Manfred Schmid, Börse München

Panikbremse im Kopf

Was den Anlegern Anfang April geboten wurde, findet in der langen Börsenhistorie wenig vergleichbares. Nachdem es drei Tage an den Börsen der Welt zwischen Korrektur und Crash nach unten ging, wurde der Markt danach geradezu nach oben katapultiert. Die „Schuld“ war so eindeutig der erratischen Zollpolitik Donald Trumps zuzuweisen, dass Stimmen laut wurden, die von Insiderhandel sprachen. Schließlich hatte der US-Präsident nicht lange vor seiner Rücknahme der angedrohten Zölle für zumindest 90 Tage empfohlen, jetzt sei eine günstige Zeit zu kaufen. Ein einzigartiges Ereignis? Es steht zu befürchten, so lange Donald Trump im Amt ist, könnten weitere Überraschungen aufs Börsenparkett kommen. Deshalb bleibt eine große Unsicherheit und damit eine verstärkte Volatilität an den Märkten. Wäre insofern eine Panikbremse im Kopf nicht angemessen?

Manfred Schmid, Börse München

Panikbremse an der Börse greift automatisch

Tatsächlich gibt es eine solche Panikbremse an der Börse in Deutschland bereits seit langer Zeit und in den USA wurde sie 2010 eingeführt. Hintergrund war damals ein sogenannter Flash-Crash, weil aufgrund eines „Bedienungsfehlers“ der Dow-Jones absackte. Er war kurzfristig um fast 1.000 Punkte eingebrochen -  beim Dax scheint das derzeit ja fast schon regelmäßig zu passieren. Fällt eine Aktie in den USA jetzt innerhalb von fünf Minuten um 10 Prozent, wird sie für fünf Minuten vom Handel ausgesetzt. In Deutschland heißt diese Panikbremse offiziell und wenig klangvoll „Volatilitätsunterbrechung“, die dem Schutz des Anlegers dient. Immer wenn ungewöhnlich hohe Auf- oder Abschläge auftreten, wird der Handel in den entsprechenden Produkten für einige Minuten ausgesetzt. Für die Berechnung der Unterbrechung wird sowohl der Vortageskurs als auch der letzte festgestellte Preis mit einbezogen. Im Gegensatz zur SEC-Regel wird die Volatilitätsspanne je nach Aktie individuell festgelegt. 

Panik ausstoppen

Der Anleger kann sich in diesen kurzen Zeiten mit neuen Informationen versorgen und gelegentlich auch tief durchatmen und sich überlegen, ob er wirklich reagieren soll. Als Unterstützung für die Panikbremse im Kopf könnten außerdem Stop-Loss-Orders dienen, die allerdings in hoch volatilen Zeiten ausreichend Luft lassen müssen, damit man nicht vorschnell sein Finanzprodukt los wird. Hier eignet sich als intelligenter Ordertyp eher eine Trailing-Stop-Order, bei der das Stop-Loss automatisch mit der Kursbewegung mitgeht. Der Abstand kann dabei entweder prozentual oder absolut gewählt werden. Eine solche Absicherung mag die Panik im Kopf ein wenig lindern, allerdings bleibt die Problematik, dass bei sehr agilen Märkten die Kurslawine nicht zu stoppen ist, der automatisierte Verkauf also oftmals bei einem deutlich niedrigeren Kurs vollzogen wird, als vorgegeben. Grundsätzlich sollten auch möglichst ungerade Schwellen eingesetzt werden, die diese Automatik etwas ausbremsen.

Chancen nutzen, nicht suchen

Eine „Binsenweisheit“ bleibt denn doch: Versierte Anleger mögen auf diesen kurzfristigen Kursausschlägen nach oben und unten mitsurfen können, aber auch sie werden weder den maximalen Zeitraum zum Verkaufen, noch zum Kaufen treffen. Empfehlungen wie „Buy the Dip“ mögen weit verbreitet sein, wann der Umschwung wirklich kommt, kann jedoch niemand exakt vorausberechnen (auch die Charttechnik nicht). Es erscheint deshalb angemessener – und erfolgsversprechender für das eigene Ego – Rücksetzer als Chancen zu nehmen, ohne panisch das Depot auszukehren, und Gewinne einfach stehen zu lassen, ohne Druck, sie unbedingt mitnehmen zu müssen. Eben die Panikbremse im Kopf ziehen. 

Der Artikel erschien so ähnlich im Nebenwerte-Journal.

Manfred Schmid

Manfred Schmid ist Senior Speicalist Marktsteuerung und hat lange Zeit die Marktsteuerung an der Börse München geleitet, die er dort ab 2003 aufgebaut hat. Der gelernte Bankkaufmann und Sparkassenbetriebswirt begann als Wertpapierhändler der Bayerischen Landesbank und wechselte 1981 an die Frankfurter Börse. Von 1992 bis 2002 war er Börsenmakler an der Börse München. Manfred Schmid ist seit vierzig Jahren im Börsengeschäft an vorderster Front tätig und kam mit allen dort gehandelten Gattungen in Kontakt: Von der Aktie bis zum Terminkontrakt. Alle zwei Wochen ist er bei Börse am Donnerstag aktiv.