Raphaël Gallardo, Carmignac

Ein Handelskrieg wie kein anderer

Vor dem Schock des zweiten Handelskriegs befand sich die Weltwirtschaft auf einem bescheidenen Erholungspfad. Unter der Annahme, dass die USA ihre Zölle dauerhaft um 15 Prozent erhöhen, rechnen wir mit einem Rückgang des globalen Wachstums in den kommenden zwölf Monaten um 0,5 Prozent (USA -1,0 Prozent, China -0,5 Prozent, Eurozone -0,4 Prozent) auf 2,4 Prozent.

Raphaël Gallardo, Carmignac

In den USA deutet der Rückgang des Verbraucher- und Unternehmervertrauens bereits auf eine starke Abschwächung der privaten Binnennachfrage hin. Der Arbeitsmarkt dürfte dieses Abflauen bereits im dritten Quartal widerspiegeln. Die einsetzende Deflation bei den Preisen für neue Eigenheime wird auch den Rückenwind der Vermögenseffekte durch den Immobilienmarkt verringern. Zudem deutet der Anstieg der Ausfallquoten bei den Konsumschulden für einkommensschwache Haushalte darauf hin, dass alle Sparrücklagen aufgebraucht sind.

Im Gegensatz zu früheren Konjunkturabschwächungen kann diese Schwächephase nicht durch eine proaktive Notenbank oder eine Lockerung der Kreditkonditionen am langen Ende der Zinskurve bekämpft werden. Die anhaltend über dem Ziel liegende Inflation wird die Fed dazu zwingen, ungewöhnlich zurückhaltend zu sein. Trumps Drohungen hinsichtlich der Notenbank-Unabhängigkeit könnten dazu führen, dass ihr Chef Powell dazu neigen wird, die nächste Zinssenkung weiter hinauszuzögern.

Auch das lange Ende der Kurve wird sich aufgrund der steigenden Laufzeitprämie als starr erweisen. Die Anleihenbesitzer zeigten ihre Zähne, nachdem die republikanische Mehrheit eine völlige Geringschätzung jeglicher fiskalischer Leitplanken an den Tag gelegt hat. Gleichzeitig wird das potenzielle Wachstum Amerikas durch Einwanderungsbeschränkungen, Angriffe auf die Innovationsfähigkeit und die Rechtsstaatlichkeit im Allgemeinen beeinträchtigt.

Falsche Diagnose = falsche Lösung

Ein Grund für den Aufstieg Trumps zur Macht war, dass er sich die berechtigten Sorgen der US-Wähler zu Nutze gemacht hat, nicht zuletzt hinsichtlich der Explosion des Wohlstandsgefälles. Und wie jeder populistische Führer hat auch Trump eine einfache Lösung und einen externen Sündenbock parat: unfairer internationaler Handel.

Die Besessenheit vom Handelsdefizit ist umso bizarrer, als die USA als entwickelte Volkswirtschaft eine nicht unübliche Spezialisierung auf Dienstleistungen aufweisen, mit der sie einen Überschuss von 1 Prozent des BIP erzielen. Ihr Leistungsbilanzdefizit ist keineswegs alarmierend und der Außenwert des Dollars wird von den großen Handelspartnern der USA nicht manipuliert. Wenn die USA ein Außenhandelsdefizit haben, dann hat dies eher mit einer übermäßig niedrigen nationalen Sparquote zu tun, die durch ein ausuferndes Haushaltsdefizit selbst bei Vollbeschäftigung und eine Sparquote der privaten Haushalte von 4 Prozent bedingt ist, die wiederum das Ergebnis starker Vermögenseffekte bei Aktien ist. Und wenn sich der Aktienmarkt so positiv entwickelt hat, dann deshalb, weil ausländische Anleger in Scharen in die Aktien von US-Tech-Unternehmen geströmt sind.

Es überrascht nicht, dass Trump aufgrund seiner falschen Diagnosen Lösungen präsentiert, die die Probleme noch verschärfen. Erstens sind Zölle und Einwanderungsbeschränkungen stagflationäre Schocks, die den fiskalischen Einfluss schwächen und die Bewertung von US-Aktien noch ambitionierter werden lassen. Zweitens sind die neuen Steuersenkungen angeblich befristet oder werden durch nachgelagerte Ausgabenkürzungen finanziert, die erst nach dem Ende von Trumps Amtszeit umgesetzt werden sollen. Man hat ausländische Anleihegläubiger davon überzeugt, dass jeglicher Sinn für fiskalische Umsicht unnötig geworden ist. Drittens sind die Versuche, Handelspartner in angespannten Handelsgesprächen zu einer Aufwertung ihrer Währungen gegenüber dem US-Dollar zu zwingen, eine Einladung an ausländische Investoren, ihre US-Vermögenswerte abzustoßen oder zumindest ihr Devisenrisiko gegenüber dem Dollar abzusichern. Und schließlich klingt der berüchtigte Zusatz zum Steuergesetz „Section 899“ für den Rest der Welt wie eine Kriegserklärung an die Kapitalgeber, denn er bedeutet, dass Staaten nicht in der Lage sein werden, sich gegen die missbräuchliche Marktmacht von US-Konzernen zu wehren.

Für private ausländische Investoren und Unternehmen ist Section 899 ein Damoklesschwert, das über zukünftigen Dividenden und Gewinnen in den USA schwebt. All diesen Maßnahmen ist gemeinsam, dass sie das Risiko einer ungeordneten und sich selbst verstärkenden Auflösung der „US-Exzeptionalismus“-Geschäfte erhöhen, unabhängig davon, ob diese Geschäfte inzwischen ein Blasen-Niveau erreicht haben oder nicht.

Nach dem Dollar

Das Ende von 15 Jahren „US-Exzeptionalismus“ an den Finanzmärkten mündet in einem strukturellen Bärenmarkt für den US-Dollar. Aber bedeutet das auch, dass der Greenback seinen Status als Weltreservewährung verlieren könnte? Die Stellung der USA schwächt sich in vielerlei Hinsicht ab, aber keine andere Fiat-Währung ist in der Lage, sie zu ersetzen oder zu überflügeln.

Der chinesische Renminbi ist nicht konvertierbar. Der Euroraum ist eine unvollendete Währungsunion, der die Rückendeckung durch ein einheitliches Finanzministerium fehlt. Japan befindet sich in einem fortgeschrittenen demografischen Verfall.

Da es keine glaubwürdigen Alternativen gibt, kehren die Zentralbanken zum Gold zurück. Wir glauben, dass dieser Trend durch Staatsfonds verstärkt wird, die sich anderen strategischen Rohstoffen zuwenden, die zwar nicht direkt „monetarisierbar“ wie Gold, aber ebenfalls lagerfähig sind und in einer instabileren Welt geopolitische Sicherheit bieten: Öl, Kupfer, Lithium usw.

Gleiches gilt für den privaten Sektor, der zum ersten Mal in seiner Geschichte über einen nicht konfiszierbaren Vermögenswert verfügt, der vollständig in die Zahlungssysteme der meisten konvertierbaren Währungen integriert ist und keinerlei Länderrisiko aufweist: Kryptowährungen mit begrenztem Angebot.

Die internationale Währungsordnung spaltet sich somit in zwei Lager: eine rückwärtsgewandte „Rohstoffisierung“ der vom öffentlichen Sektor gehaltenen Reservevermögen sowie eine Abkehr hin zu Kryptowährungen, die im privaten Sektor sowohl als Tauschmittel als auch als Wertspeicher dienen.

Diese sich abzeichnenden Trends spiegeln den Wandel von einem regelbasierten unipolaren System zu einem anarchischeren multipolaren Regime wider. Dies wird von sich aus Instabilität hervorrufen. Der Wettbewerb der Staaten um einen begrenzten Bestand an Rohstoffanlagen wird internationale Spannungen schüren. Die Fokussierung auf Rohstoffe bei den offiziellen Reserven und der zunehmende Einsatz von Kryptowährungen durch den privaten Sektor werden die Nachfrage nach Staatsanleihen verringern und damit die Entwicklung der Staatsverschuldung noch gefährlicher machen. Diese Veränderungen werden somit zu einer quasi unaufhaltsamen Entwicklung hin zu einem Regime der fiskalischen Dominanz beitragen, in dem die Zentralbanken gezwungen sind, untragbare Staatsschulden zu monetarisieren, was zwangsläufig zu Inflation und finanzieller Repression führen wird.

Aussicht auf Chinas Konjunkturimpulse

China hat dank der seit September 2024 beschlossenen neuen Konjunkturimpulse ein ordentliches erstes Halbjahr hinter sich. Es gibt jedoch Anzeichen dafür, dass das Programm zur Ankurbelung der Produktion langfristiger Güter an Schwung verliert. Bis zum Herbst werden weitere Konjunkturimpulse erforderlich sein. Wir gehen weiterhin davon aus, dass die fiskal- und geldpolitischen Entscheidungsträger nur schrittweise zyklische Stützungsmaßnahmen ergreifen werden.

Derzeit gibt es keinerlei Anzeichen einer politischen Bereitschaft, sein räuberisches exportorientiertes Modell zu ändern. Die gezielten Liquiditätsmaßnahmen haben die Immobilienpreise in den Großstädten stabilisiert, wodurch die negativen Vermögenseffekte auf den Konsum und die Dringlichkeit, den deflationären Druck im Inland umzukehren, abnehmen. Xi Jinping nutzt seinen Einfluss auf wichtige Segmente der Hightech-Lieferketten, um Trump zu einem Handelsfrieden mit Zöllen von maximal rund 40 Prozent zu zwingen. Wir schätzen die Kosten dieser neuen Zölle auf etwa 0,5 Prozent des BIP, was mit einem weiteren gezielten Konsumförderungsprogramm verkraftbar wäre.

In Europa läuft es weiterhin... vorerst

Im Euroraum wird der Aufschwung durch den Handelskrieg ausgebremst, aber nicht komplett gestoppt.

Die neue (Un-)Ordnung in den USA bedeutet eine Umverteilung des Wachstums hin zum Rest der Welt. Europa wird finanzpolitischen Spielraum gewinnen. Es hat einen starken Anreiz, in die Verringerung der Risiken von Lieferketten und Exportrouten außerhalb der USA zu investieren, vom Wiederaufbau einer unabhängigen Militärindustrie bis hin zum Aufbau neuer Rohstoff- und digitaler Infrastrukturen.

Die Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt werden der entscheidende Faktor für den Wohlstand der Region sein. Unternehmensgewinne wurden durch hohe Realzinsen und das „Horten“ von Arbeitskräften unter Druck gesetzt. Dies könnte die Widerstandsfähigkeit des Arbeitsmarktes auf die Probe stellen und damit die Erholung der Binnennachfrage gefährden. Dies gilt insbesondere für Frankreich, das seit der zweiten Hälfte des letzten Jahres eine stetige Verschlechterung der Beschäftigungslage zu verzeichnen hat; ein Trend, der sich angesichts der beispiellosen erforderlichen Haushaltskonsolidierung noch beschleunigen könnte.

Trotz des Risikos eines Unterschreitens des Inflationsziels aufgrund eines vierfachen Schocks (Eurostärke, Energie-Deflation, Zölle und Handelsverlagerungen) hat die Europäische Zentralbank (EZB) auf ihrer Juni-Sitzung eine Überprüfung des neutralen Zinsbereichs abgelehnt. Wir rechnen weiterhin mit einer weiteren Zinssenkung im September, aber die Hürde für eine weitere geldpolitische Lockerung ist gestiegen.

Raphaël Gallardo

Raphaël Gallardo ist Chefvolkswirt des unabhängigen Vermögensverwalters Carmignac. Carmignac ist eine unabhängige Investment-Management-Boutique in Europa, die im Familien- und Mitarbeiterbesitz ist und 1989 gegründet wurde.