Markus Schuwerack, Sienna IM

Die industrielle Souveränität Europas zurückgewinnen

Die Verlagerung von Produktionsstätten und die Beschleunigung der Fertigungsprozesse sind Ziele, über die sich in Europa alle einig sind. In einem Umfeld begrenzter Budgets spielen Banken, private Fremdkapitalgeber und Private-Equity-Investoren eine zentrale Rolle bei deren Umsetzung.

Markus Schuwerack, Sienna IM

Die Mythen des „Lean Management“ und des „fabriklosen Unternehmens“ sind überholt. Ihre Grenzen wurden durch die Abhängigkeit von weit entfernten Lieferketten aufgezeigt, deren Anfälligkeit sich in der jüngeren Vergangenheit deutlich gezeigt hat. Zudem gab es zu viele Verlierer: Der Wegfall von Arbeitsplätzen in Produktion und Management hat in vielen Bereichen tiefe Lücken hinterlassen. Arbeitsmärkte, die einst von Millionen Menschen geprägt waren, sind geschrumpft, wirtschaftliche Ökosysteme sind zerfallen und große Teile der öffentlichen Infrastruktur, insbesondere im Gesundheitsbereich, wurden stillgelegt. Die negativen Folgen bestimmter weitreichender Standortverlagerungen werden inzwischen kritisch hinterfragt. Mittlerweile herrscht breiter Konsens darüber, dass eine Reindustrialisierung und die Rückverlagerung von Produktionsstätten notwendig sind, um die wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit Europas langfristig zu sichern.

Massiver Investitionsbedarf infolge vielfältiger Herausforderungen

Viele Unternehmen sehen sich mit einem plötzlichen Auftragswachstum und einer rasanten Steigerung der Produktionsraten konfrontiert. Als Reaktion auf die vielfältigen Herausforderungen der Energiewende, der Reindustrialisierung, der Künstlichen Intelligenz sowie der inneren und äußeren Sicherheit entstehen kurzfristig enorme Investitionsbedarfe. Die jüngsten globalen Umbrüche verschärfen diese Problematik noch und treffen auf eine Phase deutlicher Budgetengpässe. Die Finanzierung dieses Wandels erfordert eine stärkere Mobilisierung privaten Kapitals.

Private-Credit-Lösungen aus dem Bereich Corporate and Investment Banking

Vor diesem Hintergrund sind die Finanzierungsbedürfnisse kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) sehr vielschichtig. Sie wiegen umso schwerer, da die Selbstfinanzierungskraft europäischer Unternehmen aufgrund hoher Kosten oft geschwächt ist. Der Bedarf, das Eigenkapital industrieller Unternehmen zu stärken, ist unbestreitbar. Private-Equity-Fonds können hier eine wirksame Lösung bieten, doch viele Unternehmen scheuen eine Kapitalbeteiligung durch neue Anteilseigner.

Die entscheidende Rolle der Banken für die Gesamtwirtschaft ist offensichtlich. Sie leisten hervorragende Arbeit und bearbeiten jährlich eine Vielzahl von Finanzierungsprozessen. Allerdings gibt es im KMU- und Mittelstandsbereich Situationen, in denen das klassische Bankangebot an seine Grenzen stößt. Dies ist insbesondere bei Beträgen zwischen 5 und 50 Millionen Euro der Fall, wenn die spezifische Finanzlage des Unternehmens und die Komplexität der Geschäftspläne eine sogenannte „strukturierte” Finanzierung erfordern. Dies gilt vor allem, wenn Cashflow-Prognosen spezielle Auflagen und gestaffelte Rückzahlungsprofile beinhalten.

Angesichts dieser Situation haben sich in den vergangenen Jahren Private-Debt-Lösungen etabliert, die Finanzierungstechniken aus dem Bereich Corporate and Investment Banking auf kleine und mittlere Unternehmen übertragen. Diese spezialisierten Private-Debt-Teams sind agil und lösungsorientiert, wenn es darum geht, maßgeschneiderte, strukturierte Finanzierungspakete für komplexe Unternehmenssituationen zu entwickeln, besonders für kleine und mittlere Unternehmen. Junge, innovative Unternehmen greifen häufig auf Venture-Capital-Fonds zurück, können aber ebenso Debt-Fonds nutzen, die durch granulare Finanzierungen passende Lösungen bieten.

Solche Finanzierungen schaffen die nötige Flexibilität für Unternehmen und eröffnen institutionellen Investoren und Privatanlegern gleichzeitig Zugang zu neuen Themenfeldern und gesellschaftlich relevanten Investments bei attraktiven Risiko-Rendite-Profilen. Die zunehmende „Retailisierung“ privater Vermögenswerte, die auch Verteidigungsunternehmen betreffen dürfte, muss allerdings von entsprechender Aufklärung begleitet werden. In diesem Zusammenhang kommt Finanzberatern eine bedeutende Rolle zu, ihre Kunden über die Vorteile aufzuklären, einen Teil ihrer Ersparnisse in vermögensbildende KMUs zu investieren und somit zur Wertschöpfung in der Realwirtschaft beizutragen.

Markus Schuwerack

Markus Schuwerack ist Country Head of Sales for Germany & Austria bei Sienna Investment Managers. Sienna Investment Managers ist der paneuropäische Asset Manager der börsennotierten Investment-Holding Groupe Bruxelles Lambert (GBL) im Bereich Alternative Investments. Mit einem Team von rund 300 Experten ist Sienna IM in Paris, Luxemburg, Mailand, London, Hamburg, Frankfurt, Madrid, Amsterdam und Seoul vertreten. Mit börsennotierten und privaten Vermögenswerten entwickelt Sienna IM maßgeschneiderte und innovative Lösungen für seine Kunden. Ende September 2024 verwaltete die Gruppe ein Vermögen von rund 40 Milliarden Euro, von denen mehr als 80 Prozent (gemäß SFDR-Perimeter anrechenbare AuM) als Artikel 8 oder 9 eingestuft sind.