Haben Immobilien ihren Inflationsschutz verloren?

Dr. Karsten Junius, Bank J. Safra Sarasin
Dr. Karsten Junius / Bild: Bank J. Safra Sarasin
Nun ist die Inflation auch in Deutschland bei 10 Prozent angekommen. Ein massiver Kaufkraftverlust für alle Haushalte. Manch einer mag versucht haben, sich mit Investitionen in Immobilien vor höheren Inflationsraten zu schützen. Aber auch der Immobilienmarkt ist inzwischen angeschlagen. Die Aktienkurse von deutschen Immobilienunternehmen nehmen es vermutlich vorweg. Kein Aktienmarktsektor hat sich in diesem Jahr so schlecht entwickelt wie der der Immobilienunternehmen. Viele Werte wie Patrizia, Vonovia und TAG haben sich seit Jahresbeginn im Wert teils mehr als halbiert. Schützen Immobilien denn nicht mehr vor steigender Inflation?
Wurden an der Börse abgestraft im Laufe dieses Jahres, Immobilien-AGs wie TAG, Patrizia oder Vonovia (im Bild die Unternehmenszentrale).

Verkehrte Welt am Immobilienmarkt?

Höhere Inflation – teurere Immobilien. So einfach und logisch schien die Welt für viele Investoren bislang. Wer Angst davor hatte, dass die Niedrigzinspolitik der Zentralbanken zu höherer Inflation führt, wusste sich mit Immobilieninvestitionen zu schützen. Und ausgerechnet jetzt, da die Inflationssorgen sich materialisieren schwächelt der Immobilienmarkt. Verkehrte Welt oder wie ist das zu erkären?

Mieten steigen mit der Inflation

Zunächst sollte man am Immobilienmarkt unterscheiden zwischen dem Flächen- oder Mietmarkt, auf dem Vermieter und Mieter den Mietpreis bestimmen, und dem Vermögensmarkt, auf dem Kapitalangebot und Nachfrage den Kaufpreis für Immobilien ergeben. Beide Märkte müssen sich nicht unbedingt in die gleiche Richtung bewegen. Aktuell bewegen gestiegene Finanzierungskosten einige potenzielle Käufer dazu, eher zu mieten als zu kaufen. Dies würde zu steigenden Mieten bei maximal stagnierenden Kaufpreisen führen. Ansonsten gilt, dass die Angebotsmieten mit den Kosten für Neubau und Renovierung steigen sollten. Für die Mieter ist dagegen die Einkommensentwicklung die entscheidende Determinante dafür, welche Miete sie sich leisten können und wollen. Baukosten und Nettoeinkommen sind wiederum mit der Inflationsentwicklung stark korreliert. Wenn das allgemeine Preisniveau steigt, dann steigen sie halt auch. Steigende Inflationsraten sollten daher mit steigenden Mieten einhergehen.

Nettoerträge von Immobilien

Für den Jahresgewinn von Wohnungsunternehmen oder die Rentabilität einer einzelnen Immobilieninvestition sind neben den Mieten auch die Kosten, allen voran die Zinsen, entscheidend. Schliesslich finanzieren Unternehmen genau wie private Hausbesitzer ihre Immobilien nicht aus der Portokasse, sondern nehmen hohe Kredite auf. Der Immobiliensektor ist daher einer der wenigen Aktienmarktsektoren, deren Gewinnmarge mit steigender Inflation sinkt. Folglich führen höhere Inflationsraten zwar zu steigenden Mieten, aber nicht zu höheren Überschüssen der Immobilienunternehmen. Dies gilt analog für private Haushalte, deren Finanzierungskosten mit  höheren Inflationsraten und Zinsen steigen. Dies reduziert ihre Fähigkeit, hohe Immobilienpreise zu bezahlen. Der Vermögensmarkt für Immobilien reagiert folglich negativ auf steigende Zinsniveaus.

Immobilienaktien und Inflation

Bei der Bewertung von Immobilienunternehmen am Aktienmarkt kommt noch ein dritter Faktor hinzu. Mit dem Kauf einer Aktie erwerben Investoren einen Anteil an allen zukünftigen Unternehmenserträgen. Dabei werden Investoren, die Unsicherheit meiden und eine gewisse Gegenwartspräferenz haben, für weit in der Zukunft liegende Erträge weniger bereit sein zu zahlen als für bald anfallende Erträge. Im Finanzmarktjargon spricht man davon, dass zukünftige Gewinne abdiskontiert werden. Der Faktor, mit dem dies geschieht, sind die Realzinsen. Aufgrund der seit Jahresbeginn stark gestiegenen Realzinsen werden die zukünftigen Gewinne der Immobilienunternehmen stärker abdiskontiert als vor Jahresfrist. Die Gewinne von Immobilienunternehmen fallen also nicht nur bei steigenden Zinsen und Inflationsraten, sie sind auch weniger wert. Kein Wunder also, dass sich ihre Aktien in diesem Jahr so schlecht entwickeln.
Dr. Karsten Junius ist Chefökonom der Bank J. Safra Sarasin. Er leitet das Economic Research der Internationalen, in der Schweiz ansässigen Bank. Davor war Junius beim Internationalen Währungsfonds als Principal Economist tätig. Der an der Christian-Albrechts-Universität in Kiel promovierte Volkswirt war nach dem Studium am Institut für Weltwirtschaft in Kiel beschäftigt, danach arbeitete er als Ökonom bei Metzler Asset Management und war Leiter Kapitalmarkt und Immobilien Research bei der DekaBank.

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