Josefina Rodriguez, Vanguard

EZB dürfte Zinsen erneut unverändert lassen

Die Europäische Zentralbank wird den Leitzins auf ihrer Sitzung am Donnerstag voraussichtlich unverändert bei 2,00 Prozent belassen. Die jüngsten Wirtschaftsdaten stützen die Juni-Prognosen der EZB, die von robustem Wachstum und weiterem Fortschritt bei der Disinflation ausgehen.

Josefina Rodriguez, Vanguard

Wichtigste Erkenntnisse

  • Die EZB dürfte in dieser Woche die Zinsen unverändert lassen. Die Aufmerksamkeit richtet sich daher auf die neuen Stabsprognosen und die geldpolitische Einschätzung.
  • Da die Daten weitgehend mit den Juni-Projektionen übereinstimmen, dürften Anpassungen vor allem auf aktualisierten Annahmen beruhen: stärkerer Euro, niedrigere Energiepreise, das revidierte EU-US-Handelsabkommen sowie angepasste fiskalische Rahmenbedingungen.
  • Erwartet wird eine leichte Aufwärtskorrektur beim Wachstum, ein Unterschreiten des Inflationsziels im Jahr 2026 sowie eine Rückkehr in Zielnähe bis 2027. Vertreterinnen und Vertreter der EZB betonen weiterhin, dass die Inflation mittelfristig auf Kurs in Richtung 2 Prozent ist.
  • In der Kommunikation sind nur geringe Änderungen zu erwarten. Der EZB-Rat dürfte seine datenabhängige Haltung bekräftigen, während Präsidentin Christine Lagarde voraussichtlich betonen wird, dass die Geldpolitik „an einem guten Punkt“ sei und die EZB zugleich bereit bleibe, bei Bedarf gegenzusteuern.
  • Die meisten Ratsmitglieder haben signalisiert, dass die aktuelle Ausrichtung angemessen sei und die Inflation mittelfristig das Ziel erreichen dürfte. Hinweise auf eine baldige Lockerung gibt es kaum. 

Wachstumsausblick

Das Bruttoinlandsprodukt für das erste Quartal wurde auf 0,6 Prozent nach oben revidiert (zuvor 0,3 Prozent), getrieben durch Irland und vorgezogene Handelsaktivitäten. Im zweiten Quartal lag das Wachstum bei 0,1 Prozent und damit leicht unter den erwarteten 0,2 Prozent. Diese Abschwächung passt zu unserer Einschätzung, dass die Vorzieheffekte aus Q1 nun auslaufen. Für die zweite Jahreshälfte rechnen wir mit Belastungen durch eine schwächere Weltkonjunktur und anhaltende Unsicherheit.

Arbeitsmarkt

Die Arbeitslosenquote sank im Juli auf 6,2 Prozent nach 6,3 Prozent im Juni. Angesichts der schwächeren Wachstumsperspektiven und entsprechender Frühindikatoren dürfte die Dynamik am Arbeitsmarkt nachlassen. Die ausgehandelten Löhne stiegen im zweiten Quartal im Jahresvergleich von 2,5 Prozent auf 4,0 Prozent – ausschließlich durch Basiseffekte. Wir gehen davon aus, dass das Lohnwachstum weiter zurückgeht und sich auf ein mit dem Inflationsziel vereinbarendes Niveau einpendelt. Der EZB-Lohntracker signalisiert bereits Werte von unter 2 Prozent bis Jahresende.

Inflation

Die Vorabschätzung für den Verbraucherpreisindex im August ergab eine Gesamtinflation von 2,1 Prozent und eine Kernrate von 2,3 Prozent. Die Teuerung im Dienstleistungssektor fiel auf 3,1 Prozent – den niedrigsten Wert seit über drei Jahren. Damit bewegt sich die Inflation seit mehreren Monaten in einem mit dem Zielwert vereinbarten Bereich. Das Risiko einer Unterschreitung bis Ende 2026 nimmt jedoch zu, da das Wachstum unter dem Trend bleibt und die Löhne sich normalisieren. Der starke Euro wirkt zusätzlich dämpfend auf die Warenpreise.

EZB-Prognosen

Die neuen Projektionen dürften im Wesentlichen drei Faktoren widerspiegeln: einen stärkeren Euro, niedrigere Energiepreise, das revidierte EU-US-Abkommen sowie angepasste fiskalische Rahmenbedingungen.

Stimmen aus dem EZB-Rat

Die meisten Ratsmitglieder betonen, dass die Geldpolitik derzeit angemessen ausgerichtet ist und die Inflation mittelfristig das Ziel erreichen dürfte. Gouverneur Gabriel Makhlouf (Irland) verwies auf eine stabile Teuerung, Gouverneur Peter Kazimir (Slowakei) bezeichnete die erwartete Unterschreitung als vorübergehend. Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel sah keinen Anlass für eine Anpassung, Bundesbankpräsident Joachim Nagel sprach von „nicht so vielen Argumenten“ für eine Veränderung, und Gouverneur Martins Kazaks (Lettland) bekräftigte, dass die EZB „an einem guten Punkt“ sei.

Josefina Rodriguez

Josefina Rodriguez ist Economist bei Vanguard. Die 1975 in den USA gegründete Vanguard Group ist der Pionier effizienter Indexinvestments für alle Anlegergruppen. Mit der Auflage des Vanguard 500 Index Fund im Jahr 1976 läutete Vanguard-Gründer John Bogle die Ära der kostengünstigen Indexanlagen für Privatanleger ein. Seine damalige Mission hat bis heute Bestand: Vanguard vertritt die Interessen aller Anleger. Heute ist Vanguard mit einem verwalteten Vermögen von 10,9 Billionen US-Dollar (Stand: 30.06.2025) in passiv und aktiv gemanagten Fonds sowie Exchange Traded Funds (ETFs) der weltweit zweitgrößte Vermögensverwalter.