Bildungstechnologie: Pandemiegewinner mit Wachstumsaussichten

Dr. Kirill Pyshkin, Credit Suisse
Dr. Kirill Pyshkin / Bild: Credit Suisse
Disruptive und innovative Firmen gestalten die Zukunft des Lernens und der Arbeit und bieten Investoren Zugang zu einem noch in den Kinderschuhen steckenden Wachstumsmarkt. Auch die jüngsten regulatorischen Eingriffe der chinesischen Regierung trüben nicht die Aussichten für diesen Sektor.
Bildung ist im Umbruch. Das digitale Angebot wächst und ebenso die Nachfrage nach neuartigen Bildungsmöglichkeiten. Schon vor dem COVID-19-Ausbruch hat der Bereich der Bildungstechnologien (Englisch: Education Technology oder kurz EdTech) ein starkes Wachstum verzeichnet. Die Pandemie hat die Dynamik nochmals deutlich beschleunigt. Entsprechend haben spezialisierte börsennotierte EdTech-Unternehmen ein sehr gutes Jahr 2020 hinter sich.
 
Im laufenden Jahr gerieten viele dieser Aktien durch die Rotation der Anlegergunst von Wachstums-zu Value-Titeln und von Small-Cap-zu Large-Cap-Aktien etwas unter Druck. In der Folge könnte sich Anlegern jetzt ein mögliches Einstiegsfenster bieten, da die Unternehmen derzeit noch mit einem Abschlag gegenüber dem Vorjahr gehandelt werden. An den guten Aussichten der Branche ändert unserer Meinung nach auch der jüngste regulatorische Eingriff der chinesischen Regierung in Teile der Branche nichts – auch außerhalb des chinesischen Markts bieten sich Chancen.

Die Zukunft des Lernens: Onlineangebote bieten Flexibilität

Chancen sehen wir vor allem in zwei Bereichen. Das ist erstens die Zukunft des Lernens und zweitens die Zukunft der Arbeit. Die Zukunft des Lernens betrifft vor allem Kinder und Studierende. Vor der Pandemie war das Wachstum in diesem Bereich durch zwei Engpässe gehemmt: Einerseits sträubten sich Lehrer und Professoren, von ihren klassischen Lehrmethoden auf digitale Modelle umzuschwenken. Andererseits sahen Eltern, Schüler und Studierende im Onlinelernen keine wahre Alternative zur traditionellen Methode. Das hat sich geändert: Die Pandemie hat beide Seiten zum Ausprobieren neuer Technologien gezwungen. Sie hat wie ein Katalysator die Entwicklung der EdTech-Branche um fünf bis zehn Jahre beschleunigt.
 
Zwar mögen manche Nutzer das Onlinelernen nicht besonders und fühlen sich zu Hause isoliert. Viele aber finden es interessant und unterhaltsam und haben diese flexible Art der Bildung zu schätzen gelernt. Mittel-bis langfristig wird sich ein hybrides Lernmodell herausbilden: Auch in Zukunft, wenn die Pandemie ihren Einfluss verloren haben könnte, dürfte digitales Lernen neben dem Präsenzunterricht einen hohen Stellenwert einnehmen. Unternehmen, die hiervon profitieren, sind beispielsweise 2U und Chegg. Die beiden US-EdTech-Unternehmen zählen zu den Gewinnern des letzten Jahres und sind bestens für das weitere Wachstum der Branche positioniert.
 
In den Sektor ist 2020 zudem neues Kapital geflossen. Es war ein Rekordjahr für Venture-Capital-Investments in die EdTech-Industrie. Weitere Technologien und auch Börsengänge von Unternehmen sind daher zu erwarten. Schon in den vergangenen Monaten kamen neue Titel erfolgreich an die Aktienmärkte, etwa der Anbieter von Sprachlern-Apps Duolingo.

Die Zukunft der Arbeit: Günstig und schnell in die Arbeitswelt

Ebenfalls in diesem Jahr an die Börse gebracht wurde Coursera. Der Anbieter von Online-Weiterbildungskursen ist für uns ein sehr gutes Beispiel für den zweiten großen EdTech-Bereich: die Zukunft der Arbeit mit Erwachsenen als Zielgruppe. Es geht unter anderem um Weiterbildung, das Erwerben von neuen Fähigkeiten, Unternehmensschulungen oder die Vermittlung spezialisierter Arbeitskraft.
 
Diese Märkte wandeln sich, der Trend geht zum lebenslangen Lernen. So hat die Pandemie beispielsweise in bestimmten Bereichen für mehr Arbeitslosigkeit gesorgt, während andere Segmente gestärkt daraus hervorgingen. Viele Menschen, die ihren Job verloren haben, müssen in die Arbeitswelt reintegriert werden und sich neue Kompetenzen aneignen. Dies ist ein Grund, warum Onlinekurse mit kürzerer Laufzeit und Intensivtraining wichtiger werden als die traditionellen Bildungswege. Wer heute etwa für Google arbeiten will, muss nicht zwingend viele Jahre an der Universität verbracht haben, sondern kann über ein mehrmonatiges Bootcamp ins Unternehmen gelangen. Kostengünstige und schnelle Wege in die Arbeitswelt gewinnen an Bedeutung.
 
Darüber hinaus wandelt sich der Arbeitsplatz an sich. Auch die Zukunft der Arbeit ist hybrid. Es dürfte zunehmend Telearbeit geben, und spezielle Aufgaben werden vermutlich an Freiberufler ausgelagert. Talent-Marktplätze im Internet wie Fiverr und Upwork dürften daher deutlich und schnell wachsen.

Mit Pure-Play-Investments die volle Wachstumsstärke nutzen

Ob es um die Zukunft des Lernens oder um die Zukunft der Arbeit geht: Unserer Erfahrung nach muss möglichst gezielt in die Thematik investiert werden. Mit einer Investition in Mega Caps, wie Microsoft oder Netflix, bei denen EdTech einen kleinen Teil des Gesamtgeschäfts ausmacht, kann nicht die volle Wachstumsstärke von Bildungstechnologien ausgeschöpft werden. Wir konzentrieren uns daher auf reine EdTech-Unternehmen beziehungsweise Firmen, die sich beispielsweise mit Weiterbildung, Berufsausbildung oder Talentbörsen beschäftigen. Diese zeichnen sich durch einen disruptiven Charakter und Innovationen aus. Den traditionellen Bildungssektor halten wir dagegen für wenig aussichtsreich für Anleger.
 
Aus einem globalen Universum aus rund 200 solcher Pure-Play-Firmen wählen wir 40 bis 60 für unser Portfolio aus. Da es sich dabei gerade nicht um die bei vielen thematischen Investments allseits vertretenen Mega Caps handelt, sondern vorwiegend um kleine und mittelgroße, oft wenig bekannte Firmen, kann eine solche EdTech-Strategie neben hohen Ertragsaussichten auch Diversifikationsvorteile fürs Anlegerportfolio bieten
Dr. Kirill Pyshkin ist Portfoliomanager des Credit Suisse (Lux) Edutainment Equity Fund bei der Credit Suisse.

Im Artikel erwähnte Wertpapiere

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