Rohstoffsouveränität wird Europas nächste große Bewährungsprobe
Europa muss seinen Zugang zu bestimmten Rohstoffen sichern. Dieser Weg ist jedoch mit erheblichen finanziellen, ökologischen und sozialen Kosten verbunden. Ob Europa seine Unabhängigkeit erreichen kann wird davon abhängen, ob es gelingt, den Spagat zwischen Souveränität und der Berücksichtigung ökologischer und sozialer Herausforderungen zu meistern.
Gigantischer Bedarf: Europa unter Zugzwang
Dieses Dilemma zu lösen, ist alles andere als einfach. Die Nachfrage nach Rohstoffen steigt aufgrund des gigantischen Bedarfs in den Bereichen künstliche Intelligenz, Energiewende und Elektrifizierung sowie aufgrund der erneuten Aufrüstung Europas. Für Europa geht es daher vorrangig darum, sich mit Dutzenden Ressourcen wie Lithium, Kobalt, Kupfer und Seltenen Erden zu versorgen, da diese für die Herstellung von Batterien, Solarpaneelen, Rechenzentren und vielen weiteren wichtigen Komponenten unentbehrlich sind. Die Gefahren dieser starken Abhängigkeit werden durch den Handelskrieg noch verschärft. So hat China, das 85 Prozent der weltweiten Vorkommen an Seltenen Erden kontrolliert, jüngst deutlich gemacht, dass es die Versorgung unterbrechen kann, um seine Verhandlungsposition zu stärken. Indes verstärkt die US-Regierung ihren unmittelbaren Einfluss im Sektor kritischer Mineralien. Mit dieser Strategie will sie die nationalen Lieferketten sichern und die Abhängigkeit der USA verringern.
Die Europäische Union, die zwischen den Fronten steht, hat einen Rechtsrahmen zur Stärkung ihrer Souveränität geschaffen und im Jahr 2025 eine Liste von 47 strategischen Projekten auf ihrem Boden veröffentlicht. Diese Projekte werden mit Investitionen von mehr als 22 Milliarden Euro und beschleunigten Verfahren unterstützt, um bis zum Jahr 2030 die Ziele der EU in den Bereichen Recycling, Verarbeitung und Förderung zu erreichen.
Der Spagat zwischen Souveränität und Umweltbelangen
Souveränität anzustreben und zugleich die Auswirkungen der Projekte unter Kontrolle zu halten, ist eine Gratwanderung. Die Bergbauindustrie ist zwar unentbehrlich für die Energiewende, zählt aber auch zu den Sektoren mit der größten Exposition gegenüber ökologischen und sozialen Risiken. Die Akzeptanz der Projekte durch die lokale Bevölkerung ist entscheidend. Einige Unternehmen haben sich dieser zentralen und komplexen Herausforderung angenommen.
So hat Imerys, eine französische Spezialfirma für Mineralienverarbeitung, in Zentralfrankreich das Projekt EMILI ins Leben gerufen, bei dem es um die Gewinnung von lithiumhaltigem Glimmer geht. Das Projekt umfasst sämtliche Schritte der Lithiumverarbeitung – von der Förderung bis zum Bau der Infrastruktur mit Untertagebau, einer Aufbereitungsanlage und einer Eisenbahnplattform. Hierbei handelt es sich um einen langwierigen Prozess, da zahlreiche Genehmigungen erforderlich sind und eine Konsultation zu den Umweltauswirkungen, der Wasserbewirtschaftung und den Gesundheitsrisiken durchgeführt werden muss. Ein weiteres Beispiel ist das Projekt JADAR des britisch-australischen Unternehmens Rio Tinto in Serbien. Mit dem im Jahr 2021 gestarteten Vorhaben zum Abbau eines der größten Lithiumvorkommen Europas sollen bis zu 58.000 Tonnen pro Jahr gefördert werden, die hauptsächlich für den Markt der Elektrofahrzeugbatterien bestimmt sind. Aufgrund des starken Widerstands der lokalen Bevölkerung, die sich um die ökologischen Auswirkungen des Projekts auf Gewässer, landwirtschaftliche Flächen und die Artenvielfalt sorgt, hat die serbische Regierung das Projekt im Jahr 2022 gestoppt und die Abbaugenehmigung von Rio Tinto widerrufen. Obwohl die Nachfrage nach Lithium steigt und der Standort von strategischem Interesse ist, hat die Gruppe jüngst die Aussetzung des Projekts auf unbestimmte Zeit angekündigt, obwohl die Gespräche 2024 wieder aufgenommen wurden. Dies belegt, dass die Akzeptanz der Bevölkerung von grundlegender Bedeutung ist.
Der belgische Chemiekonzern Solvay hat indes kürzlich bekanntgegeben, seine Kapazitäten für die Gewinnung Seltener Erden in La Rochelle in Südfrankreich zu erweitern. Das Ziel besteht darin, bis 2030 30 Prozent des europäischen Bedarfs an Permanentmagneten zu decken. Neben ökologischen Erwägungen spielt hier auch der wirtschaftliche Aspekt eine entscheidende Rolle. Die Unternehmensleitung hat bereits deutlich gemacht, dass diese Ziele nur erreicht werden können, wenn Regierungen und Kunden bereit sind, einen höheren Preis zu akzeptieren, als ihn die Konkurrenz, insbesondere aus China bietet – mit anderen Worten: einen Aufschlag zur Sicherung der Souveränität.
Damit mangelt es nicht an Herausforderungen für die Zukunft Europas. Auch verantwortungsbewusste Anleger müssen jene Unternehmen identifizieren, die sich den aktuellen Herausforderungen stellen und eine solide CSR-Strategie umsetzen.
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