Jim Caron, Morgan Stanley Investment Management

Durch die Flaute – was stützt die Märkte?

Mehr Klarheit an den Märkten – damit rechnen wir in der zweiten Jahreshälfte 2025. Die Marktteilnehmer werden ein besseres Verständnis der Steuer- und Haushaltspolitik haben und erkennen, dass Einigungen in der Zollpolitik möglich sind.

Die US-Arbeitsmarktdaten überraschten vergangene Woche positiv. Die Arbeitslosenquote fiel von 4,2 auf 4,1 Prozent, während im Vorfeld ein Anstieg auf 4,3 Prozent erwartet worden war. Viele Marktteilnehmer waren der Meinung, dass schwache Daten die US-Notenbank Fed dazu veranlasst hätten, die Zinsen bereits auf ihrer Juli-Sitzung zu senken.

Am Freitag, 4. Juli, unterzeichnete US-Präsident Donald Trump das Gesetz ‚One Big Beautiful Bill Act‘, das viele wirtschafts- und investitionsfreundliche Elemente enthält. Der vielleicht wichtigste Punkt ist die Deregulierung. Aus meiner Sicht wird sie bislang als Ausgleich zu den Kosten der Zölle unterschätzt und dürfte sich positiv auf den operativen Leverage und die Bewertungen auswirken. Dennoch gibt es immer noch Risiken für die Zukunft: schwächeres Wirtschaftswachstum, steigende Arbeitslosigkeit und eine höhere Inflation. Alle diese Faktoren sind in den Prognosen der Fed enthalten – und ich neige dazu, ihnen zuzustimmen.

Wächst die Wirtschaft schneller als die Staatsverschuldung?

Aber werden sich die schwachen Daten auf die Vermögenspreise auswirken? Das ist die Frage. Und ich glaube nicht, dass sie von großer Bedeutung sein werden. Denn es handelt sich um eine erwartete Schwächephase, die von den Marktteilnehmern weitestgehend ausgeblendet wird. Die Fed mag abwarten, aber die Märkte schauen nach vorn. Am wichtigsten wird sein, wie sich der US-Haushalt, Steuern und Konjunkturprogramme sowie die unternehmensfreundliche Deregulierung im Jahr 2026 auf die Märkte auswirken. Ja, wir sprechen bereits über das Jahr 2026. Der ultimative Test für den Haushalt ist, ob er dafür sorgen kann, dass die Wirtschaft nominal schneller wächst als die Staatsverschuldung – und so zur Verringerung des Defizits beiträgt.

Dies könnte die Vermögenswerte in der zweiten Hälfte des Jahres 2025 stützen. Die Anleger könnten bereits später in diesem Jahr – zum Beispiel im vierten Quartal 2025 – damit beginnen, den Aufwärtstrend im Jahr 2026 einzupreisen. Es geht letztlich darum, die erwartete Schwächephase zu überwinden.

Fünf Punkte, auf die sich die Märkte stützen

  1. Der erste Aspekt ist künstliche Intelligenz (KI) und ein von der Technologiebranche ausgehender Optimismus. Der US-Index S&P 500 wird zunehmend von einigen wenigen Mega-Cap-Aktien getrieben, von denen viele mit dem KI-Boom verbunden sind. Die Anleger setzen darauf, dass die KI-getriebene Produktivität die Erträge ankurbeln und makroökonomische Bedenken ausgleichen wird.
  2. Der zweite Faktor ist die starke Gewinndynamik. Die Unternehmensgewinne sind überraschend positiv ausgefallen. Selbst wenn sich makroökonomische Risiken abzeichnen, haben die Unternehmen ihre Margen solide gehalten und die Prognosen nach oben korrigiert. Das gibt den Anlegern Gewissheit, dass die Fundamentaldaten intakt sind.
  3. Der dritte Punkt betrifft die Fed und die Zinssenkungserwartungen. Die Marktteilnehmer rechnen mit Zinssenkungen der Fed im Laufe dieses Jahres, was die Aktienbewertungen stützt. Niedrigere Zinsen verringern die Abzinsungssätze für künftige Cashflows. Das lässt Aktien, insbesondere Wachstumswerte, attraktiver erscheinen.
  4. Viertens scheinen die fiskalischen Risiken – zumindest im Moment – den Markt kalt zu lassen. Anleger neigen dazu, langfristige Herausforderungen wie das US-Haushaltsdefizit zu vernachlässigen, wenn sie keine unmittelbaren Folgen sehen. Solange es an den Märkten für Staatsanleihen keine Verwerfungen gibt und die Fed als Rückhalt gesehen wird, werden Aktien wahrscheinlich widerstandsfähig bleiben.
  5. Der fünfte Punkt betrifft die globale Liquidität und die Nachfrage nach US-Investments. Das globale Kapital fließt weiterhin in US-Aktien. Vielleicht nicht mehr so schnell wie in der Vergangenheit, aber immer noch. In jüngster Zeit haben sich die USA besser entwickelt als Europa und China. Das treibt die Nachfrage nach der relativen Sicherheit und der Performance von US-Aktien an – trotz der Haushalts- und Zollunsicherheiten.

Die Quintessenz ist also, dass die Marktteilnehmer nach vorne blicken und auf die andere Seite der erwarteten Schwächephase durchbrechen.

Jim Caron

Jim Caron ist Chief Investment Officer der Portfolio Solutions Group von Morgan Stanley Investment Management. Jim Caron verfügt über 33 Jahre Branchenerfahrung und kam 2006 zu Morgan Stanley. Zuvor war er Portfoliomanager und Leiter der globalen Makrostrategien im Fixed Income Team. Außerdem war er bei Morgan Stanley Research als Global Head of Interest Rates, Foreign Exchange, and Emerging Markets Strategy tätig. In früheren Jahren war er Direktor bei Merrill Lynch, wo er die U.S. Interest Rate Strategy Group leitete. Jim hatte auch verschiedene Positionen im Handel mit Zinsen und Optionsprodukten bei JP Morgan inne. Er erwarb einen B.A. in Physik am Bowdoin College, einen B.S. in Luftfahrttechnik am California Institute of Technology und einen M.B.A. an der New York University.