Kapitalmarktausblick 2026: Globale Liquidität steuert auf ihren Höhepunkt zu
Steigende globale Liquidität
Die Basis für einen Ausblick auf die globalen Finanzmärkte im Jahr 2026 liefert eine Analyse der Liquiditätsflüsse: Die anhaltend hohe Geldschöpfung im Bankensystem und die massiven Liquiditätsspritzen der chinesischen Zentralbank (People’s Bank of China, PBoC) sorgen für eine steigende globale Liquidität. Diese stützt zunächst die Aktien- und Kreditmärkte. Richtung Jahresmitte könnte der Liquiditätszyklus jedoch seinen Höhepunkt erreicht haben, womit die Risiken für die Kapitalmärkte zunehmen.
Fed reduziert Bankreserven
In den USA reduziert die Notenbank Federal Reserve (Fed) dennoch die Bankreserven, um die Auswirkungen der jüngsten Zinssenkungen abzumildern und die Inflationsgefahr zu verringern. Zu stark sinkende Bankreserven haben in der Vergangenheit mit einer Verzögerung von ein bis drei Monaten zu temporären Turbulenzen an den Geld- und Aktienmärkten in den USA geführt. Schwächere Bitcoin-Kurse und immer häufigere Ausschläge der Spreads zwischen den SOFR-Geldmarktzinsen und Fed-Funds-Zinsen sind hier erste Warnsignale.
Die Fed hat die Warnsignale erkannt und angekündigt, ihren Anleihebestand um 200 bis 350 Milliarden US-Dollar aufzustocken und das Quantitative-Tightening-Programm (QT) zu beenden. Dieses „Mini-Quantitative Easing“ dürfte dem Rückgang der Bankreserven entgegenwirken. Die Maßnahmen reichen in den kommenden Monaten aber wahrscheinlich nicht aus, um den Reserve-Engpass im US-Bankensystem vollständig aufzulösen. Immerhin wirkt die massive Emission von „geldähnlichen“ T-Bills in den USA liquiditätssteigernd. Insgesamt fließt damit viel neues Geld von der Notenbank über die Geschäftsbanken in das Finanzsystem.
Liquiditätszyklus könnte Höhepunkt erreichen
Der Liquiditätszyklus könnte aber in der ersten Jahreshälfte 2026 seinen Höhepunkt erreichen und danach nach unten drehen. Das liegt daran, dass während der Corona-Pandemie aufgrund der niedrigen Zinsen sehr viele Unternehmensanleihen ausgegeben wurden, die jetzt zur Refinanzierung anstehen. Diese benötigt als Katalysator temporär Liquidität aus dem Markt. Die anstehende Refinanzierungswelle, auch „Debt Maturity Wall“ genannt, kann für die Aktienmärkte durchaus ein Risiko darstellen. Ebenfalls von der Refinanzierungswelle betroffen sind rund zehn Billionen US-Dollar in US-Staatsanleihen – vor allem T-Bills. Daher dürfte die Fed bei einem zu starken Liquiditätsengpass eingreifen, um das Schlimmste zu verhindern.
Insgesamt bleibt das globale Liquiditätsumfeld bis weit in das nächste Jahr hinein noch positiv für Risikoanlagen. Die erwähnten stark rückläufigen Bankreserven beziehungsweise die abnehmende Fed-Liquidität in den USA könnten trotzdem in den kommenden Wochen für temporäre Turbulenzen an den Börsen sorgen. Es ist zwar mit einer global soliden Konjunktur zu rechnen, aber kurzfristig nur mit beschränktem Aufwärtspotenzial an den Aktien- und Kreditmärkten, bis die Fed ihre Geldschleusen wieder voll öffnet.
US-Finanzminister Scott Bessent und der von Präsident Donald Trump kürzlich neu nominierte Fed Governor Steven Miran könnten durchaus an vorübergehend schwächeren Aktienmärkten interessiert sein, um dadurch einen Kapitalabfluss von den Aktienmärkten in die Realwirtschaft zu ermöglichen und der Fed Spielraum für massive Zinssenkungen und Liquiditätsspritzen zu eröffnen. Das würde auch die Aktien- und Kreditmärkte wieder stabilisieren.
Aufwärtsdruck bei Inflation und Zinsen
Angesichts der weiterhin soliden oder zumindest stabilen globalen Konjunkturentwicklung bei gleichzeitig hohen Staatsausgaben und steigender Liquidität besteht tendenziell Aufwärtsdruck bei der Inflation und den Zinsen für langfristige Staatsanleihen – das gilt sowohl in den USA als auch in Europa. Sowohl der stark gestiegene Goldpreis als auch die zwischenzeitliche Rally des Bitcoin-Kurses sind diesbezüglich erste Warnsignale.
Ein wieder schwächerer US-Dollar bleibt ein aussagekräftiger Indikator für einen möglichen Kapitalabfluss aus den USA und damit die Auflösung des „Yen-Carry-Trades“. Letzteres würde die globale Liquidität zusätzlich verringern – und nach Japan leiten –, was für die Aktien- und Kreditmärkte potenziell gefährlich wäre.
Markt für Wandelanleihen in beständiger Erneuerung
Wandelanleihen (CBs) haben 2025 zweistellige Renditen erzielt, das Gewinnwachstumspotenzial der Emittenten ist aber im Vergleich zum breiten Aktienmarkt noch immer deutlich unterbewertet. Dabei bedeuten umfangreiche Neuemissionen einen sich kontinuierlich erneuernden Markt. CBs bieten so auch im kommenden Jahr die Möglichkeit, an aktuellen Wachstumstreibern wie dem KI-Boom teilzuhaben. Dank ihres Volatilitätspuffers bleiben sie ein attraktiver Mittelweg für Anleger.
Attraktive Renditen bei Investment-Grade-Anleihen
Investment-Grade-Anleihen befinden sich in einem konstruktiven Zins- und Inflationsumfeld. Die Gesamtrenditen sind im historischen Vergleich sehr attraktiv. Zugleich ist die Qualität der Kredite robust, hohe Profitabilität, moderate Verschuldung und disziplinierte Kapitalallokation tragen dazu bei. Zudem dürften 2026 aufgrund des massiven globalen Ausbaus von Rechenzentren und KI-Infrastruktur mehr Neuemissionen zu erwarten sein, da dieser für einen sehr hohen Finanzierungsbedarf sorgt. Das Neuemissionsvolumen trifft allerdings auf eine stabile Nachfrage.
High-Yield-Anleihen überzeugen mit niedrigen Ausfallraten
Der globale High-Yield-Markt wird ebenfalls von einem positiven makroökonomischen Umfeld gestützt. Wir erwarten für 2026 attraktive Gesamtrenditen im Bereich von 6–8 Prozent, da Fundamentaldaten und geringe Ausfallraten überzeugen können. Faire Bewertungen spiegeln diese Daten. Für Emittenten mit niedriger Qualität könnte aufgrund des vergleichsweise hohen Zinsniveaus aber eine Refinanzierung schwieriger werden.
Unternehmensanleihen aus Schwellenländern profitieren von veränderter Weltlage
Unternehmensanleihen aus Schwellenländern dürften auch 2026 von der veränderten Lage profitieren, dass es einen Trend zur Abkehr vom „US-Exzeptionalismus“ gibt. Mit einem Wirtschaftswachstum von durchschnittlich 4,0 Prozent laut Internationalem Währungsfonds liegen die Emerging Markets weit vor den Industrieländern mit 1,6 Prozent. Die Emittenten weisen darüber hinaus über alle Ratingsegmente bessere Kreditkennzahlen und eine deutlich geringere Nettoverschuldung als ihre US-Wettbewerber aus. Unsere Renditeerwartungen für EM-Unternehmensanleihen liegen daher im mittleren einstelligen Bereich, Selektion bleibt hier aber besonders entscheidend.
Schweizer-Franken-Anleihen als Stabilitätsanker in unsicheren Zeiten
Die Schweiz bleibt global gesehen ein Sonderfall mit starker Währung, niedriger Inflation und defensivem Wachstum. Die Exportnachfrage ist schwach, der Binnenmarkt aber robust. Aufgrund der niedrigen Inflation und des robusten Frankens sehen wir die erhöhte Gefahr einer Deflation, rechnen aber nicht mit Negativzinsen durch die Schweizer Nationalbank. Laufzeiten von drei bis zwölf Jahren erscheinen für Anleihen attraktiv, defensive Sektoren sollten bevorzugt werden. Das Emissionsvolumen dürfte auch 2026 – wie schon 2025 – hoch bleiben.