Evan Brown, UBS Asset Management

Meinungswechsel: Kurzfristig dürften US-Aktien outperformen

Die Narrative am Markt können sich schnell ändern. Zu Jahresanfang waren die meisten Investoren noch überzeugt, dass Trumps Steuer- und Deregulierungspläne das Wachstum und die Gewinnaussichten in den USA ankurbeln würden. US-Aktien und der US-Dollar waren in vielen Portfolios im Übergewicht. Mittlerweile wissen wir: Der Konsens lag falsch, und das Narrativ ist zu „USA verkaufen“ geschwenkt.

Aus strategischer Sicht gibt es unserer Meinung nach gute Gründe für Anleger mit einem starken US-Übergewicht, ihr US-Engagement zu reduzieren. Allerdings gibt es Grenzen, wie stark und wie schnell sich Investoren angesichts der Liquidität und der strukturellen Vorteile der US-Märkte diversifizierter aufstellen können oder sollten.

Gründe für ein regional ausgewogeneres Portfolio

Die vergleichsweise hohe Bewertung lässt schon lange eine Underperformance von US-Aktien erwarten, jetzt kommen weitere Argumente hinzu. Die Eindämmung der Immigration wird die Zahl der Arbeitskräfte und das Potenzialwachstum verringern. Zölle sorgen in den USA für einen Angebotsschock, der die Gewinnspannen der Unternehmen schmälern und die Inflation erhöhen dürfte. Das Gewinnwachstum im Technologiesektor bleibt zwar robust, aber es gibt eine Normalisierung gegenüber den globalen Märkten. Zudem sind die Korrelationen zwischen den regionalen Aktienmärkten in den vergangenen Jahren gesunken, und wir denken, sie werden künftig unter dem langfristigen Durchschnitt liegen. Eine stärkere regionale Diversifizierung könnte also die Volatilität im Gesamtportfolio senken und die risikoadjustierten Renditen erhöhen.

Im Anleihebereich kann eine breitere regionale Streuung ebenfalls sinnvoll sein. Die Dynamik der Verschuldung in den USA bereitet zunehmend Sorgen, insbesondere angesichts der geplanten Steuerreform.

Die Grenzen des Themas „USA verkaufen“

Eine schnelle Umschichtung weg von US-Werten hin zu anderen Regionen ist insbesondere für institutionelle Großinvestoren jedoch nicht problemlos umzusetzen. Die US-Aktien- und Anleihemärkte überzeugen nicht nur durch hohe Transparenz, Rechtssicherheit und gute Corporate Governance, sondern auch durch ihre Größe und Liquidität. So ist der gesamte EU-Aktienmarkt nur knapp halb so groß wie der US-Markt, und die Emerging Markets sind noch kleiner.

Kurzfristige US-Outperformance für strategische Umschichtungen nutzen

So sehr man das ‚USA verkaufen‘-Thema mittelfristig auch befürworten mag, kurzfristig auf Sicht von drei bis sechs Monaten erwarten wir eine Outperformance von US-Aktien. Die Gründe: Laut Bank of America Global Fund Manager Survey sind Fondsmanager derzeit stark in US-Aktien untergewichtet. Eine Verbesserung der wirtschaftlichen Daten in den USA könnte die Stimmung schnell wieder umschlagen lassen. Hinzu kommen robuste Fundamentaldaten bei den Unternehmensgewinnen, und der schwächere US-Dollar verleiht international tätigen US-Konzernen Rückenwind.

Wir haben daher taktisch US-Aktien aufgestockt und europäische Titel ins Untergewicht herabgestuft. Die diesjährige Outperformance spiegelt den verbesserten gesamtwirtschaftlichen Ausblick in Europa bereits wider, und ein erstarkter Euro bedeutet Gegenwind fürs Wachstum. Sollte die Outperformance der US-Aktien wie erwartet eintreffen, wäre dies eine gute Möglichkeit für Investoren mit starkem US-Übergewicht, ihre strategische Asset Allokation ausgewogener aufzustellen.

Evan Brown

Evan Brown ist Leiter Multi-Asset-Strategy bei UBS Asset Management (UBS-AM). UBS ist ein führender und globaler Wealth Manager sowie die führende Universalbank in der Schweiz. Sie verfügt zudem über ein diversifiziertes Angebot im Asset-Management und fokussierte Kapazitäten im Investment-Banking. Nach der Akquisition von Credit Suisse belaufen sich die von UBS verwalteten Vermögen per Ende drittes Quartal 2024 auf 6,2 Billionen US-Dollar.