Handelskrieg mit den USA: Chance für Peking – Risiko für Trump

Zölle, Gegenzölle und verhärtete Fronten auf beiden Seiten ohne Aussicht auf baldige Besserung: Das ist der Stand der Beziehungen zwischen den USA und China. US-Präsident Donald Trump hat die Märkte zum Beben gebracht, aber wie groß ist der Schaden wirklich? Zumindest für China nicht so groß, wie man meinen könnte. Denn auch wenn bereits einige Staaten Gespräche mit den USA angekündigt haben, scheint die chinesische Regierung nicht an Verhandlungen interessiert.
Dafür gibt es zwei Gründe. Der eine – und er sollte nicht unterschätzt werden – ist der mögliche Gesichtsverlust, wenn die chinesische Regierung dem Druck der USA nachgibt. Im Ringen um die globale Vorherrschaft würde schon der Einstieg in Verhandlungen mit den USA für China einen herben Rückschlag bedeuten. Aber der andere Grund, warum das Land offenbar kein Interesse an Verhandlungen hat – und sogar massive Gegenzölle auf Waren aus den USA erhebt – ist wirtschaftlicher Natur. Während die USA viel zu verlieren haben, hat China einiges zu gewinnen, auch weil der Anteil der Exporte in die USA bei gerade noch 15 Prozent liegt.
Insbesondere da, wo die USA sich von den Schwellenländern abwenden, könnte China eine Lücke füllen. Gespräche mit Staaten wie Vietnam, Thailand und Malaysia stehen ebenso auf der Agenda von Chinas Staatsführer Xi Jinping wie solche mit den langfristigen Rivalen Japan und Südkorea. Eine derartige Gelegenheit, neue Verbündete und vor allem Marktanteile zu gewinnen, bietet sich nur selten. Auch die Zusammenarbeit mit der Europäischen Union (EU) soll ausgeweitet werden, ebenso die Handels-, Investitions- und Industriekooperation. Sogar von den Zöllen auf chinesische E-Autos könnte die EU abrücken und stattdessen Mindestpreise festlegen.
Binnenkonjunktur wird in China zur Priorität
Im Inland sucht die chinesische Regierung ebenfalls gezielt nach Möglichkeiten, die Wirtschaft zu stärken. Diskutiert wird ein Konjunkturprogramm für Infrastruktur und Konsum, Steuererleichterungen sind ebenfalls wahrscheinlich.
China wird wahrscheinlich die Gelegenheit nutzen, um zu einem konsumorientierten Wachstumsmodell überzugehen. Der Zeitpunkt wäre für die Regierung günstig, kämen die fiskalischen Kräfte doch im Angesicht der Bedrohung durch eine „ausländische Macht“ – und nicht etwa vergangener Verfehlungen der Verantwortlichen – zum Einsatz.
Der wichtigste Grundsatz lautet dabei: „Invest in people to boost consumption“ – „In Menschen investieren, um den Konsum zu stärken“, wie es chinesische Staatsmedien ausdrücken. Die Hoffnung liegt auf einem Ausbau des Dienstleistungssektors und anderer arbeitsintensiver Branchen. Außerdem soll der Bildungssektor besser gefördert werden, um den einheimischen Talent-Pool zu stärken. Verstärkter Binnenkonsum dürften auch gegen die Überkapazitäten der chinesischen Industrie helfen, ebenso wie eine gezielte Abwertung des Yuan.
Und die chinesische Industrie verfügt über attraktive Exportprodukte. Die Autoindustrie ist in der Lage, hochwertige Fahrzeuge zu angemessenen Preisen zu produzieren. Im Technologiesektor machen immer wieder Unternehmen von sich reden, wie zuletzt das Startup DeepSeek. Was diesen Sektor angeht, kann China bereits einen ersten kleinen Erfolg verbuchen. Denn die US-Regierung hat auf Druck amerikanischer Technologieunternehmen, darunter Apple und Nvidia, beschlossen, wichtige Elektronikprodukte von den Sonderzöllen auf Importe aus China und anderen Ländern auszunehmen.
Xi kann auf Zeit spielen
Zugleich kann Chinas Präsident Xi Jinping nicht abgewählt werden – anders als Donald Trump und die 435 Mitglieder des Repräsentantenhauses sowie 33 der 100 Senatoren, deren Sitze bei den „midterm elections“, den Zwischenwahlen während der Halbzeit einer Präsidentschaft, in den USA zur Disposition stehen.
Zwar plant Trump auch umfassende Steuererleichterungen, die seine Zustimmungswerte heben könnten. Deren Umsetzung wird aber eine Weile dauern. Aber sollte sich der radikale Kurs von Trump nicht bis zum 3. November 2026 deutlich ausgezahlt haben, könnte er zu einer „lame duck“, einer lahmen Ente ohne Unterstützung durch die Legislative werden. Sollte China dann noch seine Trümpfe – Abwertung des Yuan, neue Allianzen, Stärkung des Binnenmarktes – schon vorher ausspielen können, würde das einen klaren Sieg in diesem Ringen bedeuten. Darauf angewiesen sind die Chinesen allerdings nicht. Schon eine Niederlage in den „midterms“ für Trump würde für sie einen Vorteil bedeuten.
Für Investoren bleibt China in jedem Fall trotz allem nach wie vor interessant. Wir gehen davon aus, dass die Verwerfungen anhalten und womöglich noch größer werden. Aber China hat bereits in der Vergangenheit seine Resilienz gezeigt. Ein Handelskrieg ist zwar unangenehm, aber in die Knie zwingen wird Trump das Reich der Mitte nicht.