Fitch-Downgrade: Frankreich rutscht in die Peripherie der Eurozone
Die Ratingagentur Fitch begründete diese Entscheidung mit einem anhaltenden Defizit, einer Staatsverschuldung von bereits 114 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP), die bis 2034 voraussichtlich 132 Prozent erreichen wird, sowie mit chronischer politischer Instabilität. Damit nähert sich Frankreich den Kennzahlen Italiens, das eine Staatsverschuldung von 135 Prozent erwartet, während es sich von Volkswirtschaften wie Spanien und Belgien entfernt, deren Entwicklung stabiler erscheint. Diese Herabstufung bedeutet keine unmittelbare Krise für Frankreich, bestätigt jedoch die Wahrnehmung einer relativen Schwäche.
Die Herabstufung erklärt sich auch durch die anhaltende Verschlechterung der Haushaltslage. Seit 2017 sind die Steuereinnahmen um 1,6 Prozentpunkte des BIP bei den privaten Haushalten und um 0,8 Prozentpunkte bei den Unternehmen gesunken, ohne dass die öffentlichen Ausgaben entsprechend reduziert wurden. Die Staatsausgaben bleiben hoch und entsprechen 57 Prozent des BIP im Vergleich zu einem Durchschnitt von 50 Prozent im Euroraum – ein Niveau vergleichbar mit 2017, nachdem sie während der Pandemie ihren Höchststand erreicht hatten. Das Primärdefizit bleibt unterhalb der Schwelle, die für eine Stabilisierung der Schulden erforderlich wäre. Eine Analyse des Ausgabenüberschusses im Vergleich zum Rest des Euroraums (7 Prozentpunkte des BIP) zeigt, dass der größte Teil aus dem Rentensystem (2,2 Prozentpunkte) und dem Gesundheitswesen (1,5 Prozentpunkte) stammt.
Eine Sanktion, die mit der politischen Krise andauert
Das Problem liegt darin, dass diese Sanktion offenbar anhalten wird. Nach dem Sturz der Bayrou-Regierung und der Ernennung von Sébastien Lecornu hält die Blockade im Parlament an. Ohne eine stabile Mehrheit erscheint eine Auflösung der Nationalversammlung zunehmend unausweichlich. Die Unfähigkeit, einen glaubwürdigen Konsens über den Haushalt zu erzielen, verstärkt die Vorstellung, dass Frankreich so bald nicht auf einen klaren Konsolidierungskurs zurückkehren wird. Diese institutionellen Schwächen verstärken die Wahrnehmung Frankreichs als Randland innerhalb der Eurozone und nicht als halbwegs zentrale Säule.
Zinsen steigen, bleiben aber begrenzt
Die Anleihemärkte spiegeln diese Herabstufung wider, ohne in größere Unruhe zu geraten. Die Rendite zehnjähriger französischer Staatsanleihen (OATs) liegt mit rund 3,5 Prozent leicht über der von Griechenland und nahe der von Italien. Der Anstieg der Finanzierungskosten reflektiert eine höhere Risikoprämie, liegt jedoch deutlich unter den Niveaus während der Staatsschuldenkrise. Französische Schuldtitel gelten bei den meisten Anlegern weiterhin als qualitativ hochwertig.
Die auffälligste Entwicklung betrifft nicht die Rendite zehnjähriger Anleihen, sondern die Spreadausweitung bei 30-jährigen Anleihen, die eine steilere Kurve widerspiegelt – oft ein Signal für Inflationssorgen. Die langfristigen Erwartungen sind jedoch stabil geblieben. Diese Bewegung spiegelt vor allem technische Faktoren wider: eine strukturell sinkende Nachfrage von Pensionsfonds und Versicherern, demografische Dynamiken mit geringerem Bedarf an sehr langfristigen Papieren sowie eine Marktsättigung durch Staatsanleihen. Anleger tendieren zu sogenannten Steepener-Trades, bei denen sie auf die Spreads zwischen fünfjährigen und 30-jährigen Anleiherenditen setzen. Dabei berücksichtigen sie diese technischen Faktoren, die sämtliche Staatsanleihen betreffen (USA, UK, Deutschland), und äußern gleichzeitig Zweifel an Frankreichs fiskalischem Kurs. In einem Umfeld, in dem sichere Häfen unter Druck stehen, verlagern sich die Kapitalströme in Richtung Gold und sogar in Richtung Investment-Grade-Credit, das trotz historisch niedriger Spreads weiterhin gefragt ist.
Tatsächlich findet derzeit eine bedeutende Verschiebung in der Hierarchie des Anleihemarktes statt: Mehrere große französische Konzerne, darunter LVMH, Airbus, L’Oréal und Axa, nehmen derzeit Kredite zu niedrigeren Zinssätzen als der Staat auf. Dieser Kontrast verdeutlicht sowohl das Vertrauen in diese Unternehmen als auch den Druck auf die Staatsverschuldung, der durch das enorme Volumen der ausgegebenen Staatsanleihen und das damit einhergehende Überangebot entsteht.
Punkte für die Resilienz
Dieses Bild muss jedoch relativiert werden. Frankreich verfügt über mehrere Stärken: eine nahezu ausgeglichene Leistungsbilanz, im Gegensatz zu den massiven Defiziten von Griechenland und Spanien vor 2008; eine hohe Sparquote der privaten Haushalte von 19 Prozent, die eine solide inländische Basis bildet; eine niedrigere Inflation als in den Nachbarländern; sowie das Sicherheitsnetz der Europäischen Zentralbank (EZB) in Form des Transmission Protection Instruments (TPI), das eine übermäßige Fragmentierung des Euroraums verhindern soll.
Zudem bleibt das Risiko einer Ansteckung auf den Rest des Euroraums sehr begrenzt. Frankreichs Problem ist in erster Linie politischer, nicht finanzieller Natur: Frankreich ist kein bankrotter Staat, der seine Nachbarn mitreißen könnte. Selbst bei einem Sieg des Rassemblement National wären die Auswirkungen begrenzt, da eine absolute Mehrheit unwahrscheinlich ist und europäische Schutzmechanismen greifen würden. Das italienische Beispiel zeigt, dass Spreads trotz einer als radikal wahrgenommenen Regierung geordnet bleiben können. Schließlich dürfte schon die bloße Erwähnung des ESM durch die EZB genügen, um übermäßige Spannungen bei den Spreads zu dämpfen.
Ein Übergang zu einer dauerhaften Risikoprämie
Die Ratingagentur Fitch schätzt, dass das Defizit bis 2027 bei über 5 Prozent des BIP liegen wird. Eine Konsolidierung kann daher erst nach der Präsidentschaftswahl in Angriff genommen werden. Diese Entwicklung ist von den Märkten bereits weitgehend eingepreist. Damit verliert Frankreich seinen Status als halbwegs zentrale Säule und wird nun als peripherer Staat im Euroraum betrachtet. Allerdings betritt es keine Krisenzone. Die höhere Risikoprämie stellt die neue Normalität dar, die von Anlegern absorbiert wird – in einem Umfeld, in dem Kreditmärkte und alternative Anlagen weiterhin massive Kapitalzuflüsse verzeichnen. Künftig dürfte vielmehr das Risiko einer erneuten Parlamentsauflösung auf der französischen Verschuldung lasten.