Dr. Heinz-Werner Rapp, FERI Institut

Im Vorfeld der COP30: Klima-Kipppunkte bedrohen auch das Finanzsystem

UN-Klimakonferenz COP30 in Brasilien mit großer Zukunftsverantwortung; Klima-Kipppunkte können sich negativ auf Banken- und Finanzsystem auswirken, Marktteilnehmer sollten deshalb drohende Konsequenzen der Erderwärmung beachten. Neue Metriken zur Erfassung und Bewertung dynamischer Klimarisiken sind erforderlich.

Dr. Heinz-Werner Rapp, FERI Institut

In wenigen Tagen beginnt die diesjährige Weltklimakonferenz COP30 im brasilianischen Belém. Die letztjährige Konferenz in Baku war stark von den Interessen erdölproduzierender Länder geprägt und hat nur wenig konkrete Ergebnisse im Kampf gegen den Klimawandel erbracht. Gleichzeitig beschleunigt und verschärft sich der Prozess der globalen Erwärmung: Sogenannte Klima-Kipppunkte rücken bedrohlich näher. Beim Überschreiten kritischer Temperatur-Schwellenwerte, der sogenannten Climate Tipping Points, gehen Kippelemente, essentielle Teilsysteme des Erdklimas, abrupt und meist unumkehrbar in einen neuen Zustand über. Diese Dynamik hat sehr konkrete Konsequenzen – und zwar nicht nur für menschliche Lebensräume und die planetare Stabilität, sondern auch für Wirtschaft, Gesellschaft und Finanzsystem. Wir haben mit dem Cognitive Finance Institute jüngst eine umfassende und breit abgestützte Analyse zur Problematik der Klima-Kipppunkte veröffentlicht.

Neubewertung von steigenden Klimarisiken

Eine überfällige und sich in Teilbereichen bereits abzeichnende Neubewertung schnell steigender Klimarisiken, also ein Repricing of Risk, könnte wichtige Bereiche des globalen Banken- und Kreditsystems akut unter Druck setzen. Hier gibt es derzeit noch einen „Blind Spot“: Auch wenn die zunehmenden Klimarisiken grundsätzlich bekannt sind, werden viele Folgekosten an den Kapitalmärkten weitgehend ausgeblendet oder stark unterschätzt – ein kurzsichtiger Fehler mit langfristigen Folgen.

Finanz- und Systemrisiken stärker beachten

Mit Blick auf die COP30 fordern wir ein Umdenken der dort vertretenen Entscheidungsträger – insbesondere eine explizite Berücksichtigung drohender Kipppunkte und Kippkaskaden im globalen Klimasystem. Politik und
Öffentlichkeit sollten akut näher rückende Klimarisiken anerkennen und gezielt die Klimaresilienz stärken. Auch Kapitalmarktakteure sollten die direkte Verbindung zwischen rapide ansteigenden Klimaschäden und davon ausgehenden Finanz- und Systemrisiken wahrnehmen und konsequent einpreisen. Erste Schritte in diese Richtung sind bereits erkennbar: In Teilen des globalen Finanzsystems beginnt eine veränderte Risikowahrnehmung. Treiber sind große Versicherungen, aber auch Zentralbanken und andere Aufsichts- oder Regulierungsbehörden. Primär gehe es um die Integration sinnvoller Metriken zur Erfassung und Bewertung steigender Klimarisiken – etwa nach dem Konzept der „Planetary Solvency“. Solche Ansätze befänden sich derzeit aber noch in einem frühen Stadium. Nötig sind vor allem präzise Klimadaten sowie Modelle zur ‚Umrechnung‘ dynamischer Klimaeffekte in potentielle Finanzrisiken. Dies gilt ganz besonders für schnell eskalierende Risikokaskaden, die durch die Dynamik der Climate Tipping Points immer wahrscheinlicher werden.

Die Studie „Climate Tipping Points – Das Umkippen essentieller Klimasysteme als globales Risiko“ der Bad Homburger Denkfabrik der FERI-Gruppe gibt Investoren und Unternehmern tiefe Einblicke in die zugrundeliegende
Problematik und unterstützt bei der Analyse und Bewertung künftiger Herausforderungen. Die Studie steht zum Download zur Verfügung im Content Center.

Heinz-Werner Rapp

Dr. Heinz-Werner Rapp ist Gründer und Leiter des FERI Cognitive Finance Institute, einem strategischen Forschungszentrum und kreativer Denkfabrik der FERI Gruppe, mit Fokus auf innovative Analysen und langfristige Aspekte von Wirtschafts- und Kapitalmarktforschung. Die Analysen des Instituts werden regelmäßig publiziert und fließen in die vom CIO der FERI Gruppe, Dr. Marcel V. Lähn, verantwortete Multi Asset-Strategie ein. Dr. Heinz-Werner Rapp war bis 2023 langjähriger Vorstand und CIO der FERI Gruppe, für die er insgesamt seit 1995 tätig ist. Rapp hat an der Universität Mannheim Wirtschaftswissenschaften studiert und über psychologisch geprägtes Anlegerverhalten („Behavioral Finance“) promoviert. Er beschäftigt sich seit Jahren mit alternativen Kapitalmarktmodellen und hat maßgebliche Grundlagen der „Cognitive Finance“-Theorie entwickelt. FERI ist bereits seit 1987 als unabhängiges Investmenthaus tätig mit den Schwerpunkten Investment Research, Investment Management und Investment Consulting. Der Name FERI steht für „Financial & Economic Research International“.