Frankreich: Die Auflösung rückt näher
Die äußerst heftigen Reaktionen auf die Vorstellung des Regierungsteams gestern Abend, sowohl aus der Opposition als auch aus den Reihen der eigenen Basis, ließen Sébastien Lecornu kaum eine Wahl, und nun richtet sich die Aufmerksamkeit auf Emmanuel Macron. Dieser überraschte viele, als er einen seiner engen Berater zum Nachfolger von Francois Bayrou ernannte – während viele ein Signal der Öffnung gegenüber anderen Parteien erwartet hatten. Nun scheinen seine Optionen stark eingeschränkt.
Auflösung der Versammlung wird wahrscheinlicher
Obwohl er sich bislang sträubt, könnte der Präsident in den kommenden Tagen gezwungen sein, eine neue Auflösung anzukündigen. Dies würde den Aufwärtsdruck auf die französischen Zinsen verstärken und die Underperformance des CAC 40 verschärfen, mit erheblichen Risiken, dass sich die Spannungen auf andere Anlageklassen wie französische Banken, den Euro oder Peripherie-Spreads ausweiten. Angesichts der Unfähigkeit, mit den derzeit im Parlament vertretenen Kräften einen Kompromiss zu finden, erscheint dieses Szenario zunehmend wahrscheinlich. Die Verhandlungen der vergangenen Wochen haben bestätigt, dass die Sozialisten nur dann bereit wären, die Regierung zu stützen, wenn es erhebliche Zugeständnisse bei der Besteuerung der Reichsten oder bei der Rentenpolitik gäbe. Ihr Vorsitzender Olivier Faure erklärte heute Morgen, dass ein Stopp der Rentenreform Voraussetzung sei, damit seine Partei nicht für ein Misstrauensvotum stimmt. Für Emmanuel Macron ist es jedoch schwierig, auf eine der wenigen strukturellen Reformen seiner Amtszeit zu verzichten – zumal ein Rückschritt hier nicht nur die Republikaner aus der Regierung treiben könnte, sondern vor allem das Vertrauen der Finanzmärkte untergraben würde. Auf der anderen Seite des politischen Spektrums bleibt der Rassemblement National (RN) unnachgiebig in seiner Haltung einer quasi automatischen Missbilligung, bis der Präsident der Auflösung der Versammlung zustimmt – ein Ergebnis, das zunehmend unvermeidlich erscheint.
Politisches Feld ist stark gespalten
Die Partei von Marine Le Pen zeigt sich im Falle von Neuwahlen selbstbewusst, gestützt auf die IFOP-Umfrage der vergangenen Woche, die sie mit fast 35 Prozent der Stimmen deutlich in Führung sieht. Dahinter ist das politische Feld tief zersplittert – sowohl im zentristischen Lager, wo einzelne Parteien mit eigenen Kandidaten antreten dürften, als auch auf der Linken, wo eine Zusammenarbeit zwischen den Sozialdemokraten um Raphaël Glucksmann und La France Insoumise völlig ausgeschlossen ist. Diese Spaltungen könnten dem RN erheblich zugutekommen, indem er seine Wählerstärke im zweiten Wahlgang leichter in Sitze ummünzt – zumal die republikanische Sperrminorität für viele Politikerinnen keine Selbstverständlichkeit mehr ist. Die Wahrscheinlichkeit einer Machtübernahme durch den RN wirkt daher relativ hoch. Dies würde wohl zu einer deutlichen Ausweitung der französischen Spreads führen, angesichts der Gefahr einer weiteren Verschlechterung der Haushaltslage, falls die Partei tatsächlich versucht, ihr Programm umzusetzen. Gleichwohl ist es wahrscheinlich, dass der RN keine absolute Mehrheit erringt und gezwungen wäre, mit Kräften aus der Mitte-Rechts-Partei zu koalieren – was einige Investorinnen beruhigen und die Auswirkungen auf französische Vermögenswerte abmildern könnte.
Linker Premier oder technisches Kabinett?
Falls Macron dennoch versucht, das Gespenst einer Auflösung abzuwenden, scheinen zwei weitere Szenarien denkbar. Erstens könnte er eine/n Premierminister/in mit Nähe zur Linken ernennen, dessen Handlungsspielraum zwar äußerst begrenzt wäre, die jedoch eher auf das Entgegenkommen der Sozialisten hoffen könnte. In diesem Fall wären die Konsolidierungsanstrengungen im Haushalt minimal, aber die Finanzmärkte könnten das Glas als halb voll betrachten und sich damit zufriedengeben, dass sich das Defizit nicht verschärft. Dieses Szenario würde den OAT-Bund-Spread zwar über dem historischen Durchschnitt halten, ohne jedoch neue Höchststände zu erreichen.
Das letzte Szenario auf dem Tisch ist das eines technischen Kabinetts, ähnlich den Modellen, die in Italien in Phasen politischer Instabilität praktiziert wurden. Dieses Kabinett wäre verantwortlich für die Verabschiedung eines Haushalts, der sich mehr oder weniger am diesjährigen orientiert, und würde die laufenden Geschäfte führen. Es wäre jedoch nur eine Übergangslösung bis zu einer politischen Klärung – spätestens 2027, wahrscheinlich aber früher, sobald Macron neue Parlamentswahlen für opportun hält.
Unabhängig von der Wahrscheinlichkeitsverteilung zwischen diesen Szenarien wirkt keines davon besonders vielversprechend für die Attraktivität französischer Staatsanleihen. Dies veranlasst uns dazu, unsere Untergewichtung in Anleiheportfolios beizubehalten.