist, muss darauf hoffen, dass die Dollarschwäche vorübergehend ist, Europa und Asien nicht aus ihrem Schlummer erwachen und die KI die in sie gesetzten Hoffnungen erfüllt. Sollte sich eine oder mehrere dieser Hoffnungen als falsch erweisen, dürfte es zu einer signifikanten Umschichtung von Vermögen weg aus den USA kommen. Ich persönlich gehe davon aus, dass Performancetreiber in der Zukunft breiter aufgestellt sein werden als in der Vergangenheit. Aber die USA und KI abzuschreiben wäre ein Fehler. Investment bedeutet zurzeit nicht „entweder oder“, sondern kann „alles gleichzeitig“ bedeuten und eine gute Balance ist eine sinnvolle Antwort auf die aktuellen Unsicherheiten.
Die Lektion aus diesem ersten Halbjahr muss wohl lauten, dass es kompliziert bleiben wird, Prognosen zu stellen. Vorherzusagen, was kommt und wie die Märkte darauf reagieren werden, ist nahezu ein Ding der Unmöglichkeit. Wäre am Anfang des Jahres klar gewesen, wie aggressiv die Zollpolitik der US-Regierung ausfällt und dass diese auch noch den Iran bombardieren würde, wäre Optimismus wohl schwerlich aufzubringen gewesen. Dass beides passiert ist und Investoren dabei trotzdem gut weggekommen sind, zeigt einmal mehr, dass Optimismus sehr viel lohnenswerter sein kann als Pessimismus. Und dass Mikrofaktoren Makro schlagen, denn trotz aller Unsicherheit bleiben Unternehmen innovativ und finden Wege, weiter zu wachsen. Kein CEO, mit dem wir sprechen, macht sich große Gedanken über Dinge, die er nicht beeinflussen kann. Sie gehen jeden Tag ins Büro, um Gelegenheiten statt Risiken zu finden und das ist eine Einstellung, die sich auch für Investoren lohnt.
Die zweite Hälfte des Jahres wird ohne Zweifel noch weitere Überraschungen bereithalten. Und wie immer werden die Märkte ihren Weg finden und geduldiger Optimismus, gepaart mit ein wenig Risikobereitschaft, wird sich auszahlen.