125 Jahre Genossenschaftsverband Bayern

Ulrich Kirstein
Titel des Bildbandes 125-Jahre-GVB/GVB-Eigenverlag
Am 12. Juli begeht der Genossenschaftsverband Bayern (GVB) feierlich sein 125-jähriges Bestehen. Die eigentliche Gründung fand zwar am 28. November 1893 statt, als sich der "Bayerische Landesverband landwirtschaftlicher Darlehenskassenvereine" im damaligen "Haus der Zentralsäle" in der Neuturmstraße 1 nach intensiver Diskussion gegründet hatte. Erste Gespräche unter den bayerischen Genossen hatten aber bereits Anfang 1893 begonnen und so beschloss der Verband unter GVB-Präsident Dr. Jürgen Gros, die 125-Jahr-Feier einfach in die feiertauglichere Mitte des Jahres zu verlegen. Zu diesem Anlass ist außerdem eine grafisch schön gestaltete, bilder- wie lehrreiche Festschrift erschienen.

Gemeinsam viele Krisen gemeistert

Die 125 Jahre hatten einiges an Krisen aber auch Chancen zu bieten für die Genossen: Zwei Weltkriege, Hyperinflation, Kaiserreich, Weimarer Republik, Nazi-Diktatur, Bonner und Berliner Republik, Reichsmark, Deutsche Mark, Euro, Zerstörung und Wiederaufbau. "Die Chronik ist eine Schatzkiste voller Genossenschaftsgeschichte" freute sich Gros über das gelungene Werk. Sie ist aber mehr, eine Geschichte Bayerns, wenn man so will. Auf über 200 Seiten spürt die Festschrift dem genossenschaftlichen Gedanken seit der Frühzeit der bayerischen Geschichte nach. Schon die Zünfte der mittelalterlichen Städte waren stark genossenschaftlich geprägt, aber es gab auch bereits erste Wirtschaftsgenossenschaften, so im Berg- und Brückenbau, man denke nur an die imposante "Steinerne Brücke" aus dem 12. Jahrhundert in Regensburg.

Zur Gründung Gratulation vom Prinzregenten

Was machte aber die Gründe eines Verbandes notwendig? Es war auch der durchschlagende Erfolg des Genossenschaftswesens: 1891 gab es im damaligen Bayern 438 Darlehenskassenvereine, etwa 200 davon waren Mitglieder und Aktionäre der landwirtschaftlichen Zentraldarlehenskasse Neuwied - also außerhalb Bayerns. So versammelten sich Anfang Februar 1893 Vertreter der restlichen über 200 Genossen um über die Gründung eines eigenen Verbandes zu diskutieren. Und bildeten erst einmal eine Kommission. Am 28. November 1893 war es dann schließlich soweit, es trafen sich dann tatsächlich 300 Vertreter der Genossenschaften in den "Central-Sälen" mit Innenminister Feilitzsch und den Spitzen des Landwirtschaftlichen Vereins und gründeten den "Bayerischen Landesverband landwirtschaftlicher Darlehenskassenvereine" mit Sitz in München, der am 1. Januar 1894 unter Direktor Graf Maximilian von Soden-Fraunhofen seine Geschäftstätigkeit aufnahm. Im denkmalgeschützten Haus der Central-Sälen residiert heute im Übrigen das Hotel Mandarin Oriental.

Das Erfolgsmodell GVB

Aber was machte den Genossenschaftsgedanken und den Verband über die 125 Jahre über alle Krisen hinweg so erfolgreich? Gros nannte insbesondere fünf Gründe dafür:
  1. Genossenschaften fungieren als Krisenüberwinder. Schon die Gründung beruhte auf einer existenziellen Krise der Landwirtschaft: Der Vulkanausbruch des Krakatau in Indonesien führte zu einem Klimawandel mit kalten Sommern und weniger Ernteerträgen. Die Landwirte schlossen sich zusammen und bewältigten die Krise gemeinsam. "Immer wenn Märkte versagen und/oder Gesellschaften sich ändern, dann bilden die Genossenschaften einen Stabilitätsfaktor", so Gros. Er erinnerte auch an die jüngste Finanzkrise, bei der es gerade die genossenschaftlichen Banken gewesen seien, die die Kreditfinanzierung für den Mittelstand weiterhin gewährleistet hätten.
  2. Die Kombination aus Eigenständigkeit der Primärstufe und dienenden Funktion der Zentraleinheit. Das Prinzip der Subsidiarität war schon das Gründungsmotiv des Verbandes galt: was die dezentralen, örtlichen Genossenschaften nicht leisten konnten, das übernahm der übergeordnete Verband, der die "bayerischen Dinge selbst regeln" wollte. Gros betonte aber, dass die Genossenschaften der Primärstufe Wirtschaftsunternehmen sind und als solche funktionieren. 
  3. Eine hohe Wertschätzung seitens der (bayerischen) Politik. Schon zur Gründungsversammlung äußerte sich der anwesende bayerische Innenminister Maximilian Freiherr von Feilitzsch überaus positiv und der Prinzregent Luitpold gratulierte zur gelungenen Gründung. Diese Nähe zur Politik führte allerdings auch zur Vereinnahmung unter den Nationalsozialisten, aber "die Genossen waren und sind immer in der Mitte der Gesellschaft angesiedelt", so Gros.
  4. Garant für Sparkultur. Vor allem nach 1945 setzten sich die Genossen mit den Raiffeisen- und Volksbanken für eine Sparkultur ein - die im Prinzip ja bis heute fest in den Herzen der Deutschen verankert ist. Wer spart kann mobilisieren, reisen und bauen, so die Plakate der Zeit. Damals wurde erst gespart und dann der neue Wagen gekauft, heute wird erst gekauft und dann abbezahlt.
  5. Innovationen umsetzen. Der Genossenschaftsverband hat sich über die Zeiten hinweg immer wieder als Innovator hervorgetan. So setzte er das bargeldlose Zahlen bereits in den 1960er Jahren durch - das Gehalt konnte nun aufs Konto überwiesen werden und die Lohntüte hatte ausgedient. Aber auch bei Geldautomaten oder Kontoauszugsdruckern war der GVB genauso Vorreiter wie etwa bei einem eigenen Rechenzentrum - Vorläufer der heutigen Fiducia. Aktuell investiert der Verband in den nächsten Jahren 500 Mio. Euro für die weitere Digitalisierung.

Gott mit dir, du Land der Bayern

Als eines der Highlights, das ihn persönlich besonders begeisterte, nannte Gros die enge Verbindung zwischen Genossenschaftsgedanken und der Bayernhymne. Denn der Texter der 1860 erstmals aufgeführten Hymne, Michael Öchsner, und der Komponist, Konrad Max Kunz, waren beide Mitglieder der bis heute bestehenden Bürger-Sänger-Zunft. Und diese liberal gesinnten Männer gründeten auch die erste, heute noch bestehende bayerische Genossenschaft, nämlich die (heutige) Münchner Bank.
Die Festschrift wurde nur in begrenzter Auflage gedruckt und ist nicht im Buchhandel erhältlich. Sie kann aber auf der Website des Genossenschaftsverbandes Bayern kostenlos angesehen werden.