Carsten Mumm / Bild: Privatbank DONNER & REUSCHEL
Seit Mitte der 90er Jahre befand sich die Inflationsrate in Japan nahe der Nulllinie. Immer wieder rutschte die Teuerung dabei auch in den negativen Bereich ab, eine Tendenz, die von Ökonomen und Geldpolitikern gefürchtet wird, denn sie kann sich selbst verstärken und die wirtschaftliche Dynamik abwürgen.
Im Kampf gegen die Deflationsgefahr setzte die japanische Notenbank (BoJ) daher seit Jahrzehnten auf eine ultra-expansive Geldpolitik, inklusive negativer Leitzinsen und der sogenannten Yield Curve Control (YCC), also der Deckelung der Renditen japanischer Staatsanleihen auf niedrigsten Niveaus. In dem anhaltenden Niedrigzinsumfeld war die Verschuldung in Yen auch für internationale Anleger oder ausländische Staaten attraktiv. Mit Kapital aus günstigen Yen-Schulden konnten höher verzinsliche Anlagen, vornehmlich im US-Dollarraum, erworben werden. Schwellenländer, die Samurai-Bonds begeben, sich also in Yen verschuldet haben, konnten höhere Zinsen in ihren Heimatwährungen vermeiden. Noch lukrativer wurde dieser „Carry Trade“ seitdem ab dem Jahr 2022 weltweit – außer in Japan – die Zinsen stark anzogen. Neben einer höheren Zinsdifferenz konnten Yen-Schuldner von einer deutlichen Abwertung der japanischen Währung profitieren, mussten somit bei Fälligkeit des Kredits in Anlagewährung gerechnet weniger zurückzahlen. Der schwache Yen verteuerte japanische Importe und trug zusammen mit – auch in Japan – steigenden Kosten durch Lieferkettenengpässe und zeitweise explodierende Energiepreise in den letzten Jahren zu einem Anstieg der Inflationsrate bei – auch in Japan.
Nur vorsichtige Änderungen durch die Japanische Notenbank
Der Anstieg der Verbraucherpreise liegt aktuell bei 2,8 Prozent, die Kernrate ohne die Komponenten Energie und Nahrungsmittel bei 3,3 Prozent. Zudem ist ein deutlicher Lohndruck zu verzeichnen, so dass die BoJ für das laufende Jahr mit Lohnsteigerungen von bis zu 5,3 Prozent rechnet. Die Notenbank sah sich vor diesem Hintergrund veranlasst, die Leitzinsen erstmals seit 17 Jahren anzuheben, auf eine allerdings immer noch sehr niedrige Spanne zwischen 0 und 0,1 Prozent. Zudem wurden die YCC und der Ankauf von Aktienindex-ETFs beendet. Auch wenn vorerst weiterhin japanische Staatsanleihen gekauft werden und nicht mit einer Serie von Zinsanhebungen zu rechnen ist, sollten Anleger die weiteren Entwicklungen genau im Blick behalten.
Die Zinsdifferenz zugunsten des US-Dollar dürfte in den kommenden Monaten sinken, denn die US-Notenbank Fed hat bereits angekündigt, ihrerseits die Leitzinsen zu senken. Daraus resultiert eine zunehmende Wahrscheinlichkeit für eine Yen-Aufwertung und der Carry Trade wird sukzessive unattraktiver. Sollten aus dieser Gemengelage abrupte und größere Währungsbewegungen resultieren, könnten auch Anleihe- oder Aktiensegmente in Europa oder den USA zwischenzeitlich eine erhöhte Volatilität erfahren. Eine schnelle und deutliche Aufwertung des Yen würde jedoch auch die zaghaften Wachstums- und Inflationstendenzen in Japan gefährden. Daher dürfte die BoJ weiterhin eher vorsichtig an einer Änderung des bewährten geldpolitischen Kurses arbeiten.
Carsten Mumm ist Chefvolkswirt der
Privatbank DONNER & REUSCHEL. Er ist verantwortlich für die Erstellung der Konjunktur- und Kapitalmarktprognosen sowie der kapitalmarktrelevanten Publikationen. Zuvor verantwortete er die Vermögensverwaltung für private und institutionelle Kunden, das Management von Spezial- und Publikumsfonds sowie die hauseigenen Research-Tätigkeiten. Der gelernte Bankkaufmann und studierte Diplom-Volkswirt ist seit 1998 im Bereich Kapitalanlage beschäftigt. 2006 qualifizierte er sich zum Chartered Financial Analyst.