Risiko: Europas Abhängigkeit bei den Seltenen Erden
Seltene Erden sind für zahlreiche moderne Technologien unverzichtbar, beispielsweise für Smartphones, Elektromotoren, Windkraftanlagen oder die Rüstungsindustrie. In den vergangenen Jahrzehnten hat China einen Großteil des Abbaus und der Weiterverarbeitung übernommen und kontrolliert heute rund 70 Prozent der Förderung sowie etwa 90 Prozent der Verarbeitung. China nutzt seine Marktmacht zunehmend geopolitisch, etwa durch Exportkontrollen, die in Europa zu Lieferengpässen, Preissteigerungen und Produktionsausfällen führen. Kurzfristig wird sich daran kaum etwas ändern lassen, mittelfristig kann die Resilienz jedoch durch ein Zusammenspiel verschiedener Maßnahmen gestärkt werden. Hierbei ist es überfällig zu handeln, denn die enorme Abhängigkeit von den Seltenen Erden stellt nicht nur ein wirtschaftliches, sondern auch ein erhebliches sicherheitspolitisches Risiko dar, da die Metalle vielfach im militärischen Bereich verwendet werden.
Nicht so selten, aber umweltschädlich
Seltene Erden sind eine Gruppe von 17 chemischen Elementen, die aus der modernen Industrie nicht mehr wegzudenken sind. Sie werden beispielsweise für die Herstellung von Smartphones, Elektromotoren, Windkraftanlagen, Batterien, medizinischer Technik, Rüstungsgütern, Permanentmagneten und Halbleitern benötigt. Der Name ist dabei irreführend, denn so rar sind die Seltenen Erden nicht. Die begehrten Metalle kommen weltweit in der Erdkruste vor. Häufig ist die Konzentration jedoch nicht hoch genug, als dass sich eine Gewinnung wirtschaftlich lohnen würde und zudem ist der Abbau sehr umweltschädlich. Da sie in den Erzschichten der Erdkruste enthalten sind, müssen sie mithilfe chemischer Verfahren herausgelöst werden. Dabei entstehen radioaktive Isotope und giftige Abwässer als Nebenprodukte.
In den vergangenen Jahrzehnten waren die großen Industrienationen daher froh darüber, dass China diese umweltschädliche Förderung für die globale Industrie übernommen hat. Inzwischen kontrolliert das Reich der Mitte den Markt. Etwa 70 Prozent der Seltenen Erden werden dort abgebaut. Auch die aufwendige Weiterverarbeitung findet mit einem Anteil von rund 90 Prozent vorwiegend in der Volksrepublik statt. Diese Marktmacht verschafft China einen erheblichen geopolitischen Hebel, den Peking zunehmend einsetzt.
China verschärft die Exportkontrollen
Im Zuge des Handelsstreits mit den USA hat China im April Exportkontrollen für Seltene Erden eingeführt und diese im Oktober noch einmal verschärft und ausgeweitet. Das Primärziel Pekings bestand darin, im Vorfeld der Verhandlungen mit den USA das eigene Drohpotenzial zu erhöhen. Die neuen Ausfuhrbestimmungen trafen jedoch auch europäische und deutsche Unternehmen hart. Sie mussten plötzlich nachweisen, wofür sie die Metalle benötigten. Zudem mussten sie lange auf die Exportgenehmigungen der chinesischen Behörden warten. Die Exportkontrollen führten zu Engpässen und Preissteigerungen bei den Seltenen Erden. Die Folge waren Produktionsausfälle und hohe Kosten.
Inzwischen hat Peking die Vorschriften zwar wieder etwas gelockert, doch die Abhängigkeit und die Gefahr, dass China das Angebot jederzeit wieder künstlich verknappen kann, bestehen weiterhin. Zudem bleibt Peking insbesondere bei Ausfuhren für die Nutzung im Verteidigungssektor restriktiv. Dass Seltene Erden für China nicht nur ein Handelsgut, sondern auch ein politisch einsetzbares Machtinstrument sind, zeigte sich bereits 2010. Im Territorialkonflikt mit Tokio um Inseln und die damit verbundenen Hoheitsrechte wurde Japan von der Belieferung mit Seltenen Erden ausgeschlossen.
Deutschland stark abhängig vom Export Seltener Erden
Auch Deutschland ist stark abhängig, 100 Prozent der bei uns verwendeten Seltenen Erden werden aus dem Ausland importiert. Laut offiziellen Angaben stammen dabei zwei Drittel der Einfuhren aus China. In Wirklichkeit dürfte der Anteil jedoch deutlich höher sein, da auch beim übrigen Drittel die Volksrepublik häufig am Anfang der Lieferkette steht. Deutschland ist aufgrund der Kombination aus dem Mangel eigener Vorkommen von Seltenen Erden und einem vergleichsweise großen Industriesektor besonders verwundbar. Bei etwa einem Fünftel der Wertschöpfung im verarbeitenden Gewerbe spielen Seltene Erden eine Rolle. Insbesondere der Fahrzeugbau und die Produktion elektronischer und optischer Erzeugnisse sind stark abhängig. Deutschland ist daher auf einen stabilen Zugang zu Seltenen Erden zu erschwinglichen Preisen angewiesen. Störungen der Verfügbarkeit treffen die gesamte industrielle Kette – vom Mittelstand bis zu den Großkonzernen.
Um künftig nicht erpressbar zu sein, ist es entscheidend, die Abhängigkeiten zu verringern. Auf europäischer Ebene wurde hierzu bereits im vergangenen Jahr der „Critical Raw Materials Act“ (CRMA) verabschiedet. Er gilt für kritische Rohstoffe, zu denen auch die Seltenen Erden zählen. Bis 2030 sollen zehn Prozent des Bedarfs in der Europäischen Union (EU) gedeckt werden. Der Aufbau von Förderung und Verarbeitung ist jedoch ein langwieriger Prozess und kann nicht kurzfristig als Reaktion auf Boykottdrohungen in Konfliktlagen erfolgen. Um die Resilienz kurzfristig zu stärken, erscheint es sinnvoll, ähnlich wie bei anderen Rohstoffen, strategische Reserven aufzubauen. So sind die EU-Mitgliedstaaten beispielsweise dazu angehalten, Ölvorräte für mindestens 90 Tage vorzuhalten. Ähnliches wäre auch bei den Seltenen Erden vorstellbar. Mittelfristig müssen jedoch insbesondere die Partnerschaften mit anderen Lieferländern vertieft werden, um die Importe weiter zu diversifizieren.
Die Hälfte der Reserven an Seltenen Erden liegt nicht in China
Die Hälfte der Reserven an Seltenen Erden liegt außerhalb Chinas, beispielsweise in Brasilien, Indien oder Australien. Die EU hat zuletzt insbesondere mit Kanada und Australien die Verhandlungen über Lieferverpflichtungen intensiviert. Im Rahmen der im Jahr 2020 verabschiedeten Rohstoffstrategie versucht auch Deutschland, die Versorgung der Wirtschaft durch Kooperationsabkommen zu sichern.
Zur Förderung von Projekten zur Gewinnung, Weiterverarbeitung und zum Recycling wurde zudem im Jahr 2024 der Rohstofffonds in Kooperation mit der KfW ins Leben gerufen. Auch Recycling kann zur Verringerung der Abhängigkeiten beitragen. Die EU strebt an, dass bis 2030 25 Prozent des heimischen Bedarfs aus europäischem Recycling stammen. Ob diese Quote erreicht wird, ist fraglich, doch hat das Recycling das Potenzial, langfristig zumindest einen Teil des Bedarfs zu decken. In absehbarer Zeit wird es jedoch nicht ausreichen, um die Importabhängigkeit deutlich zu reduzieren.
Große Abhängigkeit muss reduziert werden
China besitzt bei den Seltenen Erden nahezu ein Monopol und nutzt diese Dominanz bereits als Machtinstrument. Die jüngsten Exportkontrollen haben noch einmal verdeutlicht, wie abhängig Europa und Deutschland in diesem Bereich vom guten Willen Pekings sind. Kurzfristig wird sich daran kaum etwas ändern lassen, mittelfristig kann die Resilienz jedoch durch ein Zusammenspiel verschiedener Maßnahmen gestärkt werden. Hierbei besteht ein enormer Handlungsbedarf, denn die große Abhängigkeit bei den Seltenen Erden stellt nicht nur ein wirtschaftliches, sondern auch ein erhebliches sicherheitspolitisches Risiko dar, da die Metalle vielfach im militärischen Bereich verwendet werden.