Der Weg zu neuer Normalität nach der Corona-Krise

Lars Kalbreier, Edmond de Rothschild
Lars Kalbreier / Bild: Edmond de Rothschild
  • Nach einer der schlimmsten Krisen seit 1945 dürfte sich die Weltwirtschaft dank der raschen Entwicklung und Verbreitung von Impfstoffen wieder normalisieren.
  • Die Welt, die wir aus der Zeit vor der Pandemie kennen, dürfte zwar allmählich wiederhergestellt werden – aber es wird dennoch Unterschiede geben: Manche Länder werden zwar höher verschuldet sein, aber auch große Fortschritte bei der Einführung neuer Technologien erzielt haben.
  • Die vier wichtigsten Investment-Themen für 2021 sind: China, Unternehmens- und Schwellenländeranleihen, digitale Technologien und die damit verbundene Cybersicherheit sowie Nachhaltigkeit.
Nach dem schwierigen Vorjahr dürfte sich das Leben in 2021 wieder normalisieren. Doch dieses neue Leben wird von irreversiblen Disruptionen durch die Corona-Krise gekennzeichnet sein.
Es gilt, zwischen den traditionellen Wirtschaftssektoren und den großen aufkommenden Trends zu unterscheiden. Die Post-Covid-Gesellschaft wird eine neue Welt sein, die eine Quelle spezifischer und innovativer Anlagemöglichkeiten bereithält.

Die 4 wichtigsten Investment-Themen

Vier zentrale Themen haben sich im Zuge der Pandemie herauskristallisiert. Sie werden uns in 2021 und darüber hinaus begleiten:
 
(1) China entwickelt sich noch schneller zur global führenden Volkswirtschaft
China hat die Corona-Krise besser überstanden als andere Länder und wird schneller wachsen als der Rest der Welt, da es wirtschaftlich bereits wieder eine vollständige Öffnung vollzogen hat. Wir erwarten, dass die chinesische Wirtschaft 2021 um 9,8 Prozent wachsen wird und damit schnell zu den USA aufschließt, die gegenwärtig noch die größte Volkswirtschaft der Welt sind. Hinzu kommt: Chinesische Unternehmen fordern ihre US-amerikanischen Konkurrenten zunehmend heraus, wenn es um Innovationen in technologisch fortschrittlichen Bereichen wie künstliche Intelligenz, Informationstechnologie, Elektromobilität und Halbleiter geht. Wir denken daher, dass China nicht mehr als Schwellenland, sondern als wirtschaftliche und geopolitische Supermacht betrachtet werden sollte, die mit den fortschrittlichsten Volkswirtschaften der Welt konkurrieren kann. Für weltweit ausgerichtete Anleger mit diversifizierten Portfolios ist daher ein Engagement in dieser wichtigen Region unerlässlich.
(2) Die Zinsen bleiben langfristig niedrig
In den westlichen Ländern haben die Regierungen umfangreiche Konjunkturmaßnahmen ergriffen, um ihre Volkswirtschaften vor dem durch die Pandemie ausgelösten heftigen Abschwung zu schützen. Diese Stimulierungsmaßnahmen haben die Staatsverschuldung stark erhöht, die mittel- bis langfristig refinanziert werden muss. Damit die Regierungen diese zusätzliche Schuldenlast bedienen können, dürften die Zentralbanken die Zinsen auf einem rekordtiefen Niveau halten. Anleger werden neue Renditequellen finden müssen, wie zum Beispiel Unternehmens- oder Schwellenländeranleihen.
(3) Digitale Technologien werden noch stärker genutzt
Die Pandemie hat die Akzeptanz digitaler Anwendungen beschleunigt. Fakt ist: Die Lockdowns haben Millionen von Menschen, die mit der digitalen Welt weniger vertraut waren, dazu gebracht, sich diese Technologien zu eigen zu machen.
 
In Frankreich beispielsweise haben 70 Prozent der über 60-Jährigen, die heute Online-Shopping nutzen, erst während des Covid-Lockdowns damit begonnen. Ähnliches gilt für die Nutzung von Telemedizin, die in den USA einen Zuwachs von über 300 Prozent im Vergleich zur Zeit vor dem Coronavirus erlebt hat. Und Hunderte Millionen Kinder sowie ihre Eltern haben neue Fähigkeiten erlernt, wie zum Beispiel die Nutzung von Online-Bildung und Telekonferenzen.
 
Es ist unwahrscheinlich, dass der strukturelle Trend zu einer stärker digitalisierten Gesellschaft wieder zurückgeht, wenn die Corona-Krise überstanden ist. Leider geht mit einer größeren Verbreitung digitaler Anwendungen auch eine steigende Zahl von Datendiebstählen und Cyberkriminalität einher. Daher wird es einen zunehmenden Bedarf an digitalem Schutz geben, was sich in massiven Investitionen in Cybersicherheit niederschlagen dürfte.
(4) Nachhaltigkeit ist ein zentrales Thema für 2021 – und darüber hinaus
Viele Regierungen haben umfangreiche Konjunkturprogramme aufgelegt, um die Belastungen ihrer Volkswirtschaften abzufedern, und die meisten dieser Programme haben eines gemeinsam: Sie umfassen alle Investitionen in grüne Technologien. Außerdem kehren die Vereinigten Staaten nach vier Jahren Abwesenheit in die Diskussionen zum Thema Klimawandel zurück. So hat die Biden-Administration den Kampf gegen den Klimawandel durch erhebliche Investitionen in Nachhaltigkeit an die Spitze ihrer politischen Agenda gesetzt.
 
Daher erwarten wir in den kommenden Jahren weltweit verstärkte Investitionen in nachhaltige Technologien und eine schnellere Entwicklung hin zu einer grüneren Wirtschaft.
Lars Kalbreier ist Global CIO Private Banking von Edmond de Rothschild