Felix Herrmann, ARAMEA Asset Management

US-Notenbank unter Druck, EZB wartet ab

Ohne Rücksicht auf Verluste krempelt US-Präsident Donald Trump die USA Tag für Tag weiter um. Zum Beispiel Migrationspolitik: Die Einwanderung – jahrzehntelang wichtiger Treiber des US-Wachstums – kommt quasi zum Stillstand. Wir analysieren in unserem aktuellen Marktkommentar die konjunkturelle Großwetterlage, die unterschiedlichen geldpolitischen Pfade beiderseits des Atlantiks und blicken auf die internationalen Renten- und Aktienmärkte.

Felix Herrmann, ARAMEA AM

Trotz der Tatsache, dass sich die meisten Akteure an die neuen US-Zölle gewöhnt haben, leidet Europas verarbeitendes Gewerbe nach wie vor unter deren Auswirkungen. Ein Lichtblick ist die Dienstleistungsbranche, deren Einkaufsmanagerindex im September auf den höchsten Stand des Jahres stieg. Im Jahr 2026 sollte es insbesondere in Deutschland besser aussehen. Die Fiskalpakete dürften dazu beitragen, dass das Wachstum von 0,3 Prozent auf 1,2 bis 1,4 Prozent steigt.

In den USA ist dagegen mit einem langsameren Wachstum zu rechnen, ohne dass eine Rezession zu erwarten ist. 2026 dürften fallende Zinsen und steigende Staatsausgaben für Rückenwind sorgen.

Während sich die Europäische Zentralbank (EZB) in ruhigem Fahrwasser bewegt, geht es bei der US-Notenbank Federal Reserve (Fed) umso heißer her. Es bestehen weiterhin Sorgen um die Unabhängigkeit der Fed. Die Folge wären Zinsentscheidungen von Trumps Gnaden mit unabsehbaren Auswirkungen für die Märkte. 

Drei weitere Zinssenkungen in diesem Jahr durch die Fed

Noch konzentriert sich Fed-Chef Jerome Powell allerdings auf die Gefahr eines sich abschwächenden Arbeitsmarktes, trotz einer möglicherweise anziehenden Inflation – die Kerninflation liegt derzeit bei rund 3 Prozent. Da die US-Notenbank offenbar von einer weichen Landung der US-Wirtschaft ausgeht, rechnen wir in diesem Jahr mit drei weiteren Leitzinssenkungen.

In der Eurozone sieht es anders aus. Dort liegt das Zinsniveau mit 2 Prozent im neutralen Bereich, die Inflationsrate ist mit ebenfalls 2 Prozent auch in Prognosen solide verankert. Tatsächlich könnte es eher zu einer Zinsanhebung kommen, da steigende Staatsausgaben in vielen Eurostaaten, Fachkräftemangel und demografische Entwicklungen die Inflation anheben könnten.

Anleihen: Moderater Anstieg

Am europäischen Rentenmarkt hat sich bereits seit März die Differenz zwischen langen und kurzen Bundrenditen kaum verändert. Da von der EZB derzeit wenige Impulse zu erwarten sind, dürften diese wohl aus der Fiskalpolitik kommen. Wir erwarten einen Trend zu einer steileren Kurve und rechnen mit einem moderaten Anstieg zehnjähriger Bundzinsen auf 2,9 Prozent in den kommenden sechs Monaten.

Aktien: Chancen in USA und Europa

Der US-Aktienmarkt zeigt insgesamt ein nach wie vor gutes Bild. Gründe dafür sind der Zinssenkungszyklus, Aktienrückkaufprogramme und ein sich beschleunigender KI-Superzyklus. Das Gewinnwachstum der „Magnificent 7“ dürfte sich in den kommenden Quartalen von aktuell 24 Prozent auf circa 10 Prozent bis Ende 2026 abkühlen, während das Wachstum des Rests des S&P 500 deutlich von aktuell 4 Prozent auf 15 Prozent klettern sollte.

Europäische Aktien eröffnen ebenfalls Chancen, da die Bewertungen weitaus niedriger sind als in den USA. 2026 dürfte sich das Gewinnwachstum dank fiskalischem Rückenwind erholen. Industrie und Versorger könnten besonders profitieren, auch Banken sind attraktiv bewertet und profitieren von der anhaltenden Konsolidierung.

Felix Herrmann

Felix Herrmann ist Chefvolkswirt bei ARAMEA Asset Management AG, die zu den größten unabhängigen Asset Managern in Deutschland zählt. Das 32-köpfige ARAMEA-Team verantwortet über 4,8 Milliarden Euro in Publikums- und Spezialfonds sowie in Vermögensverwaltungsmandaten. Der Kundenkreis umfasst Sozialversicherungsträger, Verbände, Stiftungen, Versicherungen, Banken, Unternehmen, kirchliche Einrichtungen und Family Offices.