Wirtschaft könnte 2023 widerstandsfähiger sein als erwartet

Beate Meyer und Evan Brown, UBS-AM
Beate Meyer und Evan Brown / Bild: UBS-AM
Mit der jüngsten Zinserhöhung um 0,5 Prozentpunkte hat die US-Notenbank Fed die Geldpolitik 2022 in einem Kalenderjahr so stark gestrafft wie seit 1980 nicht mehr. Auch wenn eine Rezession eine sehr reale Möglichkeit ist und von vielen erwartet wird, könnten Investoren von der Widerstandsfähigkeit der Weltwirtschaft überrascht werden – selbst bei einer so drastischen Verschärfung der finanziellen Bedingungen.

Ausgang ungewiss: Investoren müssen 2023 flexibel und scharfsichtig sein

Der Arbeitsmarkt wird sich sicherlich abkühlen, aber die gesunden Bilanzen der privaten Haushalte dürften Ausgaben im Dienstleistungssektor stützen. Zudem werden einige der größten Belastungsfaktoren für die Weltwirtschaft, die von Europa und China ausgehen, bis zum Ende des ersten Quartals 2023 eher besser als schlechter werden. Wir halten es für verfrüht, sich für eine sehr negative wirtschaftliche Entwicklung zu positionieren. Die Spätphase des Zyklus könnte noch länger anhalten. Investoren müssen 2023 flexibel und aufmerksam bleiben.

Um die Dynamik der US-Wirtschaft besser zu verstehen, lohnt ein Blick auf den Arbeitsmarkt. Im Niedriglohnsektor, und damit vor allem im Dienstleistungsbereich, steigen die Löhne besonders deutlich, befeuert durch die immer noch hohen Ersparnisse der Besserverdiener, die jetzt zunehmend in Dienstleistungen fließen. Hier muss die Fed für Abkühlung sorgen und eine Lohn-Preis-Spirale verhindern. Die Zinsen könnten daher länger auf hohem Niveau bleiben als erwartet.

Asset Allocation für den Jahresstart: Zykliker, Value, Unternehmensanleihen und Rohstoffe

Bei globalen Aktien ist 2023 zunächst mit keinen extremen Ausschlägen zu rechnen. Sie werden wahrscheinlich nach oben hin durch die straffen geldpolitischen Zügel der Fed begrenzt sein. Nach unten dürften sie durch die Widerstandskraft der Wirtschaft und eine Erholung in China abgefedert werden. Finanzen und Energie sind unsere bevorzugten Sektoren: Wir denken, zyklische Positionen sollten sich gut entwickeln, wenn der scheinbar übergezogene Pessimismus gegenüber dem globalen Wachstum angesichts robuster Wirtschaftsdaten schwindet.

Auf der Anleiheseite gewinnen europäische und US-amerikanische Investmentgrade-Unternehmensanleihen an Attraktivität. In Bezug auf die Assetklasse Fixed Income kann man sagen ‚Income is back‘, aber in einer komplett veränderten Marktsituation, die wir so seit zehn Jahren nicht mehr gesehen haben. Durch die hohe Inflation und die steigenden Zinssätze gewinnt im Anleihesektor ein aktives Durationsmanagement massiv an Bedeutung, über das Renten aktuell eine sehr interessante Anlageklasse sein können.

Rohstoffe sind sowohl aus Performance-Sicht als auch als Absicherung in einem Multi-Asset-Portfolio interessant. Das Energieproblem wird nicht mit dem Ende des Winters gelöst sein und könnte sich sogar verstärken, wenn die Nachfrage aus China wieder anzieht. Positive Überraschungen bei der Wirtschaftsaktivität und die Aussicht auf höhere Zinsen für einen längeren Zeitraum machen Value-Aktien attraktiver als Wachstumstitel. Auf regionaler Ebene ist Japan durch die Kombination aus geldpolitischen und fiskalischen Anreizen im Vorteil.
Beate Meyer ist Head of Wholesale bei UBS Asset Management (Deutschland), Evan Brown Head of Multi Asset Strategy bei UBS Asset Management.