Sebastian Wenz, First Private

Merger Arbitrage als Stabilitätsanker in volatilen Marktumfeldern

Anleger sehen sich seit geraumer Zeit mit einer komplexen Marktsituation konfrontiert. Die geopolitischen Spannungen haben sich unter der US-Administration von Präsident Donald Trump weiter verschärft – insbesondere durch dessen erratische Zollankündigungen.

Sebastian Wenz, First Private

Die protektionistische Handelspolitik des US-Präsidenten sorgt für Verunsicherung in den globalen Lieferketten und beeinflusst zunehmend Unternehmensstrategien. Gleichzeitig beobachten die Marktteilnehmer gespannt die Zinspolitik der Federal Reserve (Fed). Inmitten erhöhter Inflation und unsicherer Konjunkturaussichten verfolgt die US-Notenbank eine abwartende, datenabhängige Strategie. Marktteilnehmer erwarten zwar im weiteren Verlauf des Jahres mögliche Zinssenkungen. Die künftige geldpolitische Ausrichtung bleibt jedoch aufgrund der anhaltenden Unsicherheiten bezüglich Inflation, Arbeitsmarkt und globaler Handelskonflikte weiterhin offen.

Chance in turbulenten Zeiten

In diesem volatilen Umfeld gewinnen alternative Anlagestrategien, die nur eine geringe Korrelation zum Gesamtmarkt aufweisen, an Bedeutung. Besonders Merger-Arbitrage-Strategien (M&A) sind eine bewährte Option, bei der Investoren von der Realisierung angekündigter Übernahmen profitieren können – unabhängig von der allgemeinen Marktrichtung.

Der Grundmechanismus ist einfach: Wird ein Übernahmeangebot für ein Unternehmen angekündigt, steigt dessen Aktienkurs in der Regel deutlich an, erreicht jedoch nicht sofort den vollen Angebotspreis. Die verbleibende Differenz, der sogenannte „Deal-Spread“, repräsentiert die vom Markt eingepreiste Unsicherheit über den erfolgreichen Abschluss der Transaktion. M&A-Strategien setzen genau hier an und profitieren vom schrittweisen Schließen dieses Spreads bei erfolgreichen Transaktionen.

Besonders interessant: In Phasen erhöhter Marktvolatilität weiten sich diese Deal-Spreads typischerweise aus. Das bedeutet höhere potenzielle Renditen für Anleger, die im Vorfeld erfolgreiche von scheiternden Deals unterscheiden können. Genau dieses Phänomen – höhere Spreads, die für spezialisierte Strategien attraktive Einstiegsmöglichkeiten bieten – wird durch die aktuelle geopolitische Lage und die makroökonomischen Unsicherheiten begünstigt.

Regionale Verschiebungen im M&A-Markt

Seit der Rückkehr von Präsident Trump ins Amt Anfang 2025 setzen viele Marktteilnehmer darauf, dass sich die regulatorischen Rahmenbedingungen für M&A-Transaktionen in den USA lockern. Insbesondere die jüngsten Entscheidungen der Federal Trade Commission zeigen eine teilweise weniger strenge Haltung bei vertikalen Zusammenschlüssen. Gleichzeitig verfügen Private-Equity-Unternehmen derzeit über erhebliche Kapitalreserven, die sie nach Jahren der Zurückhaltung – Grund war das hohe Zinsniveau – nun zunehmend für Übernahmen einsetzen können. Sollte es zu einer weniger strengen Fusionskontrolle kombiniert mit wirtschaftspolitischen Impulsen kommen, könnte dies den US-amerikanischen M&A-Markt stärken.

Während Nordamerika traditionell dominiert, sehen wir aktuell auch großes Potenzial in M&A-Transaktionen außerhalb des US-Markts. Diese Entwicklung ist einerseits auf die schon gefallenen Zinsen zurückzuführen. Andererseits spiegelt sie die allgemein gestiegene Dynamik in europäischen und asiatischen Märkten wider. So investieren wir im Rahmen unserer M&A-Strategie auch in diesem Jahr bislang vermehrt in Transaktionen außerhalb der USA. Derzeit entfällt mehr als die Hälfte unseres Portfolios auf nicht-US-amerikanische Deals. Diese regionale Streuung hilft, das Portfolio-Risiko besser zu verteilen. Dennoch bleibt der US-Markt auch für unsere Strategie mit Blick auf die nächsten Jahre sehr interessant. Das im August 2025 angekündigte Volumen globaler Übernahmen erreichte den höchsten Monatswert seit vier Jahren.

Künstliche Intelligenz stärkt die Deal-Analyse

Für erfolgreiche Investments im Bereich M&A ist es entscheidend, zwischen vielversprechenden und risikoreichen Deals unterscheiden zu können. Hier spielen moderne Analyseverfahren – insbesondere der Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) und maschinellem Lernen – eine immer größere Rolle. KI-Modelle helfen, komplexe Datenmengen auszuwerten und die Erfolgswahrscheinlichkeit einzelner Deals besser einzuschätzen. Fundierte Modelle berücksichtigen dabei nicht nur Deal-spezifische Informationen wie Übernahmepreis oder geschätzte -dauer. Sie analysieren auch finanzielle Kennzahlen der beteiligten Unternehmen, makroökonomische Faktoren, regulatorische Anforderungen und geopolitische Aspekte. So können Anleger fundiertere Entscheidungen treffen und die Chancen optimal nutzen.

Dynamik trotz wirtschaftlicher Hürden

M&A-Strategien bleiben trotz – oder besser gesagt gerade wegen – der aktuellen Marktherausforderungen vielversprechend. Zwar sorgen geopolitische Spannungen und die Unsicherheit über die künftige Zinspolitik für Marktvolatilität. Gleichzeitig bieten sich aber Chancen für spezialisierte Strategien, die gezielt in aussichtsreiche Deals investieren. Dabei bleibt die Diversifikation über verschiedene Regionen und Sektoren ein entscheidender Faktor. Die jüngsten Entwicklungen zeigen deutlich, dass es sich lohnt, über den Tellerrand des US-M&A-Markts hinauszublicken. Es sind allerdings die passenden Instrumente und die entsprechende Expertise nötig, um erfolgversprechende Deals zu identifizieren und Risiken effektiv zu managen.

Sebastian Wenz

Sebastian Wenz ist Senior Portfolio Manager bei First Private. Als unabhängige, technologieaffine Investment-Boutique fokussiert sich First Private auf das regelbasierte, quantitative Management von Aktien und Liquid Alternatives auf Basis modernster Methoden wie etwa Künstlicher Intelligenz. Ihre innovativen Strategien bietet der Manager über Publikums- und Spezialfonds an. Die FP Gruppe bietet unter den Marken First Private Investment Management und re:cap global investors ag spezialisierte Asset Management Leistungen in den Segmenten Aktien, Multi Asset & Alternatives. Die Gruppe verwaltet schwerpunktmäßig in der DACH-Region ein Volumen von 3,28 Milliarden Euro (Stand 31. Dezember 2024) für institutionelle und private Anleger.