Jim Caron, Morgan Stanley Investment Management

Warum 2026 positiv überraschen könnte

Potenzial für eine breitere Markt- und Wirtschaftserholung im kommenden Jahr sehen wir aufgrund prozyklischer Fiskal- und Geldpolitik sowie Deregulierung in den USA. Wir bleiben bei US-Aktien übergewichtet, sind in Europa neutral positioniert und bevorzugen High-Yield- vor Investmentgrade-Anleihen.

Im kommenden Jahr besteht aus unserer Sicht Potenzial für eine breitere Erholung sowohl des Marktes als auch der Wirtschaft. Nachdem die Konjunktur 2025 schwächelte, ist die globale Fiskal- und Geldpolitik seitdem entschieden prozyklisch ausgerichtet. Wir sehen daher 2026 Raum für positive Überraschungen.

Die koordinierten politischen Unterstützungsmaßnahmen für US-Aktien dürften dabei eine Rolle spielen. Die fiskalpolitischen Maßnahmen wurden zeitlich deutlich nach vorne gezogen. Ihre Haupteffekte werden voraussichtlich 2026 und teilweise auch 2027 spürbar sein. Derweil bleiben die Investitionsausgaben robust, profitieren weiterhin von beschleunigten Abschreibungen und unterstützen das Wirtschaftswachstum nachhaltig.

Gleichzeitig tendiert die Geldpolitik als Reaktion auf schwächere Arbeitsmärkte in Richtung Lockerung. Die Verbraucher dürften von zusätzlichen Steuersenkungen profitieren, die den privaten Konsum stützen werden – selbst wenn der Arbeitsmarkt Anzeichen einer Schwäche zeigt. Wir gehen jedoch davon aus, dass er sich im Laufe des Jahres 2026 wieder erholen wird.

Deregulierung rückt in den USA in den Fokus

Dann rücken höhere Produktivität und Deregulierung in den Fokus. Da die US-Administration unter Präsident Donald Trump ihre zoll- und steuerpolitischen Maßnahmen weitgehend implementiert hat, verlagert sich der Fokus auf die Deregulierung. Diese wird eine höhere Produktivität durch den privaten Sektor – also die Angebotsseite – fördern und gleichzeitig den weniger produktiven staatlichen Sektor – die Nachfrageseite – verkleinern. Dieser Prozess hat bereits begonnen und wird sich 2026 fortsetzen.

Bei Inflation und Arbeitsmarkt gehen wir davon aus, dass sich beide stabilisieren werden. Die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) betrachtet die Leitzinsen im Rahmen des Phillips-Kurven-Modells, das die Lohninflation mit der Arbeitslosenquote verknüpft. Die Fed schätzt die Arbeitsmärkte aktuell als wenig dynamisch ein, weshalb die Risiken eher in Richtung einer höheren Arbeitslosigkeit tendieren. Das impliziert Abwärtsdruck auf die Inflation, sodass Zinssenkungen trotz einer weiterhin über dem Zielwert liegenden Inflation gerechtfertigt sind. Sollte sich diese Einschätzung als falsch erweisen, müssen die Währungshüter ihre Strategie überdenken.

Schließlich gehen wir davon aus, dass es auf einigen internationalen Märkten wachstumsfördernde Maßnahmen geben wird. Die Zollpolitik der USA hat in Europa Reindustrialisierungsbemühungen ausgelöst - angeführt von Deutschland, das derzeit gemessen am Bruttoinlandsprodukt vergleichbare Ausgaben für fiskalische Konjunkturmaßnahmen tätigt wie zur Zeit der Wiedervereinigung. Der Übergang mag holprig und langsam erscheinen, aber er ist im Gange. Die Sektoren Infrastruktur, Verteidigung und Finanzen dürften davon profitieren, da die Inflation nun unter Kontrolle ist. Die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank dürfte weiterhin unterstützend bleiben.

US-Aktien übergewichtet, neutral in Europa

Wir bleiben bei US-Aktien übergewichtet, wo wir weiterhin mit robustem Wachstum und Rückenwind rechnen. Dabei bevorzugen wir US-Large-Caps in Kombination mit einem selektiven Engagement im Mid-Cap-Bereich. Auch in Europa – wo wir insgesamt neutral positioniert sind – bleiben wir selektiv, sind aber übergewichtet bei Banken aus der Eurozone und Nutznießern der deutschen Fiskalpolitik.

Bei der Duration sind wir leicht untergewichtet. Aus unserer Sicht ist hinsichtlich der Fed-Geldpolitik bereits viel eingepreist. Wir denken jedoch auch, dass die Zinskurve tendenziell steiler werden wird. Wir bevorzugen weiterhin hochverzinsliche Anleihen gegenüber Investment-Grade-Papieren, da wir das Rezessionsrisiko für geringhalten und das Ertragspotenzial schätzen. Bei europäischen Staatsanleihen bleiben wir in den Peripherieländern übergewichtet und in den Kernländern untergewichtet. Unser bevorzugter Sektor im Bereich festverzinslicher Wertpapiere ist der Markt für Mortgage-Backed Securities (MBS), also hypothekenbesicherte Wertpapiere, und hier insbesondere der Non-Agency-Sektor.

Wir halten darüber hinaus einige TIPS, also inflationsgeschützte Wertpapiere, um das Durationsengagement im Portfolio zu diversifizieren. Bei einem Anstieg der Inflation könnten TIPS helfen, die Auswirkungen auf die Renditen von Anleihen abzufedern.

Jim Caron

Jim Caron ist Chief Investment Officer der Portfolio Solutions Group von Morgan Stanley Investment Management. Jim Caron verfügt über 33 Jahre Branchenerfahrung und kam 2006 zu Morgan Stanley. Zuvor war er Portfoliomanager und Leiter der globalen Makrostrategien im Fixed Income Team. Außerdem war er bei Morgan Stanley Research als Global Head of Interest Rates, Foreign Exchange, and Emerging Markets Strategy tätig. In früheren Jahren war er Direktor bei Merrill Lynch, wo er die U.S. Interest Rate Strategy Group leitete. Jim hatte auch verschiedene Positionen im Handel mit Zinsen und Optionsprodukten bei JP Morgan inne. Er erwarb einen B.A. in Physik am Bowdoin College, einen B.S. in Luftfahrttechnik am California Institute of Technology und einen M.B.A. an der New York University.